"Das ist doch alles unmenschlich", sagt Thomas Stiller. Der 51-Jährige, der, wie er sagt, im "Speckgürtel von Wien" bei Gänserndorf wohnt, ist wütend. Ursprünglich hat Stiller den Beruf des Grafikers erlernt, sich dann aber zum Busfahrer umschulen lassen. Seither hat er viel erlebt.
Die meisten Menschen, meint Stiller, würden sich nicht vorstellen können, was Busfahrer zu sein konkret bedeutet: "Fast hätte mich ein aggressiver Fahrgast am Hals erwischt. Ich hatte Glück, sein Arm war zu kurz und wurde deshalb durch die Glasabtrennung abgehalten." Das sei nur eine Anekdote aus seiner Zeit bei den Wiener Linien.
Stiller hat später das Unternehmen gewechselt, die Arbeitsbelastung für ihn und seine Kollegen habe aber auch im neuen Unternehmen zugenommen. "Und in den letzten Jahren? Da ist der Verkehr auch noch aufs doppelte oder sogar dreifache angestiegen."
"Seit Corona gilt das Kriegsrecht im Bus", sagt Stiller dann etwas aufgebracht und meint damit die "immer aggressivere Stimmung", denn Busfahrer bekämen den gesamten gesellschaftlichen Druck ab, nicht nur auf der Straße, sondern direkt in der Fahrerkabine.
Das bekomme man auch unter Kollegen mit. Rund 1.700 Lenker würden in den neun Busfirmen seiner Unternehmensgruppe arbeiten, 300 davon alleine in Niederösterreich. In ganz Österreich gäbe es an die 15.000 Busfahrer. Viele von ihnen seien jetzt frustriert. Aktuell laufen Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite für einen neuen Kollektivvertrag. Darin sollen vor allem bessere Arbeitsbedingungen festgeschrieben werden, sagt Stiller.
Der größte Druck komme aber von oben, kritisiert Stiller: Busse, der Diesel oder in Zukunft der Strom, würden für alle Unternehmen gleich viel kosten. "Gespart wird also an uns Lenkern. Wir sind der einzige Faktor, wo viel Geld zu holen ist."
Das läge daran, dass es ab 2015 mit den Vergaben zu Fixpreisen, wie bei der Eisenbahn, zu Ende war. Es hieß, man wolle ein Bestbieterprinzip. "Daraus wurde aber das Billigbieterprinzip und immer schlimmere Arbeitsbedingungen", erklärt Stiller.
Wie sparen die Busunternehmen also Geld, wollte "Heute" von Stiller wissen. Das sei ganz einfach erklärt, sagt der Gänserndorfer: "Einerseits über die Lenkkosten, wo das Gesetz sagt, dass Busfahrer, die alle drei Stunden zur Garage zurückkehren, keine Zulagen bezahlt bekommen. Andererseits durch ständige Pausenabzüge." Das gäbe es in keiner anderen Branche, so Stiller.
"Viele Firmen zahlen die Pausen einfach nicht. Den wenigsten fällt das auf ihrem Gehaltszettel auf", sagt der Niederösterreicher, der sich mittlerweile zum Betriebsrat wählen hat lassen und deshalb noch genauer hinsieht: "Wir arbeiten an sechs Tagen pro Woche, beginnen meist schon vor 5 Uhr und kommen oft erst nach 20 Uhr nachhause."
Solche 15-Stunden-Tage würden zwar Stehzeiten beinhalten, die werden aber nicht bezahlt, erklärt Stiller: "Von der Arbeitszeit werden uns dann auch noch 1,5 Stunden abgezogen. Von den 15 Stunden, die man draußen ist, bleiben 6,5 Stunden am Gehaltszettel über."
Eine Studie des Bündnis "Wir fahren Gemeinsam" zusammen mit der Universität Wien ergab, dass 45,9 Prozent der Busfahrer über "Stress" klagten und 38,3 Prozent das Busfahren als "Gesundheitliche Belastung" wahrnehmen. Jeder fünfte Lenker gab an, "überlastet" zu sein.
Als Reaktion auf das Scheitern der dritten Verhandlungsrunde für einen neuen Kollektivvertrag (KV), sprach der Chefverhandler der Busunternehmer, Martin Horvath, von "haltlosen Vorwürfen" und kolportierte in einer Aussendung, dass der Einstiegslohn der Busfahrer in den letzten sechs Jahren um 45 Prozent erhöht worden sei. Horvath rechnet vor: "Buslenker:innen erhalten aktuell ein Nettoeinkommen von 2.850 Euro." Das sei inklusive von Zulagen in Form von Diäten und 3,5 Überstunden.
Stiller widerspricht: "Genau diese Zulagen fallen weg, durch geschickt gestrickte Dienstpläne, den Sonntag bekommen wir sowieso nicht bezahlt und Überstunden herzunehmen, um ein Einstiegsgehalt darzustellen ist ein perfider Täuschungsversuch." Realistisch seien 2.200 Euro mit Zulagen. Der reine Nettolohn läge bei rund 2.000 Euro.
In der KV-Runde sei von selbiger Seite gekommen, dass Buslenker für Hilfskräfte doch vergleichsweise gut verdienen würden, erinnert sich Stiller. Dann wird er bestimmt: "Uns als Hilfskräfte zu bezeichnen, ist eine Frechheit. Die Hälfte von uns sind Berufskraftfahrer, alle brauchen mindestens einen D-Schein und eine qualifizierte Ausbildung. Früher gab es dafür einen Berufsschutz." Heute fehle der Arbeitgeberseite oftmals der Respekt vor den Menschen, die in ihren Unternehmen arbeiten.
Dabei sei klar, sagt Stiller: "Wir wollen arbeiten. Aber wenn Streik unser letztes Mittel sein soll, dann ist das eben so." Das könnte zu Busausfällen im ganzen Land führen. Am 17. Februar ist die letzte Verhandlungsrunde vorgesehen, Streik droht dann ab 20. Februar.