Gesundheit

Neues Verfahren misst infektiöse Aerosole in Räumen

In nicht ausreichend belüfteten Innenräumen wird das Virus durch Aerosole leicht übertragen. Ein neues Verfahren stellt Virenbewegungen in Räumen dar.

Sabine Primes
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Eine neue Messmethode kann das relative Risiko einer Coronaübertragung in Innenräumen mit hoher Raumauslastung und Personenfrequenz ermitteln.
Eine neue Messmethode kann das relative Risiko einer Coronaübertragung in Innenräumen mit hoher Raumauslastung und Personenfrequenz ermitteln.
Radl/TU Graz

Nach einer kurzen Phase der Entspannung, steigen die Corona-Fallzahlen täglich höher und höher. Heute wurden fast 12.000 Neuinfektionen bekannt. Das ruft wieder Sicherheitsmaßnahmen für Aktivitäten in Innenräumen mit mehreren Menschen auf den Plan, denn die Qualität der Atemluft trägt zur Eindämmung von Ansteckungen bei. Coronaviren breiten sich hauptsächlich über Tröpfchen und über die noch kleineren Aerosole aus - das sind feinste feste oder flüssige Partikel, die längere Zeit in der Luft schweben können. Nicht ausreichend belüftete Innenräume spielen dem Virus daher in die Hände und helfen ihm, sich länger in der Luft zu halten und möglichst viele zu infizieren.

Wie weit müssen Personen voneinander getrennt sitzen, damit eine Übertragung des Coronavirus über die Luft nicht möglich ist? Braucht es weitere Maßnahmen wie das Tragen einer FFP2-Maske? Ist der Raum ausreichend belüftet? Gibt es Stellen, an denen sich die Luft länger hält und eine Lüftungsanlage nachgerüstet werden muss? Antworten auf diese Fragen liefert ein neues Verfahren, das an der TU Graz mitentwickelt wurde. Damit lassen sich Virenbewegungen in Innenräumen nachstellen.

Ob die Räume ausreichend belüftet sind oder ob sich verunreinigte Luft an gewissen Stellen länger hält und die Lüftung verbessert werden muss, kann das neue Verfahren ermitteln. Es soll zeigen, ob die gewählte Lüftungsart bei einer Standardnutzung zu einer effizienten Abfuhr der unerwünschten Aerosole führt.

Dem Tracergas auf der Spur

Basis des Verfahrens ist ein sogenanntes Tracergas, mit dem die Verteilung der Corona-Partikel bzw. anderer infektiöser Aerosole modelliert werden kann. Die auf CO2 basierende Gasmischung wurde am Institut für Prozess- und Partikeltechnik der TU Graz entwickelt: "Wir haben ein Tracergas vorgeschlagen, das sich wie die Atemluft des Menschen verhält, die Bewegung von infektiösen Aerosolen gut beschreibt, das einfach zu detektieren ist und vergleichsweise günstig ist", schilderte Stefan Radl von der Arbeitsgruppe Simulation Science gegenüber der APA. 

Unter Berücksichtigung von Einflüssen, die die Aerosol-Übertragung beeinflussen - wie Licht, Temperatur, Raumfeuchte oder Belüftung - erhob das Team mithilfe von Simulationen und Berechnungen jene Mischung, die dem Ausbreitungsverhalten der nur wenigen Mikrometer großen Coronavirus-Partikel in der Atemluft am nächsten kommt. Dabei war vor allem das vertikale Ausbreitungsverhalten von Interesse, da die warme Atemluft und darin enthaltene Aerosolpartikel typischerweise in Richtung der Decke eines Raumes steigen. "Ist eine Person im Raum anwesend, treibt sie mit ihrer Körpertemperatur die Luftströmung an und bestimmt damit wesentlich, wie sich Aerosole verteilen, wie lange sie sich in der Luft halten und ob und wann sie zu Boden sinken", erklärte Radl.

Beheizte Dummies simulieren menschliche Wärmeabgabe

Die luftgetragene Ausbreitung ausgeatmeter Aerosole wird anhand von eigens entwickelten, beweglichen und beheizten Puppen (Dummies) überprüft, die die menschliche Wärmeabgabe simulieren können. Sie verkörpern die "Spreader", aus denen das Tracergas kontinuierlich ausströmt. Mit mobilen Sensoren, die an neuralgischen Punkten im Raum angebracht waren, wurden die Emissionen gemessen.

Um die Messmethode abzusichern, wurden mit dem Wiener Neudorfer Reinraumspezialisten Cleanroom Technology Austria Messungen mit speziellen Prüf-Aerosolen aus der Reinraumtechnik durchgeführt. In sogenannten Computational Fluid Dynamics (CFD)-Simulationen haben die Experten unterschiedliche Szenarien für optimale Bedingungen ermittelt und Randbedingungen für Temperatur und Atmung analysiert. Die IBO Innenraumanalytik habe das Verfahren bereits in ihr Dienstleistungsportfolio aufgenommen, wie die TU Graz mitteilte.

Für die Sicherheit der Mitarbeiter

Unternehmen werde nunmehr ein Werkzeug zur Beurteilung des relativen Risikos einer Coronavirusübertragung durch Aerosole in Innenräumen in die Hand gegeben, heißt es vonseiten der TU. Infrage kämen dabei alle Räumlichkeiten mit hoher Raumauslastung und Personenfrequenz - öffentliche Verkehrsmittel genauso wie Großraumbüros oder Opern- und Konzerthäuser sowie andere Veranstaltungssäle, führte Peter Tappler, Geschäftsführer von IBO Innenraumanalytik, aus. Fallen die Ergebnisse nicht zufriedenstellend aus, könne durch andere Sitzplatzverteilung oder punktuell angepasster Raumbelüftung nachgebessert werden. "Ist der Raum hingegen virussicher, ist das in der heutigen Zeit ein gewichtiges Signal an das Sicherheitsbedürfnis der jeweiligen Zielgruppen", schloss Tappler.