Gespräch zum Abschied

Kardinal: "Kreuze in Österreich aufrechterhalten"

Sie sind für Christen "das Zeichen der Versöhnung", sagt Christoph Schönborn. Ein Gespräch über Kruzifixe, Kirche und Kardinalswürde für Österreich.

Clemens Oistric
Kardinal: "Kreuze in Österreich aufrechterhalten"
Abschied nach 29 Jahren und vier Monaten: Im Jänner übergibt Kardinal Schönborn sein Amt als Wiener Erzbischof.
Helmut Graf, Picturedesk

"Was muss man anstellen, um so ein Interesse auszulösen?", fragt Kardinal Schönborn beim Blick in einen Raum voller Journalisten und Fotografen am Wiener Stephansplatz. "Wahrscheinlich ist es das Weihnachtsfest", antwortet er sich selbst in einer Bescheidenheit, die einem Dominikaner eigen ist.

Abschied zum 80er

Natürlich ist es nicht ausschließlich das bevorstehende Fest, das ein derartig gewaltiges Medieninteresse generiert. Anlässlich seines 80. Geburtstages (am 22. Jänner) hat ihm der Papst den Ruhestand in Aussicht gestellt. Bleibt er tatsächlich bis zu diesem Tag, war er sogar einen Monat und drei Tage länger als der legendäre Franz König Erzbischof von Wien. Seinen Rücktritt hatte Österreichs Oberhirte bereits vor fünf Jahren in Rom eingereicht. Bis heute behielt ihn der Heilige Vater, der Schönborn über alle Maßen schätzen soll, im Amt.

Christoph Schönborn steht seit 1995 an der Spitze der Wiener Erzdiözese und schreibt seit 6. Oktober 2006 für <em>"Heute"</em>.
Christoph Schönborn steht seit 1995 an der Spitze der Wiener Erzdiözese und schreibt seit 6. Oktober 2006 für "Heute".
Helmut Graf

Nach fast 30 Jahren an der Spitze der Wiener Erzdiözese und 18 Jahren als Kolumnist von "Heute" (an keinem einzigen Freitag seit Oktober 2006 ließ er sie ausfallen) kommt es 2025 jedenfalls zu einem Wechsel. Wann genau und wer Schönborn nachfolgen soll, ist noch offen. Klar ist jedenfalls: "Ich bleibe Kardinal und ich bleibe auf Rufweite", so der Geistliche, der seine Pension in einem Kloster in der Wiener Brigittenau ("Wiens zweitärmstem Bezirk – ich wusste nicht, dass der so schlecht dran ist") verbringen wird.

Ein Gespräch zum Abschied und Achtziger über ...

Die Situation in Österreichs Kirche

"Die Zahl der Katholiken in der Erzdiözese Wien ist in meiner Amtszeit um rund 20 Prozent zurückgegangen. Das ist so. Ich verbuche das nicht als ausschließlich als meinen Fehler, aber ich möchte es auch nicht schönreden. Es ist schmerzlich."

Die zunehmende Distanz vieler Menschen zur Kirche

"Die Großwetterlage ist so, dass die Bindung an Institutionen insgesamt sehr nachgelassen hat. Das merken auch die Parteien, die Gewerkschaften … diese Entwicklung hat auch mit unserer Wohlstandsgesellschaft zu tun, weil man – glaube ich – weniger Gespür hat, dass es auf das Miteinander ankommt."

Selbstbezogenheit ist ein großes Übel.
Christoph Kardinal Schönborn
Erzbischof von Wien
Kardinal Schönborn im Gespräch mit <em>"Heute"</em>-Chefredakteur Clemens Oistric
Kardinal Schönborn im Gespräch mit "Heute"-Chefredakteur Clemens Oistric
EDW

Eine Selbstbezogenheit der Kirche

"Ja, die Gefahr sehe ich. Alle Gemeinschaften und gesellschaftlichen Gruppierungen haben die Tendenz und die Gefahr, sich zu sehr mit sich selber zu beschäftigen. Das ist sehr menschlich, aber es ist schade, weil es auf die Dauer langweilig wird. Selbstbezogenheit ist ein großes Übel. Die Überwindung der Selbstbezogenheit ist aber sehr einfach: Du musst dich für die Menschen interessieren."

Eigenschaften, die einen guten Priester ausmachen

"Das Wichtigste ist: Interessierst du dich für Gott, und interessierst du dich für die Menschen?"

Illiberale Strömungen in Kirche und Gesellschaft

"Eine liberale Grundhaltung darf nicht eine Grundhaltung der Beliebigkeit sein. Ich denke, man kann das sehr schön in dem Bild ausdrücken von der weitgespannten Brücke, einer Brücke zwischen den Menschen, zwischen den Religionen: Die Voraussetzung für eine weitgespannte Brücke sind tiefe Fundamente, feste Pfeiler, die die Brücke tragen."

Das Kreuz richtet sich nicht gegen jemanden, sondern ist das große Zeichen der Versöhnung.
Papst Johannes Paul II. verlieh Schönborn am 22. Februar 1998 in Rom den Kardinalsring.
Papst Johannes Paul II. verlieh Schönborn am 22. Februar 1998 in Rom den Kardinalsring.
Maurizio Brambatti / EPA / picturedesk.com

Die Aussicht, dass Österreich wieder einen Kardinal bekommt

"Da müssen Sie den Papst fragen. Also, wenn nicht der Erzbischof von Paris Kardinal geworden ist, sondern der Bischof von Ajaccio in Korsika, dann verschieben sich ein bisschen die Gewichtungen. Der Papst hat in den letzten Jahren systematisch in fast jedem Land in Asien einen Kardinal ernannt, sogar in der Mongolei, wo es nur 1600 Katholiken gibt. Er kommt aus Lateinamerika, und ich vermute, seine Einschätzung des Gewichts der Kirche in Europa ist vermutlich ein bisschen anders, als wir es erwarten würden."

Die Kardinals-Ernennungen von Franziskus

"Sie sind schon auch ein Programm. Er geht, wie er selber gesagt hat, an die Peripherien, und das Kardinalskollegium hat sich in diesen elf Jahren, seit er Papst ist, massiv verändert. Aber vielleicht wird es ja in Österreich eine sehr charismatische oder faszinierende Gestalt geben, die den Papst bewegt, dass er sie zum Kardinal ernennt. Die traditionellen Kardinalssitze in Europa – das ist aber vorbei, weil sich das Schwergewicht der Weltkirche einfach verlagert hat."

Das Kreuz in Österreich

"Ich bin sehr dafür, dass wir in Österreich die Kreuze aufrechterhalten. Das hat überhaupt nichts Exklusives. Das Kreuz richtet sich nicht gegen jemanden, sondern ist das große Zeichen der Versöhnung. Warum sollen wir uns dieses Zeichens schämen? Die Stadt Wien hat das Kreuz im Wappen. Deswegen ist ja Wien noch nicht ein Hotspot der katholischen Frömmigkeit – aber das Zeichen ist wichtig. Und dass Weihnachten gefeiert wird."

Persönliche Beziehung mit den drei letzten Päpsten

"Johannes Paul II. hat mich zum Bischof und zum Kardinal ernannt. Bei Papst Benedikt ist es sehr einfach: Ich war sein Student in Regensburg. Und Papst Franziskus habe ich in Buenos Aires kennengelernt, als er noch Weihbischof dort war. Die Beziehung hat sich nach seiner Wahl ausgeprägt."

Den Vorwurf, ein Wendehals zu sein

"Man hat mir vorgeworfen: Du bist ein Wendehals, du verstehst dich mit drei Päpsten gut. Ich glaube nicht, dass ich ein Wendehals bin. Es hat sich wirklich so ergeben, dass ich alle drei sehr bewundere: wirklich große und sehr überzeugende Menschen. Das hat mich aber nicht daran gehindert, bei allen dreien auch da und dort Bauchweh zu haben."

Die Hoffnung ist keine Frage des Temperaments, sondern eine des Willens.
Christoph Schönborn im Sommer 2024 an seiner Wirkungsstätte im Wiener Stephansdom
Christoph Schönborn im Sommer 2024 an seiner Wirkungsstätte im Wiener Stephansdom
Sabine Hertel

Menschen, die nur zu Weihnachten die Messe besuchen

"Man kann sagen: Wie schäbig, die kommen nur zu Weihnachten. Oder man kann sagen: Wunderbar, sie kommen zu Weihnachten! Die Krippenmette, der Nachmittagsgottesdienst am Heiligen Abend im Stephansdom, ist der bestbesuchte Gottesdienst des ganzen Jahres. Ich finde das schön."

Frauen in der Kirche

"Das ist weltweit sicher eine der brennenden Fragen für die Kirche und für die Gesellschaft insgesamt. Und sie ist nicht vom Tisch. Sie wird auch nicht vom Tisch sein, weil Geschlechtergerechtigkeit ein nach wie vor berechtigtes und notwendiges Thema ist."

Hoffnung habe ich immer.

Seinen Blick auf die Welt

"Worauf es ankommt, ist die Hoffnung. Die Hoffnung ist keine Frage des Temperaments, sondern eine des Willens und Geistesüberzeugung. Und ich bin hoffnungsvoll. Natürlich ist die Welt immer in einem schlechten Zustand – weil es Machtmissbrauch gibt. Aber Hoffnung habe ich immer. Weil es immer Menschen geben wird, die über diese Niederungen hinausgehen."

Seinen Wunsch an die Politik

"Wer Österreich spaltet, tut diesem Land nichts Gutes. Das ist auch das, was Franziskus für die Kirche will: Synodalität heißt, gemeinsam auf dem Weg sein. Das brauchen wir auch in der Politik und in allen Bereichen der Gesellschaft."

Den Konflikt im Heiligen Land

"Die Not ist zweifellos auf beiden Seiten. Sie ist groß auf der Seite Israels, und sie ist groß auf der Seite der Palästinenser. Und beides muss angesprochen werden, weil es auf beiden Seiten Menschen sind, die es sehr schmerzlich betrifft. Man kann nur beten für den Frieden und auf einen baldigen Frieden hoffen."

Ich bleibe Kardinal und auf Rufweite. Pressekonferenzen werde ich vermutlich nicht mehr geben.
Mit Kanzler Nehammer, Landeshauptfrau Mikl-Leitner und Verlegerin Eva Dichand im Wiener Belvedere. Seit 2006 liefert Schönborn jeden Freitag "Antworten" in <em>"Heute"</em>.
Mit Kanzler Nehammer, Landeshauptfrau Mikl-Leitner und Verlegerin Eva Dichand im Wiener Belvedere. Seit 2006 liefert Schönborn jeden Freitag "Antworten" in "Heute".
Denise Auer

Seine Pension

"Ich bekomme oft zu hören: Jetzt können Sie endlich machen, was Sie wollen. Ich habe 30 Jahre lang etwas getan, was ich sehr gerne gemacht habe. Ich habe keine Pläne für meine Pension. Außer, dass ich im 20. Bezirk, dem zweitärmsten Bezirk Wiens, wohnen werde. Ich wusste nicht, dass der so schlecht dran ist. Und dass dieser Bezirk auch sehr interreligiös ist. Nur drei Häuser weiter ist das ATIB-Zentrum. Da ist für Kontakt gesorgt. Ich werde in einem Kloster wohne. Ich bleibe Kardinal und auf Rufweite. Pressekonferenzen werde ich vermutlich nicht mehr geben."

Dinge, die ihn im Amt genervt haben

"Jetzt wäre ich versucht zu sagen, wenn Journalisten mir Fragen stellen. Aber nein, das stimmt nicht."

Eigenschaften, die sein Nachfolger haben sollte

"Ich zeichne kein Profil meines Nachfolgers. Ich vertraue darauf, dass er es gut machen wird und in mancher Hinsicht sicher besser als ich."

Das, worauf er sich jetzt freut

"Auf Weihnachten."

Kardinal Schönborn ist Ehrenbürger

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    Bürgermeister Ludwig gratuliert.
    Bürgermeister Ludwig gratuliert.
    Denise Auer

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    Auf den Punkt gebracht

    • Kardinal Christoph Schönborn spricht vor seinem Abschied über die bevorstehende Pensionierung, die Bedeutung von Kreuzen in Österreich und die Herausforderungen der Kirche, wie den Rückgang der Katholikenzahlen und die zunehmende Distanz der Menschen zur Institution.
    • Er betont die Wichtigkeit von Hoffnung, Geschlechtergerechtigkeit und Synodalität und äußert sich zu seiner persönlichen Beziehung zu den letzten drei Päpsten sowie zu seiner zukünftigen Rolle als Kardinal im Ruhestand.
    coi
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