Politik
Nehammer zu Abschiebung: Es musste so gehandelt werden
Innenminister Karl Nehammer (VP) nimmt gegenüber "Heute" zur heftig diskutierten Abschiebung von georgischen Familien mit Kindern Stellung.
"Heute": Herr Minister, die Abschiebung gut integrierter Familien aus Georgien hat für Proteste gesorgt. Auch Bundespräsident Van der Bellen hat sich nun zu Wort gemeldet. Trifft Sie die Kritik?
Karl Nehammer: So eine Abschiebung macht immer auch persönlich betroffen. Es ist aber notwendig und wichtig, dass Entscheidungen von Höchstgerichten gefolgt wird. Diese muss die Polizei dann durchsetzen. Das ist insbesondere für die Polizisten, die im Dienst waren, keine leichte Aufgabe, aber es ist aus unserer Sicht notwendig, um dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen.
Auch Sie persönlich wurden von Aktivisten aufgefordert, die Abschiebung von Kindern zu unterbinden. War das für Sie kein Thema, am Höhepunkt einer Pandemie?
Wenn jetzt angedeutet wird, ich hätte eine andere Entscheidung treffen können, dann muss ich schon sagen: Die Annahme, der Innenminister könnte höchstgerichtliche Entscheidungen in irgendeiner Form konterkarieren, ist doch absurd.
Haben Sie den Fall – wie am Mittwoch angekündigt – nochmals selbst überprüft?
Ich habe mir den Fall vorlegen lassen – für die Prüfung an sich sind aber die Behörden und Gerichte zuständig. Das Höchstgericht berücksichtigt alle Faktoren – auch, dass hier Kinder- und Jugendliche betroffen sind – daher musste letztendlich so gehandelt werden, wie es geschehen ist.
Haben Sie den nächtlichen Einsatz letztlich persönlich autorisiert?
Nein, das ist ein formaler Prozess. Wenn feststeht, dass es keine Einspruchsmöglichkeiten mehr gibt, dann gibt es keinen Aufenthaltstitel mehr für die Betroffenen in Österreich und dann ist es der klare Auftrag der Fremdenpolizei, die Außerlandesbringung umzusetzen.
„Karl Nehammer: "Wenn bewusst und fahrlässig gegen die Corona-Maßnahmen verstoßen wird, wird die Polizei einschreiten."“
Auch am Wochenende wird die Polizei wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Es sind mehrere Demos gegen die Coronamaßnahmen der Regierung angekündigt. Geht die Polizei diesmal schärfer vor?
Wir haben selbstverständlich aus dem letzten Einsatz gelernt. Das Versammlungsrecht ist ein wichtiges Grund- und Freiheitsrecht, daher ist der Auftrag der Polizei, dieses zu schützen. Wenn man dann Verstöße bei solchen Versammlungen ahnden muss, gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ganz besonders, damit keine gefährliche Situation für Unbeteiligte aus dem Einsatz der Polizei heraus entsteht.
Da sind wir auch beim Punkt: Demorecht schön und gut, aber Zehntausende Menschen ohne Masken verärgern Millionen Menschen, die daheim im Lockdown sitzen, massiv.
Daher haben wir unsere Einsatztaktik angepasst. Wenn bewusst und fahrlässig gegen die Corona-Maßnahmen – wie Abstandsregeln oder FFP2-Maskenpflicht – verstoßen wird, wird die Polizei einschreiten.
Wird dieses Mal verstärkt gestraft werden?
Mein Zugang ist klar: Wenn es in geballter Form zu Verstößen kommt, müssen diese rasch geahndet werden – sei es vor Ort oder durch Anzeigen.
„"Wenn die Gefährdung zu groß ist, dann wird die Versammlung untersagt."“
Muss in Zeiten einer Pandemie wirklich jede Demo genehmigt werden?
Das muss von den Sicherheitsbehörden – in Wien die Landespolizeidirektion, in den Ländern die Bezirkshauptmannschaften – im Vorfeld überprüft werden. Nach jeder Versammlungs-Anmeldung gibt es eine Gefährdungs-Einschätzung und Prüfung. Geht man davon aus, dass eine Gefährdung aus einer Versammlung heraus erwächst, dann wird diese im Vorfeld untersagt.
Ist das für jene in Wien kein Thema?
Doch, in diesem Prüfungsstadium ist man derzeit auch für die Versammlungen in Wien.
Heißt: Die Demos sind noch nicht in Stein gemeißelt?
Nein. Die Gesundheitsbehörden überprüfen derzeit mit den Sicherheitsbehörden die Gefährdungspotentiale. Wenn die Gefährdung zu groß ist, dann wird die Versammlung untersagt.
Was ist Ihr persönlicher Zugang?
Sicherheit muss immer vorgehen. Fakt ist: Wenn Menschen wütend auf Maßnahmen, die die Regierung setzt, sind, dann muss es möglich sein, dass sie dies ausdrücken können. Das ist ein Grundrecht. Gleichzeitig gilt aber auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und auf Gesundheit. Das ist die Abwägung, die zu treffen ist – da kann es eben auch zu Absagen kommen.
Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie hören, der Lockdown könnte in die Verlängerung gehen?
Es geht uns ja allen gleich – die Maßnahmen sind sehr beschwerlich. Jeden nervt das Virus und die Sicherheitsmaßnahmen. Man sehnt sich die Freiheit zurück. Das muss unser gemeinsames Ziel sein: Zusammenhelfen, dass wir uns bald frei bewegen, in Geschäfte und zusammen auf ein Bier gehen können. Das gelingt nur durch Disziplin, Abstandhalten, Testen – und, wenn es dann möglich ist, Impfen.
„"Ich habe auch die Anweisung gegeben, dass öfter angezeigt wird, wenn Verstöße stattfinden. Es muss klar sein, dass die Maßnahmen kein Selbstzweck sind."“
Wie schnell wird wieder Normalität einkehren?
Das ist ganz schwer vorherzusagen, weil uns das Virus bereits bei vielen Dingen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Wir sehen, dass es gefährliche Mutationen gibt, die wieder zu einer höheren Infektionsrate führen und damit zu einer stärkeren Belastung der Spitäler. Es braucht daher ein „Testen, testen, testen“ und dann – so bald es geht – möglichst viele, die sich impfen lassen. Eine Zeitleiste nennen zu können, ist aber fast unmöglich.
Man sieht immer mehr Menschenmassen auf den Straßen – pfeifen die Österreicher nicht ohnehin langsam auf die Lockdown-Regeln?
Der überwiegende Teil hält die Maßnahmen ein. Daher muss man auch das Signal setzen, dass das nicht umsonst ist. Ich habe auch die Anweisung gegeben, dass öfter angezeigt wird, wenn Verstöße stattfinden. Es muss klar sein, dass die Maßnahmen kein Selbstzweck sind.
Ihnen schneidet auch im dritten Lockdown die Ehefrau die Haare?
Ja, wobei jetzt wird es schon etwas kritisch, da das Deckhaar immer länger wird und die Sache langsam aus der Form gerät, wenn man die Seiten kürzer schneidet. Aber wir versuchen noch, das gemeinsam zu schaffen.