"Heilige Kuh schlachten"

ÖVP-Grande macht Ansage: SO soll es jetzt weitergehen

Wirtschaftskammer-Chef Mahrer hat selbst bereits drei Regierungen mitverhandelt. "Heute" sagte er, was er sich von der nächsten Koalition erwartet.

Clemens Oistric
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer im <em>"Heute"</em>-Interview
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer im "Heute"-Interview
Sabine Hertel

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer will in einer künftigen Legislaturperiode kein Weiter-wie-bisher mehr – in diesem Punkt ist er im großen "Heute"-Interview (in voller Länge als Video unten) unmissverständlich: "Das Wahlergebnis hat eindeutig gezeigt, dass es viele große Probleme gibt, die den Bürgerinnen und Bürgern unter den Fingernägeln brennen."

Diese müssen, darauf pocht der VP-Grande, "eisern und klar angegangen werden". Nachsatz: "Und zwar nicht langsam, sondern schnell."

Video: Der komplette Talk mit Harald Mahrer

Mahrer: "Da muss man sagen, wir kümmern uns"

Nachwahlbefragungen und eine aktuelle "Heute"-Umfrage – hier sprechen sich die Österreicher dafür aus, die Asyl- und Migrationsthematik sowie die Teuerung schleunigst anzupacken – lieferten einen klaren Handlungsauftrag. Bei Sicherheit und Integration dürfe man sich "nicht wie in den vergangenen Jahren wegducken".

Mahrer: "Da muss man sich jetzt mal hinstellen und ehrlich sagen: Wir haben verstanden, es gibt das Problem in sehr unterschiedlichen Bereichen – vom Arbeitsmarkt bis tief hinein ins Bildungs- oder Gesundheitssystem, wir kümmern uns darum."

"Tief in Rezession"

Auch die wirtschaftliche Lage Österreichs besorgt den Wirtschaftsboss: "Wir sind tief in einer Rezession. Das bedeutet, dass viele Betriebe – vor allem jene, die im produzierenden Bereich tätig sind – nicht gut laufen und eine ganz, ganz schlechte Auftragslage haben."

Wir alle zahlen Steuern in einem exorbitant hohen Ausmaß. Viele Menschen leiden unter dieser Steuerknute.
Harald Mahrer
Präsident der Wirtschaftskammer

Im Land fehle es an Investitionsfreudigkeit und Konsum – vor dem Verhandlungsstart über eine neue Regierung fordert Mahrer: "Wenn wir nicht den Wirtschaftsmotor ankurbeln und die Betriebe weiter erfolgreich sind, gibt es nichts, was wir nachher investieren und verteilen können." Das heißt konkret? "Es muss, und das ist das eiserne Gesetz, zuerst erarbeitet werden, was nachher verteilt werden kann."

Mahrer im <em>"Heute"</em>-Interview mit Clemens Oistric
Mahrer im "Heute"-Interview mit Clemens Oistric
Sabine Hertel

Von der Spitzenpolitik brauche es nun das Bekenntnis: "Wir haben die Probleme identifiziert und wir machen uns ehrlich aus, sie anzugehen. Jetzt brauchen wir Menschen, die Verantwortung übernehmen und bereit sind, für uns, für unsere Kinder und Enkelkinder zu handeln."

"Heilige Kuh schlachten"

Man werde dabei nicht umhinkommen, "die eine oder andere heilige Kuh zu schlachten", sprich Maßnahmen zu setzen, "die ordentlich Geld bringen". Mahrer plädiert dafür, den Förderungs-Wildwuchs zu durchforsten und jene einzustellen, "die nicht den volkwirtschaftlichen Effekt erzielen, den wir uns wünschen".

Er ist dafür, "nicht mit der Gießkanne herumzulaufen, sondern das Geld sinnvoller zu verwenden – zum Beispiel zur Sprachförderung im Kindergarten". Der 51-jährige Kammerpräsident: "Ich bin ein großer Fan davon, möglichst früh anzusetzen, dass wir die Probleme dann nicht in die Schulen hineinschleppen. Das muss man mal ehrlich ansprechen und nicht in einer Gutmenschen-Manier so tun, als hätten wir die Probleme alle nicht."

Obwohl sich nun Koalitionsverhandlungen seiner Partei, der ÖVP, mit SPÖ und Neos abzeichnen, stemmt sich Harald Mahrer klar gegen neue Steuern: "Österreich ist ein absolutes Höchst-Steuerland. Wir alle zahlen Steuern in einem exorbitant hohen Ausmaß. Viele Menschen leiden unter dieser Steuerknute. Sie hätten gern mehr Netto vom Brutto."

"Fast schon schamlose Idee"

Andreas Bablers Wunsch nach Erbschafts- und Vermögenssteuern empfindet er als "fast schon schamlose Idee": "Das ist ja bei jedem Zugewinn schon zugriffen worden. Der Staat ist beim Zugreifen allpräsent. Wir haben wirklich kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. So unangenehm das vielleicht für manche ist, wir werden ganz hart über eine andere Prioritätensetzung bei den staatlichen Ausgaben diskutieren müssen."

Da werde man sich "hinsetzen und ehrlich fragen müssen: Können wir alles noch weiter so finanzieren, wie wir es heute finanzieren?"

Gerechtigkeit zwischen denen, die arbeiten können und wollen und denen, die arbeiten können, aber nicht wollen.

Dass sich in Wirtschaftsbelangen ÖVP und FPÖ weit näher stünden, nimmt Mahrer mit Augenzwinkern: "Man kann auch gut im Kopieren sein von Programmen sein und dann behaupten, sie seien deckungsgleich." Karl Nehammers "Nein" zu Herbert Kickl habe dieser "wohl begründet und wohl überlegt". Es sei auch "das Privileg des Parteiobmannes, zu sagen, in welche Richtung er gerne gestalten würde".

Keine Präferenz "bei Farbenspielereien"

In der Frage nach Wunsch-Koalitionen könne sich jetzt keiner "den Luxus einer persönlichen Präferenz erlauben, wenn es um Farbspielereien geht", gibt er seine Präferenz nicht preis und verweist auf inhaltliche To-Dos wie "Zukunft der Wirtschaft, Integration, ein funktionierendes Pensionssystem, reduzierte Wartezeiten bei Ärzten, Sicherheit im öffentlichen Raum und ein gerechteres Österreich".

"Leistung muss sich wieder mehr lohnen"

In diesem Punkt richtet sich Mahrer an alle, "die arbeiten – auch voll – könnten und sagen: Ich will es aber nicht": "Für mich bedeutet Gerechtigkeit nämlich auch eine Gerechtigkeit zwischen denen, die arbeiten können und wollen und denen, die arbeiten können, aber nicht wollen." Explizit ausgenommen wissen will er Menschen mit Betreuungspflichten (Kinder, Pflege); er habe aber "kein Verständnis für Menschen, die sagen, ich will nur einen kleinen Teil oder gar nichts beitragen, aber alles aus diesem Sicherungssystem bekommen, für das andere arbeiten".

Sein Credo sei auf der anderen Seite aber auch: "Leistung muss sich wieder mehr lohnen". Daher müsse die "unfassbar hohe Steuer- und Abgabenlast" sinken. Und die bekannten Vorstöße: "Überstunden vermehrt steuerfrei stellen, das Arbeiten in der Pension für alle, die das wollen, sofort steuer- und abgabenfrei stellen, damit die, die mehr tun möchten, das Geld auch wirklich 'cash on hand' haben."

"Teuerung wir uns nicht mehr beschäftigen"

Eine gute Nachricht hat Mahrer in puncto Teuerung: "Hier wird es ab 2025 ein Durchatmen geben. Einerseits bleibt durch die Abschaffung der Kalten Progression, also des schleichenden Lohnfraßes, mehr Netto vom Brutto. Andererseits ist die Inflation drastisch gesunken." Der Wirtschaftskammer-Chef ist optimistisch: "Die Teuerung wird uns so nicht mehr beschäftigen. Aber das muss sich im Konsum auswirken, damit die Volkswirtschaft läuft."

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    <strong>20.10.2024: Tourist (29) braucht ein Sackerl – soll 200 Euro zahlen</strong>. Ein  29-jähriger Brasilianer hat an der Selbstbedienungskasse im Supermarkt das Papiersackerl nicht gescannt. <a data-li-document-ref="120067032" href="https://www.heute.at/s/tourist-29-braucht-ein-sackerl-soll-200-euro-zahlen-120067032">Das kommt ihn nun teuer zu stehen.</a>
    20.10.2024: Tourist (29) braucht ein Sackerl – soll 200 Euro zahlen. Ein 29-jähriger Brasilianer hat an der Selbstbedienungskasse im Supermarkt das Papiersackerl nicht gescannt. Das kommt ihn nun teuer zu stehen.

    Auf den Punkt gebracht

    • Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer fordert im großen "Heute"-Interview eine klare und schnelle Lösung der drängenden Probleme Österreichs, insbesondere in den Bereichen Asyl, Migration, Teuerung und Wirtschaft
    • Er betont die Notwendigkeit, wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, um den Wirtschaftsmotor anzukurbeln, und spricht sich gegen neue Steuern aus, während er eine effizientere Verwendung staatlicher Mittel und eine gerechtere Verteilung der Lasten fordert
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