Politik
Kurz gesteht: "Treffe jeden Tag Fehlentscheidungen"
Ungewohnt selbstkritisch zeigt sich Bundeskanzler Sebastian Kurz. In seinem Leben habe er auch viele Dinge falsch gemacht – privat wie beruflich.
Das sonntägliche Interview in der "Kronen Zeitung" mit Bundeskanzler Sebastian Kurz bietet ordentlich Zündstoff. Dass es zur Anklage gegen den Kanzler kommen wird, sieht dieser bereits als gegeben. Eine Verurteilung halten die von ihm befragten Experten als quasi unmöglich: "Keiner kann sich vorstellen, dass es hier zu einer Verurteilung kommt."
Ob er zurücktreten wird, wenn es dennoch dazu kommt, will er noch nicht klar beantworten. "Bei allem Respekt: Ich kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man in einem Land wie Österreich für etwas, was man nicht getan hat, verurteilt wird." Neuwahlen sieht er in naher Zukunft so oder so nicht. Die Opposition müsse sich damit abfinden, dass "kein Naturgesetz gibt, dass die SPÖ den Kanzler stellt" (Laut Website des Bundeskanzleramts gab es seit 1945 insgesamt acht SPÖ-Bundeskanzler und sechs von der ÖVP).
Paukenschlag
Die neuesten Entwicklungen – und Ermittlungen – fanden auch in der internationalen Presse reichlich Gehör. Am Cover des "Stern" ist von der Bananenrepublik Österreich die Rede, die "Neue Zürcher Zeitung" schreibt über Kurz, dass er keine Skrupel besitze, sogar die Kurz-freundliche "Bild" nennt die Vorgänge einen Paukenschlag. "Natürlich ist das ein Paukenschlag", gesteht der Kanzler ein. Doch "der Schaden wird in Wahrheit für die Politik am größten sein". Statt Anzeigen und Diskreditierungen fordert er von den anderen Parteien Ideen und Visionen.
Ein negativer Höhepunkt war laut Kurz, als die Verfahrensrichterin im U-Ausschuss wegen der Umgangsformen dort das Handtuch geworfen hat. Die NEOS-Abgeordnete Stefanie Krisper habe in ihrer Gegenwart etwa gesagt "die geht mir am Oasch". Tonband und Protokoll der Sitzung sagen laut "Presse" etwas anderes: "Geh'n mir am Oasch, alle", sprach Krisper demnach in das versehentlich noch aktivierte Mikrophon.
Der weiße Ritter
Laut Interviewerin Conny Bischofberger höre man aus der ÖVP derzeit vermehrt, dass Kurz nicht mehr der weiße Ritter sei. Darüber muss er lachen. "Ich war nie ein weißer Ritter. Ich lebe Gott sei Dank nicht im Mittelalter und schaue Pferde nur aus der Entfernung gerne an, aber das war es dann auch. Ich weiß nicht, wer sowas sagt. Aber ich bin extrem dankbar für den Rückhalt, den ich in der Volkspartei erlebe."
Auch aus anderen Parteien würde er aktuell zahlreiche Solidaritätsbekundungen bekommen. Doch ganz unkritisch blickt der Kanzler offenbar auch nicht auf sich selbst: "Ich bin ein Mensch wie jeder andere. In meiner Funktion trifft man Hunderte Entscheidungen. Ich treffe daher jeden Tag auch Fehlentscheidungen. Und ich habe viele Dinge in meinem Leben auch falsch gemacht, privat wie beruflich."