Weltuntergangsstimmung

Wiener Klimatologe warnt jetzt vor "größter Gefahr"

Marc Olefs, der Chef-Klimaforscher der GeoSphere Austria, warnt davor, in Weltuntergangsstimmung zu verfallen. Die Klimakrise sei auch eine Chance.

Roman Palman
Wiener Klimatologe warnt jetzt vor "größter Gefahr"
Sommerliche Hitzewellen haben sich in Wien in den letzten Jahren deutlich verschärft.
Getty Images

"Es ist hier, es ist messbar. Wir sind es." Klarer als Marc Olefs kann man die menschliche Ursache des rasanten Klimawandels wohl nicht beschreiben. Der Leiter der Abteilung Klimaforschung bei GeoSphere Austria warnte am vergangenen Sonntag bei Elke Ziegler "Im Journal zu Gast" aber vor einer "Weltuntergangsstimmung" und will die Krise auch als Chance begreifen.

Der langfristige Erwärmungstrend der Erde ist immer noch ungebrochen. Auch in der Woche vor Olefs Ö1-Interview wurden wieder neue Rekordwerte aufgestellt, in der oberen Adria wurden Meerestemperaturen von 30 Grad gemessen. Kühles Nass? Fehlanzeige.

Auch das vergangene Jahr 2023 schrammte mit einem weltweit durchschnittlichen Plus von 1,48 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum (1850-1900) nur knapp am Pariser Klimaziel von 1,5 Grad. Das war zwar ein krasser Ausreißer nach oben, doch auch im aktuellen Mittel hat sich die Welt durch den menschlichen Treibhausgasausstoß bereits um 1,3 Grad erwärmt.

Marc Olefs bei einem früheren ZIB2-Interview.
Marc Olefs bei einem früheren ZIB2-Interview.
Screenshot ORF

Etwa 0,3 Grad davon sind alleine seit 2016 dazugekommen. Für uns Menschen ist eine solche Temperaturdifferenz zwar nicht direkt spürbar, im Kontext mit der Erwärmung der gesamten Erde ist dieser Unterschied in doch sehr kurzer Zeit "hochrelevant", so Olefs: "Im Verhältnis zu den 1,3 Grad sind 0,3 Grad ein sehr bemerkenswerter Temperatursprung."

Die Messdaten zeigen damit nicht nur, dass die Erde generell immer wärmer wird, sondern auch, dass sich die Entwicklung beschleunigt hat. Kein Wunder: Die Top10 der wärmsten Jahre werden von den letzten zehn Jahren besetzt!

Hitzewellen werden schlimmer

"Diese langfristige und konsequente Überwärmung hat Konsequenzen für alle Lebewesen der Erde", weiß der Klimaforscher. Im Gegensatz zum Menschen sind Pflanzen und Tiere nämlich nicht in der Lage, sich mit technischen Maßnahmen zu schützen. Marine Hitzewellen sind bereits jetzt ein Problem, noch (!) wirken die Ozeane aber als Dämpfer der Erderhitzung.

Die Landmassen selbst sind schon deutlich schlimmer betroffen: "In Österreich stehen wir im Vergleich zu diesen 1,3 Grad global bereits bei 2,7 Grad – also mehr als das Doppelte. Das bedeutet Hitzewellen sind seit den 1960er-Jahren doppelt so intensiv, aber auch doppelt so lange geworden", erklärt der Experte. DAS bemerken wir dann schon.

Dauerte in Wien eine Hitzewelle im Klimamittel der 1960er bis 1990er durchschnittlich nur vier Tage an, sind es jetzt acht Tage. Auch die Zahl der Sommer- und Hitzetage hat massiv zugenommen. Olefs: "Das, was wir im Sommer auch am eigenen Leib spüren, nämlich, dass wir weniger leistungsfähig sind, zeigt sich auch ganz klar in unseren Messdaten."

Aufgeben keine Option

Langfristig ist der Planet jedenfalls weiter auf Erhitzungskurs, der menschliche Ausstoß von Treibhausgasen ist und bleibt der Hauptantrieb. "Wir sind auf einem Niveau von fast 60 Milliarden Tonnen an klimawirksamen Treibhausgas-Emissionen pro Jahr. Das sind 365 vier Kilometer hohe Berge", sagt Olefs.

Selbst ein sofortiger Notstopp könnte die weitere Erwärmung nicht verhindern, da ausgestoßenes CO2 auf Jahrhunderte in der Atmosphäre klimawirksam bleibt. "Wir haben selbst nach 500 Jahren noch 30 Prozent der CO2-Moleküle, die wir emittieren, wenn wir mit dem Verbrennungsauto zum Supermarkt fahren, in der Atmosphäre. Das ist leider die physikalische Realität", bestätigt der GeoSphere-Wissenschafter. Aufgeben ist für ihn aber keine Option.

Seine Ansage: "Die größte Gefahr dieser Herausforderung der Erderhitzung ist es, jetzt in Weltuntergangsstimmung zu verfallen und zu glauben, wir schaffen das eh nicht". Angst sei der schlechteste Berater überhaupt, weil sie jegliche Initiativen und Aktivitäten lähmen würde. "Ich denke, wir haben keine andere Wahl, als positiv und proaktiv in die Zukunft zu blicken". Das vermittle er auch seinen eigenen Kindern.

"Zeit vorbei, die Chinesen zu schimpfen"

Der Ersatz von fossilen Energieträgern durch Erneuerbare und somit die Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes ist dabei der einzige Weg, die Erderhitzung noch einzubremsen, damit sie sich vielleicht irgendwann in ferner Zukunft umkehren kann.

Noch ist dieser Weg aber lang und steinig, denn die Menschheit ist immer noch zu 80 Prozent von klimaschädlichem Öl, Gas und Kohle abhängig. Ein Lichtblick am Ende des Tunnels ist aber bereits auszunehmen: Solar- und Windenergie verzeichnen global massiven Zuwachs.

Selbst das oft als Negativ-Beispiel genannte China ist mittlerweile Erneuerbaren-Ausbau-Weltmeister, betont Olefs: "Die Zeit ist auch vorbei, wo wir die Chinesen als nach wie vor größten Absolut-Emittenten schimpfen, weil dort wirklich wahnsinnig viel in dieser Richtung passiert."

Das treibe auch die technologische Entwicklung voran und somit auch den Preis nach unten. In vielen Regionen der Erde liege der Einheitspreis der Energieerzeugung der Erneuerbaren bereits jetzt deutlich unter dem von fossiler Energie.

Welt steht vor Wendepunkt

"Auch die Internationale Energieagentur hat schon in vielen ihrer Berichte – und das ist wahrlich keine grüne Organisation – gezeigt, dass das Maximum der globalen fossilen Energieerzeugung in den nächsten Jahren erreicht sein wird", sagt er.

Die Energiewende sei also de facto fix, sie müsse nun möglichst rasch umgesetzt werden, mahnt der Experte. In der Realität gehe es dabei nicht um abstrakte Emissionsziele, sondern um "viele, viele kleine Entscheidungen – und vor allem, den Mut auch zu haben, diese vielen kleinen Entscheidungen zu treffen." Ein jeder solle im Rahmen seiner Möglichkeiten daran mitwirken.

"Wir wissen wie, also packen wir an"

Dazu zeichnet Olefs drei Leitfragen vor, die sich jeder stellen kann. Erstens: Was wollen wir als gemeinsame Werte bewahren? Zweitens: Welche Vorteile ergeben sich durch diese notwendigen Maßnahmen? Und drittens: Was kann jeder einzelne tun, im Rahmen der eigenen Mittel, den eigenen Fußabdruck zu reduzieren?

Letztendlich sei es unsere Entscheidung, "ob wir diese Klimakrise zu einer Chance machen". Olefs macht klar: "Es ist ein Problem, es ist lösbar. Wir wissen wie, also packen wir an."

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    privat, iStock

    Auf den Punkt gebracht

    • Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung bei Geosphere Austria, warnt vor der rasanten Klimaerwärmung, betont aber auch die Chance, die in der Krise liegt
    • Die Erde hat sich bereits um 1,3 Grad erwärmt, was zu intensiveren und längeren Hitzewellen führt
    • Trotzdem sieht Olefs die Energiewende als einzigen Weg, die Erderhitzung zu bremsen und betont, dass jeder Einzelne dazu beitragen kann, die Klimakrise als Chance zu begreifen
    rcp
    Akt.