Niederösterreich
Bedingte Strafen für 4 Pfleger, die Bewohner quälten
Finaler Tag im Pflegeprozess in St. Pölten: 4 Angeklagte sollen demente und wehrlose Heimbewohner gequält und erniedrigt haben. Keiner muss in Haft!
Finale im Mammutprozess heute in Sankt Pölten: Seit Herbst 2020 standen vier ehemalige Pflegekräfte des Clementinums in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten-Land) vor Gericht.
Schauderhafte Vorwürfe
Wie berichtet, soll das Quartett demente Bewohner gequält und misshandelt haben. Die Vorwürfe waren schauderhaft: Von Abführmitteln, über Franzbranntwein im Geschlechtsbereich, Schlägen und Erniedrigungen, bis zur Verkleidung von Bewohnern zur mutmaßlichen Belustigung der vier Angeklagten (ein Mann und drei Frauen im Alter von 30 bis 55).
Zeugen belasteten Pfleger
Die Anklage war vor allem auf Belastungszeugen und eine WhatsApp-Gruppe gestützt - mehr dazu lesen Sie hier. Ausführlich berichteten Zeugen von mutmaßlichen Misshandlungen und Erniedrigungen und einem ordinären, entwertenden Umgangston in der berüchtigten WhatsAppGruppe und auch innerhalb des Hauses.
Die vier Angeklagten hatten sich von Anfang an gegen die Vorwürfe gewehrt, sprachen von einer Intrige, vor allem der männliche Angeklagte (Anm.: er hatte sich in Chatgruppe "Master of Death" genannt) konnte anhand von Pflegedokumenten einige Vorwürfe entkräften - mehr dazu hier.
Die Urteile
Am heutigen Mittwoch meinte die Staatsanwältin nochmals in Richtung der vier Angeklagten: "Sie haben sich an den Schwächsten der Gesellschaft vergriffen." Bereits kurz nach 10 Uhr wurden die Schlussplädoyers vorgehalten.
Nach einer rund dreistündigen Urteilsberatung dann um 13.30 Uhr die Urteile: Keiner der Angeklagten muss in Haft. Alle vier wurden wegen Quälens und Vernachlässigung wehrloser Personen, sexuellen Missbrauchs und Körperverletzung schuldig gesprochen. Die 55-Jährige fasste 16 Monate bedingte Haft plus 1.440 Euro unbedingte Geldstrafe aus. Der 30-jährige Angeklagte fasste 18 Monate bedingte Haft und 2.160 Euro unbedingte Geldstrafe aus, die anderen beiden Pflegerinnen (34, 52) kamen mit einem Jahr auf Bewährung davon. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Der "Pflegeskandal" Clementinum war im Oktober 2016 öffentlich geworden. Ein ermittelnder Kriminalbeamter hatte bereits nach einigen Monaten gemeint: "Die Suppe ist dünn. Ob es da überhaupt zur Anklage kommen wird? Andererseits glaube ich kaum, dass sich die Staatsanwaltschaft traut, das Verfahren einzustellen."
Nachdem der mediale Druck angestiegen war und schließlich "Lainz-Vergleiche" gezogen wurden und sogar Gerüchte über mutmaßliche Tötungen durch Medikamentencocktails kursierten, wurden am Baumgartner Friedhof sogar Gräber geöffnet - mehr dazu hier. Doch dieser Verdacht stellte sich als völlig haltlos heraus.