Politik

Minister Rauch besorgt: "Kann radikal entgleisen"

Eine "radikale Entgleisung" drohe, wenn man die sozialen Folgen der Teuerungen nicht in den Griff bekomme, so Sozialminister Johannes Rauch.

Leo Stempfl
Obacht! Nicht wegen Corona, sondern der sozialen Ungleichheit und den Teuerungen fürchtet Johannes Rauch einen explosiven Herbst.
Obacht! Nicht wegen Corona, sondern der sozialen Ungleichheit und den Teuerungen fürchtet Johannes Rauch einen explosiven Herbst.
Helmut Graf

Der seit seiner Angelobung fast ausschließlich als Gesundheitsminister bezeichnete Johannes Rauch tritt seit einigen Wochen meistens als "Sozialminister" in Erscheinung. Und das hat einen guten Grund: Sind die Corona-Zahlen trotz Quarantäne- und Regel-Aus auf niedrigem Niveau stabil, fürchten die meisten Menschen eher auf der finanziellen Seite um ihr Überleben.

Vor wenigen Tagen sorgte er mit einer langen Serie an Tweets für Aufsehen: Darin bot er ein kleines Erklärstück, wie dramatisch es um die Lage der Österreicher steht: 27 Prozent können sich demnach keine unerwarteten Ausgaben von 1.300 Euro leisten, 12 Prozent nicht Mal einen Kino-Besuch, 35 Prozent sind von Einkommensverlusten betroffen.

Gleichzeitig ist das Vermögen der 100 reichsten Österreicher während der beiden Krisenjahre um 30 Prozent gestiegen. "Alleine mit den Vermögenszuwächsen der allerreichsten 100 Personen in Österreich in Höhe von 48 Mrd. € hätten die drei Anti-Teuerungspakete der Regierung (32. Mrd. €) finanziert werden können", so Rauch auf Twitter.

Radikale Entgleisung

Im Interview mit der "Kleinen Zeitung" führt der Sozialminister aus und stellt besorgt fest, "dass wir eine zunehmende Schieflage haben". Eine ganz schmale Schicht häuft immer mehr Vermögen an, während auch Menschen aus der Mittelschicht ihre Miete und Energiekosten nicht mehr bezahlen können. In dieser ungerechten Verteilung von Vermögen sieht er eine Gefährdung der Demokratie. "Ich weiß, dass meine Position in der Koalition nicht mehrheitsfähig ist", so der Minister nüchtern.

Was sich gerade bei den Armutsgefährdeten abspiele, habe "Sprengpotenzial", das völlig unterschätzt wird. "Wenn es nicht gelingt, das einzufangen, werden wir scheitern. Dann fliegen uns die Demokratien um die Ohren. Wie radikal das entgleisen kann, haben die Entwicklungen in den USA gezeigt, rund um den Sturm aufs Kapitol", warnt Rauch. Man müsse deswegen nun dringend die Grundbedürfnisse der Menschen absichern.

Rauch hat aufgegeben

In Sachen Coronavirus verteidigt er gegenüber der "Kleinen Zeitung" das Quarantäne-Aus, man sei entspannt durch den Sommer gekommen. Wöchentlich wird evaluiert, am Mittwoch etwa die offizielle Impf-Empfehlung für alle über zwölf Jahren zum 4. Stich ausgegeben.

Anders ist das bei jenen 12 Prozent, die sich bisher noch überhaupt nicht impfen lassen haben. Diese zu erreichen, hat der Gesundheitsminister aufgegeben, gibt er offen zu. "Die sind mit nichts in der Welt erreichbar, weder mit Prämienzahlungen noch mit sonst was. Das muss man irgendwann akzeptieren. Wir konzentrieren uns auf die Impfwilligen."

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