Ukraine

Putin schwach wie nie – "so machtlos gegen Prigoschin"

Nach dem Marsch des Wagner-Chefs auf Moskau hält die Welt den Atem an. Offenbar auch Wladimir Putin – der laut Expertem schwach wie nie erscheint.

Sicherheitsexperte Nico Lange am späten Montagabend in der ORF-"ZIB2".
Sicherheitsexperte Nico Lange am späten Montagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

In der Nacht zum 24. Juni startete Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin eine bewaffnete Rebellion seiner Söldner-Armee gegen die russische Armeeführung, führte schwer bewaffnete Einheiten bis fast nach Moskau und stieß bis auf Gefechte mit der russischen Luftwaffe dabei überraschend kaum auf Widerstand. Nach langem Schweigen meldeten sich am Montagabend sowohl Prigoschin, als auch Putin zu Wort – und sagten dabei inhaltlich wenig. Klar ist nur: Die als "Verräter" bezeichneten Söldner sollen straffrei ausgehen und sich entweder nach Belarus absetzen oder in die Russland Armee eingliedern.

Eine Lage-Einschätzung versuchten am späten Montagabend in der ORF-"ZIB2" sowohl Paul Krisai, ORF-Korrespondent in Moskau, als auch der Sicherheitsexperte und Russland-Experte Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz – zugeschaltet bei Moderator Armin Wolf. "Es war eher eine Art Präsenzauftritt", so Krisai zu Putins Rede am Montagabend.

Putin habe wohl zeigen wollen, dass er "Herr der Lage sei", inhaltlich jedoch sei die "Rede sehr dünn" gewesen. Putin spreche allerdings noch immer von "Verrat" – was genau nun weiter passieren solle, sei nach wie vor völlig unklar. 

Dass Putin keinerlei Namen in seiner Rede nannte, daraus könne man ableiten, dass sich im russischen Verteidigungsministerium nichts verändert habe, sonst würde Putin auch den Forderungen Prigoschins nachgeben, so Krisai. Putin habe sich aber noch einmal hinstellen müssen, um den Wagner-Kämpfern eine Garantie abzugeben, dass sein Wort gelte und dass die Straffreiheit dür die Söldner eingehalten werde. "Das passt gar nicht zusammen", sagte wiederum der Sicherheitsexperte Lange. Bemerkenswert sei, wie weit die Söldner nach Moskau hätten vorstoßen können.

"Ich glaube, es ist noch nicht vorbei"

"Putin muss sich Sorgen machen, dass seine Unterstützer nirgends zu sehen waren", so Lange, einzig die russische Luftwaffe habe gegen die Söldner gekämpft. Es seien Bilder gewesen, die man eher von Bandenkriegen kenne, so Lange: "Ich glaube, es ist noch nicht vorbei." Weder Putin, noch Prigoschin seien mit ihren Auftritten glaubhaft. "Es passt doch nicht zusammen", so Lange, dass Prigoschin zuerst schwerst bewaffnet nach Moskau ziehe und danach erkläre, dass es ein friedlicher Protest hätte sein sollen. "Das hat viele Leute sehr nachdenklich gemacht, auch Putin selbst", so Lange.

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    Dieser Videoscreenshot soll Jewgeni Prigoschin am Abend des 24. Juni 2023 beim Verlassen von Rostow am Don zeigen. Kurz zuvor hatte er den Wagner-Aufstand überraschend abgeblasen.
    Dieser Videoscreenshot soll Jewgeni Prigoschin am Abend des 24. Juni 2023 beim Verlassen von Rostow am Don zeigen. Kurz zuvor hatte er den Wagner-Aufstand überraschend abgeblasen.

    Der vermeintlich "starke russische Staat" sei "abwesend" gewesen, so Lange. "Nichts" halte Lange dagegen von der These, dass alles inszeniert gewesen sei. Es sei "sehr modern geworden", bei allen größeren Vorfällen sofort "false flag" zu rufen und von einer Inszenierung zu sprechen, kritisierte der Sicherheitsexperte. Aber man schieße ja nicht Flugzeuge und Helikopter ab und gebe dann so eine Rede wie Putin, wenn alles ein Schauspiel sei, so Lange. Und man sehe gerade aktuell "allen in Russland" die Unsicherheit an.

    "Ganz großes Zeichen der Schwäche"

    "Putin ist sehr beschädigt", so Langes Einschätzung, "das ist ein ganz großes Zeichen der Schwäche". Er habe schon in der Vergangenheit Blamagen erlitten, aber keine wie die aktuelle. Putin sei nun "ganz sicher noch schwächer als vor dieser Aktion" und sie werde tiefe Auswirkungen auf sein Machtsystem haben, dass er "so machtlos gegen Prigoschin" gewesen sei. Putins Schwäche könne zudem eine "Einladung" an andere sein, das "vielleicht auch einmal zu versuchen". Putin müsse Stärke zeigen, möglicherweise versuche er das auch im Inneren Russlands, so der Experte.

    In der Ukraine habe Putin jedenfalls das Problem, dass er alles versuche, "aber seine militärischen Ziele nicht erreichen kann". Deswegen könnte Putin "auf einer anderen Baustelle" versuchen, Stärke zu beweisen, so Lange. Und wie groß sei die Atom-Angst wegen der Vorfälle? "Ein Sicherheitsrisiko, das man im Blick haben muss", gebe es jedenfalls, so Lange, es könne aber nicht einfach "jemand die Nerven verlieren" und im Alleingang Atomraketen starten. Am meisten Sorgen müsse "aber Putin selbst machen", der die Kontrolle verliere. "Putin ist das größere Sicherheitsrisiko als alles andere, über das man gerade nachdenken kann." Lange meinte aber: Wir sollten "keine Angst davor haben, dass es ein Nicht-Putin-Russland" geben könnte.