Nahost-Konflikt
Netanjahu – jetzt droht internationaler Haftbefehl
Israel steht wegen seines Vorgehens im Gazastreifen in der Kritik. Nun könnten Berichten zufolge sogar Haftbefehle gegen hohe Politiker drohen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befürchtet Medienberichten zufolge, der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag könnte Haftbefehle gegen ihn und andere Israelis erlassen.
Die israelische Regierung gehe davon aus, dass Chefankläger Karim Khan noch in dieser Woche internationale Haftbefehle für Netanyahu, Verteidigungsminister Joav Galant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen könnte, berichteten israelische Medien am Sonntag.
Deshalb ermittelt das Gericht gegen Israel
Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen.
Netanyahu sei wegen möglicher Festnahmen, die eine dramatische Verschlechterung des internationalen Ansehens Israels bedeuten würden, äusserst besorgt, hiess es in den Berichten.
So reagiert Netanjahu
Netanyahu schrieb am Freitag bei X, vormals Twitter, Israel werde unter seiner Führung "niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren, sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben". Der Regierungschef schrieb zudem: "Die Drohung, Soldaten und Repräsentanten der einzigen Demokratie im Nahen Osten und des einzigen jüdischen Staates der Welt zu fassen, ist empörend." Israel werde "den gerechten Krieg gegen Terroristen, die auf Völkermord aus sind, bis zum Sieg fortsetzen".
Eine solche Entscheidung des Strafgerichtshofs würde zwar nicht Israels Vorgehen beeinflussen, wäre aber "ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen", schrieb Netanyahu.
Diese Folgen hätte der Haftbefehl
Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanyahu und andere israelische Bürger bedeuten, dass Staaten, die die Statuten des IStGH unterzeichnet haben, verpflichtet wären, diese Personen festzunehmen und an den Gerichtshof zu überstellen – sofern diese sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.
Chefankläger Karim Khan hat bereits vier internationale Haftbefehle gegen hochrangige Russen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen, darunter auch gegen Präsident Wladimir Putin.
Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Individuen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel erkennt das Gericht nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Daher darf der Ankläger auch ermitteln.
Dagegen soll der Internationale Gerichtshof, ebenfalls mit Sitz in Den Haag, Konflikte zwischen Staaten lösen. Dieses höchste UN-Gericht hatte kürzlich Israel ermahnt, alles zu tun, um möglichen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern.
Angehörige von Geiseln fordern Ermittlungen
Angehörige von Geiseln der islamistischen Hamas hatten den Strafgerichtshof im Februar dazu aufgerufen, gegen die Führer der Terrororganisation zu ermitteln und Haftbefehle zu erlassen. Sie forderten strafrechtliche Ermittlungen wegen Geiselnahme, sexueller Gewaltverbrechen, Folter und Mord.
Bei den Attacken der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober waren rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Die Angriffe waren Auslöser für die militärische Offensive Israels im Gazastreifen, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 34'400 Menschen getötet worden sind.