Politik

Strolz-Dauerfeuer im Netz – "ÖVP wird Herztod sterben"

Die ÖVP-Razzien und im Kanzleramt haben Entsetzen bei Ex-Neos-Chef Matthias Strolz ausgelöst. Auf Twitter verteilt er nun Schellen an die Türkisen. 

Nikolaus Pichler
Teilen
Ex-Neos-Chef Matthias Strolz lebt nach seinem Rückzug aus der Politik als selbstständiger Unternehmer.
Ex-Neos-Chef Matthias Strolz lebt nach seinem Rückzug aus der Politik als selbstständiger Unternehmer.
Hans Leitner / First Look / picturedesk.com

Nach der Inseraten-Affäre rund um Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein engstes Umfeld herrscht Ausnahmezustand in der österreichischen Polit-Landschaft. Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) haben Österreich in eine veritable Mega-Regierungskrise gestürzt. "Heute" berichtet laufend darüber. Blankes Entsetzen über die Vorwürfe gegen die türkise Regierungstruppe herrscht nun auch bei Neos-Gründer Matthias Strolz.

Die Razzien bei der ÖVP haben den Ex-Politiker dermaßen in Rage gebracht, dass er seither via Twitter im Dauerfeuer auf die "NVP-Gang" (Anmerkung: Neue Volkspartei) schießt. Der Befund des früheren Neos-Abgeordneten: "Wenn die #ÖVP-Spitzen sich weiter selbst verraten und aus reinem Machtkalkül oder Feigheit von der NVP-Gang in Geiselhaft nehmen lassen, dann wir die ÖVP im Bund einen Herztod sterben. Gebrochenes organisationales Herz. Mit Implosion. Nicht gut für Ö. Ich wünsche mir vitale ÖVP". Das postete Strolz am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst. 

Nur Stunden später nahm sich Strolz dann den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter zur Brust.ÖVP-Urgestein Platter rückte am Donnerstagabend im Fernsehen aus, um Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu verteidigen. Dabei sprach der Landesfürst auch von "gewonnen Wahlen". Sofort haute Strolz in die Tasten. "Ach LH Platter, nicht "Wahlen gewonnen", mit Verlaub, Wahlsiege mit illegalen (gerichtlich festgestellt) & vermeintlich korrupten* Praktiken erschwindelt. Wie tief können Landeshauptleute fallen. *Faktenlage ist erdrückend, s. 104 S. Anordnung Staatsanwaltschaft."

Der liberale Ex-Politiker wusste laut eigener Aussage immer schon von den "illegalen und strukturell korrupten Praktiken" in der türkisen Kurz-Truppe", wie er Mittwoch postete. Doch auch zur Situation in den Landesparteien der ÖVP nimmt Strolz Stellung. "Leute wie LH Schützenhöfer, Haslauer und Wallner wissen, dass es vorbei ist. Aber sie wissen nicht, wie sie ohne gröberen Gesichtsverlust aus der Nummer rauskommen", glaubt der Polit-Kenner. "Hypothese 2: Je länger sie in Loylität zur Verluderung ausharren, desto größer wird Gesichtsverlust".

Umso klarer ist für ihn: Wenn die Gang damit durchkommt, können wir uns die Demokratie einrexen. Dann regressiver Durchmarsch in die Erste Republik". 

Die ÖVP-Granden stehen geschlossen hinter ihrem Bundesparteichef Kurz. Das wurde am Abend nach einer Sitzung, an der neben Kurz auch die meisten Landesparteiobleute teilgenommen haben, bekräftigt. Es werde keine ÖVP-Regierungsbeteiligung ohne den aktuellen Parteichef geben, wurde im Anschluss an das Treffen in der Politischen Akademie der ÖVP in Wien versichert.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter und Parlamentsklubobmann August Wöginger informierten die Medienvertretern am späten Abend kurz über den Verlauf der Sitzung. Der Kanzler war bei dem Auftritt nicht dabei. "Wir hatten heute Abend ein gutes und ausführliches Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz", erzählte Platter am Donnerstag.

Die Landeshauptleute und die Landesobleute würden zu 100 Prozent hinter dem Kanzler stehen, beteuerte er. Man habe zwei Wahlen mit ihm gewonnen und in Österreich etwas weitergebracht. Entsprechend wolle man weiter Verantwortung wahrnehmen - noch dazu, wo man mit großen Herausforderungen konfrontiert sei. Platter nannte hier neben der Bewältigung der Corona-Pandemie auch eine "Flüchtlingswelle", mit der man konfrontiert sein werde.

Klubchef Wöginger beklagte, dass man seit 2017 immer wieder mit "haltlosen Vorwürfen" konfrontiert werde. Es habe heute Abend viele parteiinterne Gespräche gegeben, dabei hätten auch sechs Teilorganisationen klar zum Ausdruck gebracht, dass die ÖVP geschlossen hinter Kurz stehe - und dass es eine Regierungsbeteiligung der ÖVP nur mit diesem an der Spitze geben werde.

Es liegt an den Grünen, wie es in diesem Land weitergeht. Unsere Hand ist ausgestreckt." –ÖVP-Klubchef August Wöginger

"Wir brauchen Stabilität in diesem Land", hielt Wöginger fest. Man stehe zu 100 Prozent hinter dem Regierungsübereinkommen. Zugleich spielte er den Ball an den Koalitionspartner weiter. "Es liegt an den Grünen, wie es in diesem Land weitergeht. Unsere Hand ist ausgestreckt." Die Grünen stünden nun vor der Entscheidung, ob sie mit dem ÖVP-Chef oder mit FPÖ-Obmann Herbert Kickl regieren wollten.

Alle Artikel zum Chat-Skandal der ÖVP:
Strolz-Dauerfeuer im Netz – "ÖVP wird Herztod sterben"
ÖVP-Obmann Wöginger: "Regierung wird noch lange halten"
"Nur mit Kurz": Aber Edtstadler steht schon parat
Grüne entscheiden heute, ob die Regierung stürzt
Geheimplan: SPÖ will Vierer-Pakt gegen Kurz – mit FPÖ
Doskozil zeigt Anti-Kurz-Demo "Daumen hoch"

Wiener hochemotional: "Kurz muss weg" bis "nur Intrige"

ÖVP stellt Ultimatum: Ohne Kanzler Kurz keine Regierung

Polit-Knaller – Grüne sprechen jetzt mit allen Parteien

Kanzler Kurz stellt klar: "Ich werde mich wehren"

Kanzler-Ablöse? Das sagt möglicher Kurz-Nachfolger

Regierungskrise – vor Kurz-Termin muss der First Dog mal

Nach ÖVP-Skandal – so geht es jetzt weiter

Böhmermann über Kurz: "Denkt niemand an die Mutter?"
Chronologie des ÖVP-Skandals – so kam es zum Super-Gau

Rendi fordert Kurz-Rücktritt: "Land braucht Neuanfang"

Chat-Skandal – das sagt ÖVP-Führung jetzt zu Kurz

VdB fordert: Justiz muss "Verdachtsmomenten nachgehen"
Kurz sagt: "Selbstverständlich bleibe ich Kanzler"
Kanzler emotional: "Warum soll immer ich schuld sein?"
Erste Stellungnahme – so reagiert Kanzler auf Skandal

So könnte die Opposition Kanzler Kurz stürzen
"Entsetzen": So reagiert Ex-Kanzler Kern auf Razzien
"Packst du rein": So lief die Skandal-Umfrageaffäre

Sondersitzung im Parlament – kommen jetzt Neuwahlen?

Wegen geheimer Chats nun auch Ermittlungen gegen Kurz

"Wer zahlt, schafft an" – stürzt Regierung über DIESE Chats?

Misstrauensvotum für Kurz? Opposition will Sondersitzung

Razzia im Kanzleramt – Spur führt zu Fellner-Brüdern
Razzien in Kanzleramt und ÖVP-Zentrale

Die türkisen Landesobleute haben sich bereits am Nachmittag via Aussendung "geschlossen" hinter Sebastian Kurz gestellt. "Wir sind davon überzeugt, dass alle damit befassten Personen zur raschen Aufklärung beitragen werden. Wir gehen zudem davon aus, dass sich die strafrechtlich relevanten Vorwürfe als falsch herausstellen werden und auch aufklären lassen", hieß es in der gemeinsamen Erklärung.

Allerdings gab es auch die eine oder andere kritische Stellungnahme. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bezeichnete die Vorwürfe als "schwerwiegend", sein steirischer Amtskollege Hermann Schützenhöfer befand: "Die Härte der Vorwürfe ist unfassbar. Sie hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen des Möglichen heranreicht." Beide betonten jedoch ebenfalls, hinter Kurz zu stehen.

1/8
Gehe zur Galerie
    Krisen-Talk im Chat-Skandal: Vizekanzler Werner Kogler trifft sich mit Bundeskanzler Alexander Van der Bellen (07.10.2021)
    Krisen-Talk im Chat-Skandal: Vizekanzler Werner Kogler trifft sich mit Bundeskanzler Alexander Van der Bellen (07.10.2021)
    HEUTE / Denise Auer
    1/50
    Gehe zur Galerie
      <strong>26.12.2024: Dompfarrer über VdB-Entscheidung zu Kickl "verwundert".</strong> Toni Faber (62) äußert sich in "Heute" über den Bundespräsidenten, der Kickl nicht den Regierungsauftrag erteilt hatte. "Es hat mich verwundert". <strong><a data-li-document-ref="120079447" href="https://www.heute.at/s/dompfarrer-ueber-vdb-entscheidung-zu-kickl-verwundert-120079447">Weiterlesen &gt;&gt;</a></strong>
      26.12.2024: Dompfarrer über VdB-Entscheidung zu Kickl "verwundert". Toni Faber (62) äußert sich in "Heute" über den Bundespräsidenten, der Kickl nicht den Regierungsauftrag erteilt hatte. "Es hat mich verwundert". Weiterlesen >>
      Sabine Hertel