Letzte Generation am Ende

Klimaprofessor tobt: "Kampf gegen Klimakrise verspielt"

Das überraschende Aus der Klima-Kleber erfreut die Politik, für BOKU-Professor Reinhard Steurer sind weitere Proteste dringend nötig.

Roman Palman
Klimaprofessor tobt: "Kampf gegen Klimakrise verspielt"
Klimapolitik-Professor Reinhard Steurer ist über das Ende der Klimakleber-Proteste zerknirscht.
Tageszeitung HEUTE / Helmut Graf

Die Klima-Kleber geben auf! Überraschend kündigte die Letzte Generation am Dienstagvormittag ein "Ende der Proteste" in Österreich an. Man sehe nach gut zwei Jahren an Straßenblockaden und anderen Aktionen keine Perspektiven für Erfolg. Die Regierung und die Bevölkerung hätten mit "kompletter Inkompetenz" und "fossiler Ignoranz" geglänzt, begründen die Aktivisten ihren radikalen Schritt.

Ihre dazu veröffentlichte Stellungnahme ist gleichzeitig eine Anklage: "Wir haben vielfältig protestiert, trotz Hass und Morddrohungen weitergemacht. Die Regierung nimmt in Kauf, für den Tod von Milliarden Menschen verantwortlich zu sein. Die Gesellschaft hat versagt". Nachsatz: "Dieses Projekt endet. Der Widerstand bleibt".

ÖVP jubelt, Klimaprofessor sauer

Während etwa in der ÖVP von Kanzler Karl Nehammer ("Gut, dass dieser Spuk ein Ende hat") abwärts Jubelstimmung herrscht, gibt es auch jene, die das Ende der Klima-Kleber betrauern.

Eine davon gehört Reinhard Steurer. Der Professor für Klimapolitik an der BOKU Wien dankte den Aktivisten in seiner Replik auf X für ihren "unermüdlichen Einsatz". Er ist überzeugt, dass ihre Protestbewegung "in die umweltpolitische Geschichte Österreichs eingehen" werde. Man werde sie "in 20 Jahren ganz anders beurteilen als heute".

Da werde man auch sehen, "dass wir den Kampf gegen die Klimakrise auch deshalb 2023-2024 verspielt haben", so Steurer weiter. "Klimapolitische Laien werden nun mit Häme das Scheitern der Klimabewegung sehen. Am Scheitern sind jedoch wir als Gesellschaft weil wir das Offensichtliche nicht sehen wollen."

Er hofft darauf, dass doch noch eine große Umdenk-Dynamik die Gesellschaft erfasst. "Dafür lohnt es sich weiterzumachen, denn wer aufgibt hat fix verloren." Für ihn ist Protest gegen die fossil befeuerte Normalität "nicht nur legitim, sondern nötig", da diese inzwischen "radikal tödlich" geworden sei.

Dabei bezieht er sich der BOKU-Professor auf eine im Fachmagazin "Nature" im Jahr 2021 veröffentlichte Studie zu den Auswirkungen der Treibhausgas-Emissionen und ihren Klimafolgen auf die menschliche Mortalität. Darin wird vorgerechnet, dass für alle 4,434 Tonnen CO2, die im Jahr 2020 in die Atmosphäre emittiert wurden, bis ins Jahr 2100 ein Mensch an den Klimafolgen sterben wird. 2020 wurden EU-Angaben zufolge weltweit 35,94 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt – die übrigen Treibhausgase wie Methan sind da noch nicht inkludiert. Den Preis unserer weltweiten fossilen Energienutzung alleine in diesem Jahr wären demnach 8.106.556 Menschenleben.

"Die jährlichen CO2-Emissionen des kleinen Österreich (gut 70 Millionen Tonnen) sind für rund 16.000 Todesopfer verantwortlich. Wer immer noch sagt, kleine Länder wie Österreich seien nicht relevant, ist ein unverantwortlicher Verleugner eigener Verantwortung", so Steurer bereits früher dazu auf X.

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    privat, iStock

    Auf den Punkt gebracht

    • Die Klima-Kleber haben überraschend angekündigt, ihre Proteste in Österreich zu beenden, da sie keine Perspektiven für Erfolg sehen und die Regierung und die Bevölkerung als inkompetent und ignorant bezeichnen
    • Der Klimaprofessor Reinhard Steurer bedauert das Ende der Bewegung und betont, dass der Kampf gegen die Klimakrise verspielt wurde, da die Gesellschaft das Offensichtliche nicht sehen will und die Auswirkungen der Treibhausgas-Emissionen auf die menschliche Mortalität ignoriert
    • Er hofft dennoch auf eine Umdenk-Dynamik in der Gesellschaft, denn "wer aufgibt hat fix verloren"
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