Das Heer soll den Rekruten Anaphrodisiaka ins Essen mischen – zur Erektionshemmung. Ein Instagram-Video (siehe unten) scheint das nun zu belegen.
Die Behauptung kursiert seit Jahrzehnten in verschiedensten Ländern, ist aber falsch. Auch das Video belegt nichts. Der Kleber auf der darin zu sehenden Dose wurde manipuliert. Das zeigen mehrere Unstimmigkeiten. Auch die Schweizer Armee, um die es dieses Mal geht, und die auf dem Etikett erwähnte Firma Fresenius Medical Care widersprechen.
Ein Antibock-Mittel, das Rekruten ins Essen gemischt wird? Das vom Insta-Account @szene_isch_zueri gepostete Video scheint das zu belegen, das – so scheint es zumindest – in einer Militärküche gedreht wurde. Darin ist zu sehen, wie ein Pulver ins Essen geschüttet wird. Dieses befindet sich in einem weißen Behälter, der mit "Antibock 67 Neutral" angeschrieben ist. "Zur Erektionshemmung der Truppe" heißt es auf dem Aufkleber weiter.
Die Behauptung, dass beim Militär Anaphrodisiaka – pharmakologische Lusthemmer, auch Hängolin (abgeleitet von hängen) genannt – ins Essen gerührt werden, ist nicht neu. Sie existiert seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten. "Schon als ich 1988 die RS absolvierte, wurde der Mythos unter den Rekruten thematisiert. Von Generation zu Generation gibt es eine ähnliche Fassung davon", sagte Stefan Hofer, Sprecher der Schweizer Armee, bereits 2018 zu 20 Minuten. Auch Dr. Sex befasste sich damit. Online lassen sich verschiedene angebliche Beweisbilder finden – unter anderem auf 9Gag und einer Facebook-Gruppe, die sich als Unterhaltungswebsite deklariert (zum Beispiel hier, hier oder hier).
Laut dem Militärexperten Jürg Keller, der 28 Jahre lang in der Armee tätig war, ist es nicht mehr als ein Mythos: "Als Rekrut ist es schwierig, mit solchen Mythen umzugehen. Später merkt man dann, dass das alles Blödsinn ist, und witzelt darüber." Auch im Militär ABC von Militaershop.ch ist Antibock als Mythos und Gerücht gelistet.
"20 Minuten" hat die drei Organisationen, die im Video – mal mehr, mal weniger explizit – genannt werden, mit dem Video konfrontiert. Die Aussagen bestätigen die Recherche.
"In den Armeeküchen werden keine Medikamente oder Nahrungsmittelergänzungen den Speisen zugefügt, wie es in diesem im Video den Anschein erwecken soll", so Armeesprecher Mathias Volken. Das sei frei erfunden und werde seit langem immer wieder erzählt. "Offenbar wollte hier jemand diesen alten Mythos in etwas anderer Form wieder aufleben lassen."
„Offenbar wollte hier jemand diesen alten Mythos in etwas anderer Form wieder aufleben lassen“Armeesprecher Mathias Volken
Ähnliches erklärt auch die angebliche Herstellerfirma: "Bei dem Instagram-Video handelt es sich um ein Fake. Es gibt weder eine Fresenius Medical Care GmbH in der Schweiz, noch haben wir einen Sitz in Steinhausen", so eine Sprecherin des Unternehmens. Das einzige Schweizer Büro befinde sich in Oberdorf, Kanton Nidwalden. "Und Erektionshemmer stellen wir weder her, noch vertreiben wir diese Produkte." Fresenius Medical Care ist auf Dialyseprodukte spezialisiert.
„Erektionshemmer stellen wir weder her, noch vertreiben wir diese Produkte“Eine Sprecherin von Fresenius Medical Care
In Steinhausen Zug weist man die Behauptung aus dem Video ebenfalls zurück: "Die Oswald Nahrungsmittel GmbH stellt kein solches Produkt her und hat auch diese Verpackung nicht im Sortiment", teilt Riccardo Dillier, Marketing Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung bei Oswald mit. "Wir behalten uns rechtliche Schritte vor."
Das Video, das angeblich zeigt, dass das Schweizer Militär den Rekruten Anaphrodisiaka ins Essen mischt, ist manipuliert. Das Gerücht existiert seit Jahrzehnten, wurde aber nie bestätigt. Es handelt sich um einen Mythos. Zudem entlarven es mehrere Unstimmigkeiten im Clip, darunter ein gefälschtes Etikett und falsche Firmenangaben, als Fake. Sowohl die Schweizer Armee als auch die angeblich beteiligten Unternehmen widersprechen der Behauptung klar.