Politik
Rassismus-Attacke in Bim – Schwangere verlor ihr Baby
Fast 2.000 Meldungen wegen rassistisch motivierten Vorfällen ergingen vergangenes Jahr an ZARA. Diese stellen nur die Spitze des Eisbergs dar.
Ob auf der Jobsuche, bei der Arbeit, auf der Straße, in Öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Internet oder sogar in den eigenen vier Wänden – wer nicht dem "typischen Bild des weißen Österreichers" entspricht, hat nahezu überall mit rassistischen Übergriffen zu rechnen.
Genaue Zahlen liefert seit 22 Jahren der Rassismus Report der Organisation ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit). Betroffene können sich hier melden und erhalten Unterstützung. 2021 haben sich 1.977 Mal Menschen an die Stelle gewandt – ein Anstieg im Vergleich zu 2020.
Von den 1.977 Meldungen ereigneten sich 1.117 im Internet, dahinter folgt mit 273 Fällen der öffentliche Raum (wobei Frauen hier doppelt so oft betroffen waren wie Männer). 185 Fälle ereigneten sich im Wirtschafts- oder Dienstleistungsbereich, 112 bei staatlichen Behörden und Institutionen. Knapp dahinter folgt die Arbeitswelt mit 104 Fällen, die Polizei mit 102 sowie Politik & Medien mit 84 Fällen.
Schockierende Fälle
"Es ist wichtig, dass es für Betroffene einen Ort gibt, an dem ihnen zugehört und geglaubt wird, an dem sie ernst genommen werden", betont ZARA-Beraterin Désirée Sandanasamy. Die Institution fange auf, was eigentlich nicht sein darf, so Fiorentina Azizi-Hacker, Leiterin der ZARA-Beratungsstellen. Gemeinsam mit ZARA-Geschäftsführerin Barbara Liegl fordert man die rasche Umsetzung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus.
Dass dieser dringend notwendig ist, zeigen einige besonders schockierende Fälle, die im Bericht exemplarisch dargestellt werden. Auf konkretere Angaben zu den Betroffenen, dem Ort und dem Zeitpunkt der Taten wird dabei aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes bewusst verzichtet.
Nach Prügelattacke in Bim Kind verloren
K. fuhr mit der Straßenbahn. Dabei verspürte sie wegen ihrer Schwangerschaft starke Morgenübelkeit. Um dem flauen Magen entgegenzuwirken, wollte sie ein paar Bissen zu sich nehmen. Damit sie niemanden stört, ging sie ganz nach hinten. Doch dort wurde sie plötzlich von einem Mann rassistisch beschimpft.
Schlussendlich schlug er ihr sogar in den Bauch, K. fuhr sofort ins Krankenhaus. Dort wurde festgestellt, dass die Prügel-Attacke zu inneren Verletzungen und starkem Blutverlust geführt hat. Der Mann wurde angezeigt, doch K. verlor in weiterer Folge ihr Baby.
Die Betroffenenschutzeinrichtung WEISSER RING unterstützte sie daraufhin beim Prozess, zusätzlich ließ sie den Fall bei ZARA dokumentieren. Ob sie auch eine Anzeige wegen der rassistischen Beleidung stellt, wollte sie sich noch überlegen.
Rassistische U-Bahn-Durchsage
Ein anderer Vorfall hat sich mitten in der Wiener U-Bahn zugetragen. Zeugen berichteten, dass ein U-Bahn-Fahrer die Passagiere per Durchsage mit der Ankündigung "Willkommen bei Ihrem Flug von der Türkei nach Wien" begrüßt hat. Gleich mehrere Personen beschwerten sich daraufhin bei den Verkehrsbetrieben.
Dieses reagierte vorbildhaft: Ein Statement wurde veröffentlicht, in dem klar gemacht wurde, dass Rassismus nicht geduldet wird. Zudem wurden Hinweise erbeten (Uhrzeit, Datum, Fahrtrichtung), um dem Fall nachgehen zu können. Auch "Heute" berichtete damals über den Vorfall.
Alltag
Diese Schilderungen werden im Bericht von dutzenden weiteren Vorfällen ergänzt. Im Internet kam es etwa zu rassistischen Diskriminierungen und Beleidigungen auf Verkaufsplattformen. Eine andere Person wurde seit Jahren täglich von ihrer Nachbarin rassistisch beschimpft und massiv belästigt. Dieses unerträgliche Verhalten hat sich mit der Pandemie noch verschlimmert – kein Einzelfall.
Wienerin auf Willhaben: "Kein Verkauf an Moslems" >>
Weitere geschilderte Fälle drehen sich um die Verweigerung des Einlasses oder Verkaufs von Waren bei Geschäften, Beleidigungen und Durchfallenlassen bei Fahrprüfungen, Hass-Postings von Politikern, rassistische Kündigungswellen oder "Ethnic Profiling".
"Heute gibt es mehr Bewusstsein für Alltagsrassismus, allerdings immer noch keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens, dass – geschweige denn wie – seine Ursachen bekämpft werden müssen. Diese Ursachen sind eng verwoben mit strukturellem und institutionellem Rassismus. Als Gesellschaft tragen wir Verantwortung, strukturellen und institutionellen Rassismus zu erkennen, zu benennen und aufzubrechen", wird im Editorial des Berichts zusammengefasst.