Ukraine

Putins Höllenwaffe ist mit "einer Art Plasma" überzogen

Bis zu Mach 10 schnell und vom Radar unentdeckbar: Kremlchef Wladimir Putin hat die "Zirkon" in Dienst gestellt. Was die Hyperschallwaffe bedeutet.

Russland testete im Jänner 2020 erstmals erfolgreich seinen Hyperschall-Marschflugkörper 3M22 Zirkon. (Darstellung)
Russland testete im Jänner 2020 erstmals erfolgreich seinen Hyperschall-Marschflugkörper 3M22 Zirkon. (Darstellung)
TASS/DefPost

Im Mai meldete Russland einen ersten erfolgreichen Flug, jetzt ist offenbar das erste russische Schiff damit bewaffnet: Vor dem Hintergrund anhaltender Probleme in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin diese Woche die neue Hyperschallrakete Zirkon in Dienst gestellt.

Wegen ihrer extrem hohen Geschwindigkeit ist sie von der Flugabwehr praktisch nicht aufzuhalten. Fragen an Waffen- und Abrüstungsexperte Marc Finaud.

Herr Finaud, was können Sie uns zur Hyperschall-Rakete sagen, die Putin jetzt in Betrieb nahm?

Diese Art Rakete ist sehr schnell: fünfmal schneller als die Schallgeschwindigkeit. Sie fliegt also mit Mach 5 (6.125 Kilometer pro Stunde). "Zirkon" soll sogar bis zu 9 bis 10 Mach erreichen können. Zudem ist sie sehr manövrierfähig und kaum abzufangen – im Gegensatz zu einer ballistischen Rakete, deren Flugbahn sich berechnen lässt, was sie angreifbar macht. Zusätzlich ist die Rakete mit einer Art Plasma überzogen, was verhindert, dass Radargeräte sie entdecken können. Das heißt, der Luftdruck vor der Waffe bildet bei ihrer Bewegung eine Plasmawolke, die Funkwellen absorbiert und sie für aktive Radarsysteme praktisch unsichtbar macht. Auf dem Papier sieht es fantastisch aus.

"Es ist die Antwort darauf, dass in der Ukraine die traditionellen Marschflugkörper und ballistischen Raketen abgefangen werden."
Setzt Russland "Zirkon" jetzt gegen die Ukraine ein?

Nein. Moskau will seine Schiffe im Atlantik und im Indischen Ozean mit "Zirkon"-Raketen bestücken. Von der Ukraine ist nicht die Rede – auch deswegen, weil "Zirkon" wegen der limitierten Reichweite vom Schwarzen Meer aus abgeschossen werden müsste. Die Türkei aber erlaubt Kriegsschiffen nicht, den Bosporus zu passieren. Dass Putin "Zirkon" jetzt in den Dienst genommen hat, ist eine politische, weniger eine militärische Botschaft. Russland will Schwäche überspielen und signalisieren, dass man eine Antwort darauf hat, dass in der Ukraine die Mehrheit seiner traditionellen Marschflugkörper, ballistischen Raketen und Drohnen von Raketenabwehrsystemen wie Iris oder Patriot auch abgefangen werden.

Die russische Fregatte "Gorschkow" wurde mit der Hyperschallwaffe "Zirkon" (Tsirkon) ausgerüstet. Hier  verlässt sie am 4. Jänner 2022 den Marinestützpunkt im russischen Sweromorsk.
Die russische Fregatte "Gorschkow" wurde mit der Hyperschallwaffe "Zirkon" (Tsirkon) ausgerüstet. Hier verlässt sie am 4. Jänner 2022 den Marinestützpunkt im russischen Sweromorsk.
REUTERS
Welche Hyperschallraketen hat Russland?

Russland hat neben "Zirkon" den Hyperschall-Gleitflugkörper "Awangard" entwickelt. Seit letztem März ist in der Ukraine die Hyperschallrakete Kinshal im Einsatz.

Müsste sich das in der Ukraine nicht in verheerendster Weise zeigen?

"Kinschal" hat nur eine mittlere Reichweite und wird mit einem Jet abgefeuert. Das ist riskant, da Russland den ukrainischen Luftraum nicht dominiert und eine mit Hyperschallraketen bestückte MiG deswegen abgefangen und abgeschossen werden kann. Die hohen Kosten tragen weiter dazu bei, dass Kinschal seit März zwar einige Male, aber nicht in großem Umfang eingesetzt wurden. Derzeit fährt Moskau ohnehin die Strategie, vor allem zivile, nicht wichtige militärische Ziele anzugreifen.

"Wir stehen am Anfang des Wettrüstens mit Hyperschallwaffen."
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    Russlands Präsident Wladimir Putin während einer Pressekonferenz in Moskau am 22. Dezember 2022.
    Russlands Präsident Wladimir Putin während einer Pressekonferenz in Moskau am 22. Dezember 2022.
    Sputnik via REUTERS
    Haben Hyperschallraketen auch Nachteile?

    Je nach Ziel ihre Reichweite. "Kinschal" ist auf 1.000 Kilometer limitiert, also nicht vergleichbar mit einer Interkontinentalrakete. Zudem lässt sich die Hyperschallrakete mit nuklearen Sprengköpfen bestücken, doch das dürfte wegen des Gewichts Geschwindigkeit und Reichweite reduzieren. Es gibt also durchaus Limitationen.

    Werden Hyperschallwaffen Kriege künftig verändern?

    Möglicherweise. Wir stehen am Anfang des Wettrüstens mit Hyperschallwaffen. Auch Länder ohne Atomwaffen, etwa Australien, haben sie. Dahinter steht das Sicherheitsdenken: Die Fähigkeit, fremde Abwehrmaßnahmen zu umgehen, ist der Schlüssel zur Verbesserung der eigenen Verteidigungsfähigkeit.