Genuss
Lindt verkauft Schokolade, die nicht so heißen darf
Die neuste Lindt Schoggi enthält keinen raffinierten Zucker. Darum darf das Produkt nicht als Schokolade bezeichnet werden.
Mit zartschmelzender Schokolade wirbt Lindt & Sprüngli normalerweise. Doch die neuste Kreation «Excellence Cacao Pur» darf der Chocolatier nur als Kakaoerzeugnis bezeichnen. Denn die Schoggi enthält keinen raffinierten Zucker, wie die "Sonntagszeitung" schreibt.
Mit Fruchtfleisch gesüßt
Doch Schokolade und Schokoladenerzeugnisse müssen zwingend Kakao und Zuckerarten enthalten, wie es in der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern über Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, Pilze und Speisesalz, heisst. Sonst dürfen die Produkte nicht Schokolade genannt werden.
Schoggi mit weniger Zucker liegt aber im Trend. Darum verzichten immer mehr Hersteller auf Zucker. Stattdessen wird die Schokolade mit Fruchtfleisch gesüßt. So durfte auch der deutsche Schokoladenhersteller Ritter Sport sein neuestes Produkt "Cacao y Nada" nicht als Schokolade bezeichnen.
Das geht dem Konzern aber mächtig gegen den Strich: "Wenn Wurst aus Erbsen sein darf, braucht Schokolade auch keinen Zucker. Aufwachen!", beschwerte sich Firmenchef Andreas Ronken. Ritter Sport will sich nun für eine Änderung der Verordnung einsetzen.
Extra Bewilligung ist möglich
Bereits ist es nämlich möglich Schoggi ohne raffinierten Zucker als Schokolade zu bezeichnen. So soll dieses Jahr die "Wholefruit Chocolate" von Barry Callebaut in der Schweiz auf den Markt kommen. Diese enthält aber keinen Zucker.
50 Gramm Zucker am Tag
Zu hoher Zuckerkonsum kann der Gesundheit schaden, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) schreibt. Für eine erwachsene Person mit vorwiegend sitzender Tätigkeit und
einem täglichen Energieverbrauch von ungefähr 2.000 kcal empfiehlt das BLV einen maximalen
Zuckerkonsum von rund 50 Gramm täglich.
Die maßvolle Einnahme von Süßstoffen habe im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung keine negativen Wirkungen auf die Gesundheit. Allerdings kann ein übermäßiger Konsum von mehr als 20 bis 30 Gramm Süßstoff am Tag zu Durchfall führen.
Um das Produkt trotzdem Schokolade zu nennen, hat der Hersteller extra eine Bewilligung für neuartige Lebensmittel bei den EU-Behörden und in weiteren Ländern einholen lassen. Dieses Vorgehen ist aber aufwändig.
Warum Lindt nicht ebenfalls eine Bewilligung eingeholt hat, bleibt unklar. Das Unternehmen war am Sonntag für Anfragen nicht erreichbar.
"Wer Lindt kauft, denkt Schokolade"
Laut Markenexperte Stefan Vogler hätte sich Lindt eine extra Bewilligung leisten können, um das neuste Produkt Schokolade zu nennen. "Für Lindt ist diese Verordnung aber wohl nicht so schlimm: Wer Lindt kauft, denkt automatisch Schokolade", so Vogler.
So komme das Produkt auch in der typischen Lindt-Verpackung daher. Den meisten Konsumenten würde wohl gar nicht auffallen, dass das Produkt nicht offiziell Schokolade heisst. «Ob diese Schokolade erfolgreich sein wird, hängt wohl vor allem davon ab, ob sie den Leuten schmeckt.»
Unbekannte Marken brauchen das Wort Schokolade
Für kleine und unbekannte Schokoladenproduzenten könnte die lebensmittelrechtliche Definition aber schwere Folgen haben: "Unbekannte Produkte beziehungsweise Marken benötigen das Wort Schokolade, damit die Kunden diese als solche wahrnehmen", erklärt Vogler.
Sollten zuckerfreie Schokoladen sehr erfolgreich sein, sei eine Anpassung der Vorgaben denkbar. Den Begriff Schokolade von Zucker abhängig zu machen, sei schließlich nicht wirklich nachvollziehbar, so Vogler. "Zudem ist es aus Gesundheitspolitischer Sicht auch wünschenswert, dass es auch Schokolade mit wenig oder keinem Zucker gibt."