Politik

Kürzungen bei Sozialhilfe – das plant Kanzler Nehammer

Regierungschef Karl Nehammer forciert eine Änderung der Sozialhilfe-Bestimmungen. Notfalls will er das entsprechende Gesetz im Verfassungsrang ändern.

Michael Rauhofer-Redl
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) denkt laut über eine Reform der Sozialhilfe nach.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) denkt laut über eine Reform der Sozialhilfe nach.
Helmut Graf

Vor wenigen Tagen positionierte sich Bundeskanzler Karl Nehammer offensiv als Freund einer Reform der Sozialhilfe.  Das heimische Sozialsystem bezeichnete er als "völlig gestört". "EU-Bürger werden schlechter gestellt als Asylberechtigte", tobte er in der ORF-"Pressestunde". Grund sei, dass ein Asylberechtigter Anspruch auf Sozialhilfe habe, EU-Bürger hingegen fünf Jahre zu warten hätten. 

Als Vorbild für eine diesbezügliche Reform nennt der ÖVP-Politiker Dänemark. Dessen Ministerpräsidentin und defacto Amtskollegin Nehammers stattete der heimische Regierungschef vergangene Woche einen symbolträchtigen Besuch ab. Nehammer sieht in seinem Vorhaben, dass man mindestens fünf Jahre in Österreich leben müsse, ehe man Anspruch auf Sozialleistungen hat, einen wichtigen Mosaikstein im Kampf gegen "irreguläre Migration". 

Auch wenn Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Mittwoch in der ORF-"ZIB2" derartigen Überlegungen eine klare Abfuhr – derartiges sei im aktuellen Regierungsübereinkommen nicht vorgesehen und könne sei daher völlig ausgeschlossen – erteilte, forcierte Nehammer eine Änderung des Sozialsystems erneut. Der Kanzler beteuert, dass das Arbeitslosengeld und Familienleistungen nicht betroffen sein sollen. Doch eine ähnliche Maßnahme – eine Wartefrist bei der Mindestsicherung war in Niederösterreich geplant – vereitelte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem Erkenntnis im Jahr 2018.

Notfalls mit Verfassungsänderung

In Reihen der ÖVP ist man sich aber sicher, dass ein derartiges Vorhaben rechtlich gedeckt sein könne. Laut "Krone"-Informationen bezieht man sich auf EU-Rechts-Experten Walter Obwexer. Dieser sieht eine Möglichkeit für den Vorstoß, "unter gewissen Voraussetzungen". Laut "Krone"-Angaben müsste das Gesetz auch für österreichische Staatsbürger gelten, die in den vergangenen Jahren im Ausland lebten. Der Experte verweist zudem auf Unionsrecht, wonach ein menschenwürdiges Leben stets gewährleistet sein müsse. 

Deswegen plant Nehammer, in den ersten fünf Jahren nur die Hälfte an Sozialleistungen auszuzahlen, danach erst die volle Leistung. Sollte das Gesetz dann trotzdem vor dem VfGH scheitern, setzt Nehammer auf eine "politische Entscheidung". Für die Änderung der Verfassung bzw. Gesetzen im Verfassungsrang braucht es in Österreich allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Aktuell gibt es eine solche nicht. Ob sich nach kommenden Wahlen neben der FPÖ, die diesem Vorhaben wohl keinen Riegel vorschieben würde, eine solche finden wird, darf allerdings bezweifelt werden. 

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