Politik
Kanzler-Video empört: Hamburger für Kinder in Armut
Ein virales Video eines Nehammer-Auftritts sorgt für Empörung. Der Kanzler will Kindern, die von Armut gefährdet sind, Hamburger schmackhaft machen.
"Wenn i z'wenig Göld hab', geh i mehr arbeiten", wetterte Bundeskanzler Karl Nehammer (VP) in einem Kreis von Wohlgesinnten. Auslöser, so erzählt er seinem fidelen Publikum über dem einen oder anderen Glas Wein, sei eine Diskussion mit "Sozi-Freunden" über die wachsende Armut in Österreich. "Wie gibt's denn das?", donnerte der ÖVP-Chef weiter, behauptend, dass der Anteil an Teilzeit-Müttern auf dem Arbeitsmarkt gleich geblieben sei.
Auch eine Zunahme von von Armut betroffener Kinder sieht der Kanzler hierzulande nicht, weil er "keine Empörungswellen in Leserbriefen" wahrnehmen habe können. "Wos is eigentlich mit den Eltern? Was heißt, ein Kind kriegt keine warme Mahlzeit in Österreich?". Betroffenen empfahl der Regierungschef daraufhin einen Hamburger von McDonalds': "Das ist das billigste Essen", wies aber darauf hin, dass diese Art der Kost ungesund sei.
Warmes Essen für alle Kinder: "Dann sind wir in DDR"
Der angeblich so linke Wunsch, Kinder ausreichend – und im besten Fall auch noch gesund – zu ernähren, ließ Nehammer die Kommunismus-Keule schwingen: "Wenn wir uns in dieser Diskussion verlieren, und das ärgert mich massiv, [...] dann reden wir von Staatswirtschaft. Das heißt, jeder Elternteil hat sein Kind beim Staat einzumelden. Wir machen Kalorientabellen. Wir schauen, wie viel Essen kriegt das Kind, wie wird es ernährt... – und dann sind wir in der DDR. So schaut die linke Welt aus." Gegen solche Bewegungen, so Nehammer weiter, müsse man "wachsam sein".
VIDEO: Der komplette Aufreger-Mitschnitt von Nehammer
Vor seinem lachenden Publikum teilte er weiter aus. Die ÖVP habe die besseren Argumente, doch "Argument ist keine Emotion. Das ist momentan mein Feind." Österreich sei eines der besten Länder Europas: "Ich kann das hundert Mal erzählen, es is' jedem wurscht. 'Jo... weniger Göld...'"
Auch eine Arbeitszeitreduktion wie sie von Babler etwa ins Feld geführt wird, werde auf dem Rücken der "Fleißigen" ausgetragen. "Über das darf i mit dir ja gar nicht unterhalten. Warum? Weil dann kommt nämlich die Gewerkschaft und die Wirtschaftskammer und sagt: 'Höh, putz' di. Sozialpartnerschaft!'" Gleichzeitig beklagt Nehammer, dass rund 38 Prozent der Arbeitnehmer einen Kollektivvertrag hätten. Mehr als zehn Prozent Lohnerhöhung, wie aktuell von den Metallern gefordert, schmecken ihm überhaupt nicht.
Nehammer wollte Lohnabschlüsse drücken
In Rage plaudert der Kanzler auch Hinterzimmer-Details aus: "Wir haben letztes Jahr versucht, dass die Lohnabschlüsse weniger hoch ausfallen." Er sei mit dem Angebot der Steuerfrei-Prämie, "so dass alle was davon haben" und der Abschaffung der kalten Progression auf die Gewerkschaften zugegangen, doch die Arbeitnehmervertreter hätten auf den Durchrechnungszeitraum gepocht.
"Die Gewerkschaft ist so stur", donnert der VP-Chef mit einer Hand am Hosenbund und erhobenem Zeigefinger und beklagte den "Teilzeit-Wahnsinn", den sich das Land aufgrund des demografischen Wandels nicht leisten könne.
Doch bei all seinen Reform-Ambitionen würden ihm von den Linken Steine in den Weg geworfen: "Wir sind alles g'lernte ÖVPler, wir wissen was leiden heißt", griff Nehammer nach Sympathien im Publikum. Sein Problem: "Des musst erst mal politisch umme bringen."
ÖVP meldet sich zu Wort
Nachdem eine Kurzfassung des Videos – "Heute" zeigt oben den kompletten Mitschnitt – auf X die Wogen hochgehen ließ, preschte die ÖVP zur Schadensbegrenzung vor. In einer spätabends veröffentlichten Stellungnahme erklärte die türkise Kanzlerpartei folgendes:
"Es handelt sich um ein echtes, aber zusammengeschnittenes Video, das eine Funktionärsveranstaltung in Salzburg zeigt. Wir sind so wie der Bundeskanzler überzeugt, dass jedes Kind in Österreich eine warme Mahlzeit bekommen kann, wenn die Eltern ihre Verantwortung wahrnehmen, zumal wir die Familien wie nie zuvor unterstützen. So haben wir das Schulstartgeld erhöht, den Familienbonus auf 2.000 Euro angehoben, 60 Euro zusätzlich für sozial bedürftige Eltern und Kinder beschlossen, die Sozial- und Familienleistungen valorisiert und letztes Jahr die Familienbeihilfe doppelt ausgezahlt, die nächstes Jahr für Kinder zwischen 3 und 10 von 129 auf 141 Euro erhöht wird."