Politik

Ludwigs Ansage: Pandemie auch für Geimpfte nicht vorbei

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig im großen "Heute"-Interview: Er verrät, ob Wien ein Lockdown droht, was im Herbst kommt und ob er Corona hatte.

Christian Nusser
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    "Heute"-Interview mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig im Arkadenhof des Rathauses mit Chefredakteur Christian Nusser.
    "Heute"-Interview mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig im Arkadenhof des Rathauses mit Chefredakteur Christian Nusser.
    Helmut Graf

    "Heute": Herr Bürgermeister, wir sitzen hier im Arkadenhof des Rathauses unter freiem Himmel. Sind Sie, was Corona betrifft, ein ängstlicher Mensch?

    Michael Ludwig: Ängstlich nicht, aber im Sinne der Gesundheit und den Menschen in unserer Stadt vorsichtig. Ich war die gesamte Coronakrise hindurch dafür, dass wir Maßnahmen setzen, die für die Bevölkerung zumutbar sind, aber eine Hü-Hott-Politik vermeiden.

    "Heute": An wen adressiert sich Hü-Hott-Politik?

    Ludwig: Naja, an den Bund. Ich habe den Medien entnommen, dass es immer wieder Aussagen aus der Regierung gibt, die Pandemie sei vorbei. Ich würde meinen, sie ist auch für die Geimpften nicht vorbei. Es ist eine schwierige Zeit, die im Herbst auf uns zukommt.

    "Heute": Sie schütteln schon wieder Hände. Wie verhalten Sie sich persönlich im Alltag?

    Ludwig: Ich bin trotz allem vorsichtig, zweimal geimpft und werde mehrfach pro Woche getestet. Mit einem PCR-Test. Denn auch als Geimpfter kann man das Virus weitergeben.

    "Heute": Waren Sie jemals positiv?

    Ludwig: Nein ich war einmal fehlerhaft positiv getestet, das hat sich dann nach ein paar Stunden als falsch herausgestellt.

    "Heute": Wir erleben steigende Infektionszahlen in Österreich und in Wien. Sie haben aber kaum Verschärfungen verkündet. Müsste man da mehr machen?

    Ludwig: Wir waren in Wien immer etwas strenger, als es die Maßnahmen der Bundesregierung vorgegeben haben. Ich bin von den Medien dafür sehr kritisiert worden. Neben dem Ausbau des Impf-Angebots sind zuverlässige und regelmäßige Tests ein probates Mittel gegen die Verbreitung des Virus. Denn desto länger sich das Virus bewegen kann, desto höher ist das Risiko für gefährliche Mutationen. Deshalb haben wir in Wien nun die zeitliche Gültigkeit bei den Tests verringert. Da Kinder unter 12 Jahren noch nicht geimpft werden können, ist es wichtig auch die Jüngsten zuverlässig zu testen. Eine weitere Verschärfung der Maßnahmen schließe ich aber nicht aus. Das hängt aber davon ab, was der Bund zunächst macht.

    "Heute": Werden Sie von der Bundesregierung über geplante Corona-Maßnahmen vorab informiert?

    Ludwig: Immer nur knapp bevor sie ohnehin in den Medien stehen. In der ganzen Krise hat sich gezeigt, dass das Miteinander sehr wichtig ist, meistens denkt man aber an die Bundesländer, Städte, Gemeinden, immer nur dann, wenn es besonders schwierig wird. In den Lockerungsphasen haben die Landeshauptleute bei den Pressekonferenzen immer gefehlt, weil sie nicht eingeladen wurden.

    "Heute": Sie gelten als kein Fan von 1G. Warum nicht?

    Ludwig: Das stimmt so nicht. Die wichtigste Maßnahme gegen das Virus ist aber das Impfen, es wird nur nicht ausreichen. Es wird notwendig sein, dass wir die umfassende Teststruktur, die wir in Wien eingerichtet haben weiter aufrechterhalten und ausbauen.

    "Heute": Spricht sich Stadtrat Hacker eigentlich mit ihnen ab, bevor er so Sachen raushaut wie 1G für die Nachtgastro?

    Ludwig: Der Herr Stadtrat Hacker ist ein sehr kreativer Denker, der immer schnell in den Diskurs einsteigt, um zu testen wie seine Vorschläge ankommen.

    "Heute": Sollen Tests weiter gratis sein, sagen Sie zumindest bis Ende des Jahres?

    Ludwig: Ich gehe davon aus, dass dies notwendig sein wird, da wir im Herbst mit erhöhten Zahlen rechnen müssen.

    "Heute": Vielleicht auch nur als Wien-Sololauf, wenn der Bund sagt, wir verlangen ab 15. Oktober für Tests Geld?

    Ludwig: Das wäre keine gute Entscheidung des Bundes, da man dann völlig den Überblick verliert.

    "Heute": Warum sind wir beim Impfen so abgerutscht? Wir liegen deutlich unter dem EU-Schnitt?

    Ludwig: Ich glaube, das hat mehrere Gründe. Momentan sind viele auf Urlaub, und wenn sie zurückkommen bereit, das Impfangebot anzunehmen. Wir machen in Wien flächendeckend Werbung in unterschiedlichen Zielgruppen, wie etwa Religionsgemeinschaften. Ein weiterer Punkt ist die Impfskepsis, die hat offensichtlich eine historische Tradition.

    "Heute": Sind Sie für eine Impfpflicht?

    Ludwig: Ich bin für eine Impfpflicht bei bestimmten Berufsgruppen, die eine intensive, körpernahe Beziehung zu den Konsumentinnen und Patientinnen haben wie etwa in der Gesundheit oder im Pflegebereich. Eine generelle Impfpflicht halte ich für schwer durchsetzbar.

    "Heute": Rechnen Sie mit einem weiteren Lockdown?

    Ludwig: Ich werde alles daransetzen, dass wir das vermeiden können.

    "Heute": Aber rechnen Sie mit einem?

    Ludwig: Ich werde alles daransetzten, dass das nicht stattfindet.

    "Heute": Das Klimaticket sorgt seit einigen Tagen für heftige Diskussionen. Waren Sie vorab informiert?

    Ludwig: Nein, weder der VOR noch ich und ich empfinde das auch als einen ausgesprochen schlechten Stil. Man spricht von einem österreichweiten, flächendeckenden Ticket und dann sind gerade jene Bundesländer nicht dabei, die mehr als 60% aller Pendlerinnen verzeichnen. Das sind Überschriften, die hier produziert werden. Wir haben in Wien ein 365-Tage-Ticket, von daher kann man uns schwer dafür bestrafen, dass wir schon sehr früh begonnen haben ökologisch zu agieren.

    "Heute": Hatten Sie seit der Verkündigung Kontakt mit der Ministerin gehabt?

    Ludwig: Nein, wir haben mehrfach geschrieben und sie auf die Notwendigkeit von Verhandlungen aufmerksam gemacht, aber offensichtlich steht sie unter einem starken Druck, das unbedingt verlautbaren zu müssen. Das hat weniger mit dem Nationalfeiertag zu tun, als mit den oberösterreichischen Landtagswahlen.

    "Heute": Geht’s rein ums Geld?

    Ludwig: Nein aber man darf nicht vergessen, dass wir mehr als 800 Millionen Euro zusätzlich jedes Jahr zu den Wiener Linien dazu schießen, davon 150 Millionen Euro, um das 365-Euro-Ticket zu ermöglichen. Wir sind stark in Vorleistung getreten.

    "Heute": Wieviel Geld will Wien haben?

    Ludwig: Ich will den Verhandlungen nicht vorgreifen.

    "Heute": Aber es waren schon 40 Verhandlungen, das muss es doch um eine Summe gegangen sein?

    Ludwig: Ja, aber zum Unterschied zur Frau Bundesministerin richte ich nichts über die Medien aus.

    "Heute": Halten Sie Einigungen in den nächsten Wochen für denkbar?

    Ludwig: Wenn sich die Bundesregierung bewegt, kann das sehr schnell möglich sein.

    "Heute": Warum tauschen Sie nicht die Genehmigung für den Lobautunnel mit der Zustimmung zum Klimaticket ab?

    Ludwig: Weil das zwei ganz unterschiedliche Dinge sind, die aber eng miteinander verbunden sind. Denn wir waren immer für die Nordost-Umfahrung, in Kombination mit einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung für den Individualverkehr, aber auch für den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel.

    "Heute": Was passiert, wenn die Evaluierung gegen den Lobautunnel ausgeht?

    Ludwig: Dann würde ich fragen, was die Alternative ist? Denn es hat ja einen Grund, warum wir in Wien pro Kopf halb so viel CO2-Emissionen haben wie der Durchschnitt in Österreich. Und dass wir einen deutlich geringeren Bodenverbrauch haben als der Rest von Österreich.

    "Heute": Sie haben sich bereit erklärt in Wien Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen…

    Ludwig: ... bestimmte Menschen, die besonderen Schutz benötigen. Vor allem Frauen, die besonders gefährdet sind. In Afghanistan gibt es 300 Richterinnen, die nach den Vorstellungen der Taliban diese Funktion nicht ausüben sollten und deshalb auch verfolgt und bedroht werden, dazu Journalistinnen, Frauenrechtlerinnen, auch jene, die sich für das Schul,-und Bildungssystem eingesetzt haben. Ihnen soll die Möglichkeit geboten werden, auch in Wien Schutz zu finden.

    "Heute": Haben Sie von der Bundesregierung diesbezüglich etwas gehört?

    Ludwig: Nein.

    "Heute": Wann ist denn die Wiener City autofrei?

    Ludwig: Ich war immer dafür, dass man in Abstimmung mit den 16.000 Menschen, die dort wohnen, mit allen, die dort arbeiten, Kindergärten, Schulen und Geschäfte betreiben, zuliefern, eine realistische Lösung findet, die in Richtung Verkehrsberuhigung geht.

    "Heute": Das heißt aber eher verkehrsberuhigt, nicht autofrei?

    Ludwig: Ja, das ist richtig, eine völlig autofreie Innenstadt wird schwer realisierbar sein. Für eine Politik der Überschriften bin ich nicht zu haben.

    "Heute": Hat Sie der Parteiaustritt von Birgit Hebein bei den Grünen überrascht?

    Ludwig: Nein, da ich weiß, dass sie in Menschenrechtsfragen immer sehr engagiert war und sie die Diskussion der letzten Monate sehr betroffen gemacht hat.

    "Heute": Wie haben Sie den Sommer verbracht?

    Ludwig: Ich war fünf Tage Wandern im Innviertel in Oberösterreich, den Rest in Wien. Es gibt nichts Schöneres als den Sommer in Wien zu erleben.

    "Heute": Ich habe Sie noch gar nichts zur Bundes-SPÖ gefragt. Haben Sie noch immer keine Lust, sie zu übernehmen?

    Ludwig: Nein, ich habe da keine Ambitionen. Ich gehöre nicht zu den Politikern, die vor Gemeinderatswahlen kurz in Wien vorbeischauen, hallo sagen und danach wieder in der Bundespolitik verschwinden.