Chaos an Wiens Schulen
"Kaum Deutsch" – Grüner Lehrer spricht jetzt Klartext
Was tun, wenn Schüler kein Deutsch können? Ein Wiener Lehrer und Grünen-Politiker berichtet von Herausforderungen im Unterricht und fordert Maßnahmen.
"Das Schulsystem ist auf Kinder ausgelegt, die Unterstützung von zu Hause bekommen und Deutsch als Erstsprache haben", sagt Felix Stadler. Er unterrichtet Biologie und Mathematik in zwei zweiten Klassen an einer Mittelschule im 2. Bezirk und ist Bildungssprecher der Grünen Wien. Probleme im Schulsystem verortet er so einige.
Er scheitert sogar mit Übersetzungen
Nur ganz wenige seiner Schülerinnen und Schüler haben Deutsch als Erstsprache. "Schätzungsweise zehn Prozent", meint der 29-Jährige gegenüber "Heute". Und das, obwohl die meisten in Wien geboren sind. Fehlende Sprach- und Wortschatzkenntnisse und Allgemeinwissen erlebt Stadler als große Herausforderung im Unterricht: "Ich lasse oft ein Wort in die jeweilige Sprache übersetzen, aber die Kinder wissen einfach nicht, was es heißt und verstehen den Zusammenhang nicht. Einen Text sinngemäß zu erfassen, wird somit nahezu unmöglich."
Sprachförderung schon im Kindergarten
"Man muss bedenken, dass die Kinder bei uns schon zehn, elf oder zwölf Jahre alt sind. Entsprechende Sprachförderung braucht es schon früher, in der Volksschule und ganz dringend auch im Kindergarten", so Stadler. Sprachförderkräfte müssten ein fixer Bestandteil der Kindergarten-Teams sein und nicht ständig die Standorte wechseln, fordert er.
Es braucht mehr Durchmischung
Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Durchmischung. "Schüler lernen untereinander, aber es fehlt ihnen an Sprachvorbildern", so der Lehrer im "Heute"-Gespräch. Die Trennung von Mittelschule und Gymnasium ist das erste Problem. Das zweite, dass Eltern aus Bildungsschichten ihre Kinder in Schulen mit gutem Ruf geben und sich Kinder aus bildungsferneren Schichten wiederum an Standorten ballen.
An internationalen Beispielen könnte man sich einiges abschauen, meint der Wiener Lehrer. In New York etwa können die Erziehungsberechtigten fünf Schulen nennen und welche es davon wird, entscheidet die Behörde. "Die Schüler können am wenigsten für die Situation. Zahlen zeigen ja, dass es ein Systemversagen in der Sprachförderung gibt", so der Lehrer abschließend. Leidtragende seien trotzdem die Kinder. Sie sind es, denen letzten Endes die Bildungschancen verbaut werden.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Der Wiener Lehrer Felix Stadler kritisiert das Schulsystem, das seiner Meinung nach Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen benachteiligt
- Er fordert frühzeitige Sprachförderung im Kindergarten und mehr Durchmischung an den Schulen, um die Bildungschancen für alle Kinder zu verbessern
- Stadler betont, dass die Kinder nicht für die Situation verantwortlich sind und dass das System in der Sprachförderung versagt