Politik

ÖVP zahlt den Anwalt – so startet Prozess gegen Kurz

108 Seiten hat der Strafantrag gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. "Heute" hat zusammengefasst, was beim Prozess zu erwarten ist.

Leo Stempfl
Statt Dubai, New York und Tel-Aviv wird der Lebensmittelpunkt von Sebastian Kurz und dem Mitangeklagten Bernhard Bonelli (rechts) in den nächsten Wochen die Landesgerichtsstraße 11 in Wien sein.
Statt Dubai, New York und Tel-Aviv wird der Lebensmittelpunkt von Sebastian Kurz und dem Mitangeklagten Bernhard Bonelli (rechts) in den nächsten Wochen die Landesgerichtsstraße 11 in Wien sein.
Helmut Graf/Archivfoto

Am Mittwoch muss der bisher unbescholtene Sebastian Kurz – fast genau zwei Jahre nach seinem Rücktritt – auf der Anklagebank Platz nehmen. Beobachtet wird er dabei von rund 150 Personen: Mit 83 Journalisten, 38 sonstigen Interessierten, Vertretern der Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Justiz wird der Große Schwurgerichtssaal am Wiener Straflandesgericht zum Bersten voll sein, wenn Richter Michael Radasztics um 9.30 Uhr den ersten Prozesstag eröffnet.

Plätze "ausreserviert" – großer Andrang auf Kurz-Prozess

Zu Wort kommen wird der ehemalige Polit-Shootingstar, der die ÖVP in lichte Höhen zurückführte, womöglich erst am zweiten Prozesstag (Freitag). Immerhin umfasst der Strafantrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der eingangs erläutert wird, ganze 108 Seiten. Und auch die Plädoyers der Rechtsanwälte der Angeklagten werden einige Zeit in Anspruch nehmen.

Eigentlich hauptangeklagt ist Ex-ÖVP-Vizechefin Bettina Glatz-Kremsner, die gleich in fünf Punkten rund um politische Hintergründe bei der Casinos-Austria-Vorstandsbestellung die Unwahrheit gesagt haben soll. Mitangeklagt wegen Falschaussage ist auch einer der engsten und längsten Vertrauten des Ex-Kanzlers, Bernhard Bonelli. Für sie alle gilt die Unschuldsvermutung.

Das sind die Vorwürfe

Vorgeworfen wird Sebastian Kurz die falsche Beweisaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Dabei ging es um seine Rolle rund um die Bestellung seines (ehemaligen) Vertrauten Thomas Schmid zum Chef der ÖBAG; ein mächtiger Posten. Bei ihm sichergestellte Chats sowie Schmid selbst – der Kronzeuge werden will – belasten laut WKStA Kurz schwer. Der Ex-Kanzler soll seinen Involvierung heruntergespielt haben, um sich politischer und medialer Kritik zu entziehen.

Die WKStA sieht hierin § 288 Abs 1 und 3 StGB verwirklicht. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, eine mögliche Diversion wird "mangels Verantwortungsübernahme" und "aus generalpräventiven Gesichtspunkten" abgelehnt.

Als Zeugen geladen ist eine regelrechte Allstars-Liste der heimischen Politik der letzten Jahre: Thomas Schmid, Hartwig Löger, Gernot Blümel, Heinz-Christian Strache und viele mehr. Auch unzählige Chats sind Teil des Strafantrags. Noch nicht bekannt ist, wen die Verteidigung laden will.

ÖVP zahlt den Anwalt

Apropos Verteidigung: Diese übernimmt für Kurz Dr. Otto Dietrich. Bezahlt wird der Wiener Rechtsanwalt, der Teil der auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten ROXIN Alliance ist, übrigens von der ÖVP. "Der Bundesparteivorstands hat beschlossen, dass hochrangigen Funktionsträgern der Volkspartei Rechtsschutz in außergerichtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen gewährt wird, wenn die Vorwürfe die politische und repräsentative Tätigkeit der Person betreffen", hieß es gegenüber "Ö1". Obwohl Sebastian Kurz mit seiner Firma "SK Management GmbH" im letzten Jahr also rund zwei Millionen Euro Gewinn einfuhr, kommt also der Steuerzahler dafür auf. 

In Österreich ist das nicht ungewöhnlich. Erst jüngst zahtle der FPÖ-Parlamentsklub Gerichtskosten und Entschädigung von Christian Hafenecker an Armin Wolf, die SPÖ übernahm die rechtliche Vertretung von ihren Wahlbeisitzern. Ein Mitgrund hierfür: Selbst bei Freisprüchen werden die Prozesskosten für Beschuldigte kaum übernommen. Ein Umstand, der Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache an den Rande des finanziellen Ruins trieb. Die Anwälte von Bonelli (ÖVP-Anwalt Werner Suppan) und Glatz-Kremsner (Lukas Kollmann) müssen diese übrigens selbst zahlen.

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    Am Mittwoch feierte "Kurz – Der Film" Premiere im Artis-Kino in Wien. 
    Am Mittwoch feierte "Kurz – Der Film" Premiere im Artis-Kino in Wien.
    Helmut Graf

    Heikler Joker

    Inhaltlich hat sich die Verteidigung bereits in die Karten blicken lassen. Die Staatsanwaltschaft wird als nicht objektiv attackiert und die Opposition beschuldigt, durch perfide Fragestellung einzig eine mögliche strafrechtliche Verfolgung ihres Konterparts im Sinn gehabt zu haben.

    Am Rande erwähnt wird auch der Aussagenotstand. Kurz müsste dann zugeben, gelogen zu haben, "um von sich oder einem Angehörigen Schande oder die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung (...) abzuwenden". Gekontert wurde das seitens der WKStA aber bereits im Strafantrag mit dem Hinweis, dass alle Angeklagten stets behaupteten, wahrheitsgemäß ausgesagt zu haben. Zudem sei die Involvierung in die Bestellung des ÖBAG-Postens ohnehin nicht strafrechtlich relevant. 

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