Ukraine
"Fürchterliche Waffen" – so kann Ukraine Krieg gewinnen
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet weiter aktuell aus der Ukraine. Er ist sich sicher, die Russen könnten zurückgeschlagen werden.
Nachdem er noch den Dienstag in der Hauptstadt ausgeharrt hatte, trat auch der erfahrene Kriegsreporter den Rückzug an. Über die südliche Route flüchtete Christian Wehrschütz aus Kiew in das rund 60 Kilometer entfernte Bila Zerkwa. Von dort meldete er sich am Mittwochabend mit einer brandaktuellen Lageeinschätzung in der ZIB2 bei Armin Wolf.
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"Wir hatten in der Nacht Fliegeralarm, aber noch ist es ruhig. Wir haben starke Kräfte, viele Straßensperren hier". Noch sei die mögliche Luftlandung russischer Truppen, die Kiew auch von Süden abschneiden könnte, ausgeblieben, schildert Wehrschütz. Auch der große Angriff auf die Hauptstadt ist bisher ausgeblieben, der Mega-Konvoi im Nordwesten bewegt sich nicht.
Sturm auf Kiew erst nächste Woche?
"Die Erklärung dafür ist, dass die Russen das Ganze in Richtung einer Dramaturgie aufbauen." Aktuell werden immer mehr zivile Infrastrukturobjekte in den Städten zerstört, Kiew habe man mit der Rakete auf den Fernsehturm eine "Warnung" geschickt.
Mehr dazu in: "Wenn das Kiew droht, dann gute Nacht!"
Der Konvoi alleine könne nichts ausrichten: "Man muss diese Stadt einschließen und man muss auch in anderen Bereichen vorankommen und das passiert offenbar noch nicht." Die Verteidiger seien zudem "ganz gut" organisiert.
"Wir haben vielleicht noch zwei, drei Tage, wo die Russen der Bevölkerung in Kiew einen humanitären Korridor anbieten werden, um zu zeigen: 'Wir wollen euch nicht töten, jedenfalls nicht offiziell', doch dann könnte es richtig losgehen", schätzt der Experte. Er hat auch schon ein mögliches Datum im Auge: "So um den 7. oder 8. März".
Ukrainer haben Chance auf Sieg
Doch wenn dann die Bomben hageln und die Panzer losrollen, hat die ukrainische Armee überhaupt eine Chance gegen die aufgefahrene Übermacht? Wehrschütz ist sich sicher: JA!
"Die ukrainische Armee hat auf jeden Fall eine Chance. Schon allein deswegen, weil das Verhältnis Angreifer zu Verteidiger nach allen Grundregeln militärischer Ausbildung 3:1 sein muss." Aber das ist noch nicht der einzige Grund: auch die starke Bereitschaft der Bevölkerung zum Guerilla- und Partisanen-Kampf könnte den russischen Vormarsch bremsen.
"Im Häuserkampf fürchterliche Waffen"
Und: "Vergessen Sie nicht, wir sind heute nicht mehr im Zweiten Weltkrieg, wo es am Ende noch eine kleine Panzerfaust gegeben hat", schärft er nach. "Wir haben heute panzerbrechende Waffen gegen moderne Panzer." Diese seien noch dazu viel billiger als die eingesetzten Panzer.
"Im Häuserkampf, im Straßenkampf sind das fürchterliche Waffen. Das schaue ich mir schon an, wie leicht die russischen Panzer da bereit sein werden, überall hineinzufahren."
Zivile Opfer werden in Kauf genommen
Solange die Ukrainer bereit seien, auch zivile Opfer auf sich zu nehmen, hätten sie durchaus eine Chance, die Invasoren zurückzuschlagen. Auch der massive Zustrom an ausländischen Söldnern spiele eine wichtige Rolle: "Jeder Kampftag, wo die Ukrainer standhalten und die Russen verlieren, ist ein Vorteil für die Ukraine."
Die ukrainische Verteidigung spiele ganz bewusst auch auf Zeit. Die große Hoffnung sei, dass die Informationssperre und Propaganda des Kremls in den russischen Medien durch unabhängige Berichte und Soziale Netzwerke durchbrochen werde und zunehmender Widerstand in der russischen Bevölkerung gegen diesen Krieg Putin zum Einlenken zwingen werde.