Elefantenrunde artet aus

"Österreich-Beschmutzer" – wilder Streit im ORF

In der großen ORF-Elefantenrunde kurz vor der Wahl ging es heißer her, als erwartet. Es kam gleich zu mehreren Unter- und Angriffen.

Leo Stempfl
"Österreich-Beschmutzer" – wilder Streit im ORF
ORF-Elefantenrunde mit den Spitzenkandidaten zur EU-Wahl am 5. Juni 2024.
Helmut Graf

Der monatelange EU-Wahlkampf gipfelte Mittwochnacht. Unmittelbar bevor die Parteien am Donnerstag und Freitag den Wahlkampf offiziell beenden, traten ab 20.15 Uhr die Spitzenkandidaten der Parteien in der großen ORF-Elefantenrunde ein letztes Mal alle gegeneinander an.

Vier Tage vor der Wahl diskutieren Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Helmut Brandstätter (NEOS) bei "ZIB 1"-Anchor Tobias Pötzelsberger und ORF-Brüssel-Büroleiterin Raffaela Schaidreiter.

Lopatka will keine Schmetterlinge zählen

Es begann mit dem wohl drängendsten Thema unseres Planeten: dem Klimaschutz. Das Wort ging zum Start an Harald Vilimsky, für den andere Themen wichtiger sind als die Klimakatastrophe, wie er gleich betonte; etwa die Migration. Naturschutz solle lieber auf nationaler Ebene passieren, dafür brauche man keine Vorgaben aus Brüssel.

Blickt man nur auf Österreich, dann ist nirgends der Bodenverbrauch, das "Zubetonieren" größer als hier. Laut Reinhold Lopatka ist das noch "ein Bereich, wo wir gefordert sind". Er tritt das Vertrauen an die Länder ab und will mit Verweis auf die EU nicht, dass Bauern jetzt Schmetterlingszählungen durchführen müssen. "Irgendwann ist einmal Schluss mit der Regulierung."

Lena Schilling sieht "faule Ausreden", mit denen man sich vor Klimaschutzmaßnahmen drücken will. "Das ist wahnsinnig frustrierend." Solche Gesetze wie das Renaturierungsgesetz, gegen das es große Proteste aus der Landwirtschaft gibt, müssen endlich umgesetzt werden. Landwirte seien auch die ersten, die die Klimakrise spüren.

Die ORF-Elefantenrunde zur EU-Wahl in Bildern

1/19
Gehe zur Galerie
    ORF-Elefantenrunde mit den Spitzenkandidaten zur EU-Wahl am 5. Juni 2024.
    ORF-Elefantenrunde mit den Spitzenkandidaten zur EU-Wahl am 5. Juni 2024.
    Helmut Graf

    Andreas Schieder legt den Klima-Fokus auf die Arbeitsplätze der Zukunft, die davon betroffen sind und findet das Renaturierungsgesetz richtig und wichtig. Helmut Brandstätter sieht eines von vielen Themen, bei dem Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Er wolle sie wieder zusammen bringen. Katastrophen wie das aktuelle Hochwasser betreffen auch Österreich, denn Flüsse kennen klarerweise keine Grenzen.

    Nach einigen Minuten klinkt sich Vilimsky wieder ein und wettert gegen den ORF, weil über Klimaschutz diskutiert wird statt über andere Probleme. Moderator Pötzelsberger versucht zu rechtfertigen, wird aber lautstark vom FPÖ-Kandidaten unterbrochen.

    "Aber China"

    Die Wissenschaft ist sich jedenfalls einig, erläutert Pötzelsberger daraufhin, der CO2-Ausstoß muss sinken, um die "Fieberkurve" des Planeten irgendwie noch abzubremsen. Nach 20 Minuten Diskussion geht es schließlich um das Verbrenner-Aus und Elektromobilität.

    Brandstätter fordert bei diesem Thema Sicherheit für die Bevölkerung, was in zehn oder zwanzig Jahren wirklich gelten wird; Schieder will den Fokus auf Kreislaufwirtschaft setzen. Lopatka setzt auf Technologieoffenheit und redet sich etwas in Rage, weil der Verkehr (auch mit Verweis auf China) nur einen so kleinen Teil der Emissionen ausmache, muss dabei aber von Pötzelsberger korrigiert werden, weil er sich bei den Zahlen um den Faktor 10 geirrt hat.

    Vilimsky sieht den Verbrenner als "das Referenzprodukt schlechthin", der Strombedarf von Elektromobilität sei nur durch Atomkraftwerke zu decken.

    Schilling findet Lopatkas "Aber China"-Argument "billig" und betont die Wichtigkeit des Verkehrs, weil etwa auch so viel Schieneninfrastruktur zurückgebaut wurde. "Man hat dieses Land sukzessive zu einem Autoland umgebaut und erklärt jetzt, das muss so bleiben."

    Vilimsky weiter untergriffig

    Nächster Themenblock: Ukraine-Krieg. Die Hilfe muss aufrechterhalten bleiben, so Brandstätter. Tun wir das nicht, dann wird Putin irgendwann andere Länder und "irgendwann auch uns angreifen". Lopatka hält trotzdem fest, dass es "keine Sonderbehandlung" für die Ukraine in Sachen Landwirtschaft geben darf.

    Als Vilimsky sein Wahlplakat erklärt, auf dem Ursula von der Leyen Ukraines Präsident Wolodimir Selenski küsst, sorgt das bei sämtlichen Kollegen für Kopfschütteln und Schnaufen. Die Sanktionen Europas hätten zur Teuerung geführt, Selenskis befehlshaberischer Ton gefalle ihm nicht, Frieden würde keiner ernstlich angestrebt werden, behauptet der Freiheitliche: "Niemand außer der FPÖ interessiert sich dafür, das Sterben zu beenden."

    Eine Aussage, die wieder für breite Empörung und Zwischenrufe der anderen Diskutanten sorgt. "Das ist pure russische Propaganda", fasst Brandtstätter, als wieder Ruhe eingekehrt ist, zusammen. Vilimsky unterbricht und unterstellt Brandstätter, medizinische Hilfe zu brauchen. Als Schieder dann über die Verbindungen rechter Parteien zu Russland redet, fällt wieder Vilimsky ins Wort und nennt sein Gegenüber einen "Österreich-Beschmutzer".

    Schillings Standpunkt zu Neutralität und Sicherheitspolitik: "Wir müssen gemeinsam Waffen beschaffen" und die Verteidigung Österreichs verstärken, aber man muss auch die Neutralität aufrechterhalten.

    Migration

    Nach rund fünf Viertelstunden geht es endlich um jenes Thema, das den meisten Wählern am wichtigsten ist: Migration. Vilimsky stellt dabei gleich in Abrede, dass es sich um Migration handelt, wenn Menschen aus Afrika und dem arabischen Raum nach Europa "drängen", ohne einen Antrag zu stellen. "Da kommen junge Männer mit einem Invasorencharakter."

    "Ja, es gibt ein Problem", gesteht sogar Schilling ein. "Es gibt ganz, ganz grobe Versäumnisse." Die Integration wurde in vielen Fällen jahrzehntelang versäumt. Wenn Menschen die hier geltenden Werte nicht teilen oder Frauen nicht als gleichwertig ansehen – "das geht nicht."

    Andreas Schieder verweist auf Viktor Orbán, dessen Ungarn einfach widerrechtlich alle Migranten durchschleuse. Islamisten hätten in Österreich jedenfalls nichts verloren, aber stattdessen wurden in den letzten Jahren – auch unter Innenminister Kickl – lediglich Schulkinder abgeschoben. "Sie sind der oberste Islamistenvertreter", wirft ihm Vilimsky daraufhin an den Kopf, wieder entsteht ein lautes Durcheinander.

    Was Lopatka will? "Dass wir eingestehen, dass wir hier ein riesiges Problem haben." Das haben aber ohnehin alle Kandidaten vor ihm bereits gemacht. Schilling steht nach wie vor hinter dem Grundsatz, Hilfe zu leisten. "Schutz und Hilfe für Menschen die das brauchen? Ja selbstverständlich", so Vilimsky. Aktuell sei es aber eine "interkontinentale Völkerwanderung".

    Vereinigten Staaten von Europa?

    NEOS-Brandstätter fordert zum Ende der Sendung einmal mehr die "Vereinigten Staaten von Europa". Lopatka will stattdessen in manchen Bereichen mehr freiwillige Zusammenarbeit, um etwa für internationale Standards beim Bahnverkehr oder gemeinsame Strom- und Gasmärkte zu sorgen.

    Schieder will die Souveränität von Großkonzernen hin zu den Mitgliedsstaaten zurückholen und dem Europäischen Parlament mehr Rechte geben, um etwa europaweite soziale Standards einzuführen. Schilling liegt klarerweise der Klimaschutz am Herz, Vilimsky will den Verwaltungsapparat abbauen, damit sich die EU wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren kann.

    Mit Blick auf die Wahl am Sonntag kämpfen sowohl die Grünen ("wie die Löwinnen") als auch die ÖVP ("bis zum Schluss") gegen den drohenden Absturz. Schieder erklärt sich zum Abschluss als Kandidat gegen den drohenden Rechtsruck.

    Zum Abschluss eine Abschlussfrage zur Auflockerung: Wer wird Fußball-Europameister? Vilimsky weiß es nicht, Schieder glaubt Frankreich oder Österreich, Lopatka drückt Österreich die Daumen, Schilling glaubt auch an die ÖFB-Elf, Brandstätters Daumen sind ebenso für Österreich gedrückt.

    1/52
    Gehe zur Galerie
      <strong>17.11.2024: Heeres-Blamage: Unser Luftraum ist völlig ungeschützt.</strong> Österreich kann seinen eigenen Luftraum nicht mehr verteidigen. Die Eurofighter können nicht abheben, <a data-li-document-ref="120072835" href="https://www.heute.at/s/heeres-blamage-unser-luftraum-ist-voellig-ungeschuetzt-120072835">obwohl die Jets selbst einsatzbereit wären &gt;&gt;</a>
      17.11.2024: Heeres-Blamage: Unser Luftraum ist völlig ungeschützt. Österreich kann seinen eigenen Luftraum nicht mehr verteidigen. Die Eurofighter können nicht abheben, obwohl die Jets selbst einsatzbereit wären >>
      Bundesheer / OTS
      leo
      Akt.
      An der Unterhaltung teilnehmen