Politik

"Wir müssen soziale Kontakte wieder reduzieren"

Kanzler Sebastian Kurz schloss die ORF-"Sommergespräche" mit Moderatorin Simone Stribl ab. Über Corona, was uns erwartet und was getan werden muss.

Rene Findenig
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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im "Sommergespräch" mit Simone Stribl.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im "Sommergespräch" mit Simone Stribl.
ORF

"Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels", erklärte Kurz bereits bei seiner Kanzler-Rede. Die Corona-Krise könnte bei weitem nicht so lange andauern, wie von Experten bisher befürchtet, so die gute Nachricht. Klar müsse den Österreichern aber sein, "dass uns schwierige Monate bevorstehen", so Kurz mit einem Ausblick auf den Herbst. Das könne auch zu einem "notwendigen Nachschärfen" bei den Corona-Maßnahmen führen.

Details erwarteten die Zuseher auch beim ORF-"Sommergespräch" von Kurz am Montagabend bei Gastgeberin Simone Stribl im Weingut am Reisenberg. Am 1. Jänner habe er definitiv noch nichts über das Coronavirus gewusst, er habe gerade ein Jahr abgeschlossen, "wo ich das Gefühl hatte, alles erlebt zu haben", so Kurz, der dabei Migrationskrise, Ibiza-Video und Neuwahlen nannte. Das "Schlimmste" sei nun aber die Coronakrise: "Das Coronavirus hat uns alle erschüttert".

Kurz wiederholte aber dennoch, dass es bald wieder "Normalität" in Österreich geben könne. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und er hätte von Beginn an betont, dass Normalität erst durch einen Impfstoff einkehren werde, so die Antwort des Kanzlers darauf, dass Merkel bei weitem nicht so optimistisch wie er sei. Dennoch sei es "absolut realistisch", dass mit einer Impfung im kommenden Jahr eine "ganz andere Situation" herrschen werde.

"Durchhalten, aber es gibt Licht am Ende des Tunnels und das ist gut so."

"Nach all den Gesprächen, die ich im Sommer geführt habe, mit nationalen und internationalen Experten, alle sind sich unisono einig, dass die Forschung an einem Impfstoff und Medikament besser läuft als erwartet und bis nächsten Sommer ein Durchbruch erzielt werden kann", so Kurz. "Durchhalten, aber es gibt Licht am Ende des Tunnels und das ist gut so", sagte Kurz, dem es wichtig ist, Ältere und Risikopersonen schützen zu können.

Impfpflicht wolle er aber keine einführen – es werde sowieso nicht die Frage sein, wer sich nicht impfen lassen wolle, sondern, wer sich anfangs mit den verfügbaren Dosen überhaupt impfen lassen könne. "Wenn sich möglichst viele Menschen impfen lassen, dann ist das was Positives", so Kurz. Auch er werde das tun – nicht, weil er sich sonderlich gefährdet fühle, sondern weil er viel Kontakt mit Menschen habe und diese – auch seinen Vater – schützen wolle.

Doch bis dahin, warnte Kurz erneut, werde der Herbst und Winter schwierig: "Das wird uns allen noch sehr viel abverlangen. Allen, nicht nur der Regierung." Zuvor soll die geplante Corona-Ampel in Österreich starten. Sie werde zeigen, "wie ist die Situation in den unterschiedlichen Gebieten Österreichs, wo sollte man auf der Hut sein – aber welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, das ist eine politische Entscheidung." Steht die Ampel für einen Bezirk auf Rot, werde es dort "mehr als Masken" geben müssen. Am Mittwoch würde die Regierung die geplanten Maßnahmen noch "nachschärfen".

"Das Wichtigste ist, dass die Bevölkerung mitmacht: Abstand halten, soziale Kontakte, die nicht notwendig sind, wieder reduzieren, Maske tragen, wenn Abstand nicht möglich ist. Desto besser werden wir durch diese Zeit kommen."

Kurz bediente wieder die bekannten Appelle: Eigenverantwortung, das Virus ernst zu nehmen und seinen Beitrag zu leisten. 
"Skeptisch" zeigte er sich, was Großveranstaltungen betreffe, hier müsse man die Situation im Auge behalten. Ein Problem seien die "auch durch Reiserückkehrer" steigenden Coronazahlen, insgesamt sei die Situation in Österreich derzeit aber unter Kontrolle. Nun müsse man zusammenhalten.

"Das Wichtigste ist, dass die Bevölkerung mitmacht: Abstand halten, soziale Kontakte, die nicht notwendig sind, wieder reduzieren, Maske tragen, wenn Abstand nicht möglich ist. Desto besser werden wir durch diese Zeit kommen", so Kurz. "Vielleicht" werde es bereits am Mittwoch Verschärfungen bei den Corona-Maßnahmen geben, das wolle der Kanzler aber nicht im Sommergespräch, sondern mit der Regierung verraten.

Wirtschaftlich sei Österreich besser mit der Krise umgegangen als viele andere Länder, so Kurz. Zwar seien schon Hilfen in Höhe von etwa der Hälfte der geplanten 50 Milliarden Euro ausgezahlt worden, es sei aber "noch sehr viel Geld da". "Keine neuen Schulden machen" sei sein Plan gewesen, "wie Ostern und Weihnachten zusammen" sei der Budgetüberschuss gewesen, doch die Hilfspakete seien nun notwendig und richtig. Die kommenden Jahre müsse man nun ein stabiles Wirtschaftswachstum schaffen.

"Ich schließe nichts aus, was ich nicht halten kann."

"Garantie gibts keine", sagte Kurz dazu, ob es nicht wieder Schulschließungen geben werde. "Ich schließe nichts aus, was ich nicht halten kann", so der Kanzler, man werde aber alles tun, damit es nicht dazu komme. Auch wenn es notwendig würde, wolle man zuerst einzelne Schüler absondern oder Klassen schließen und erst im Schritt danach – falls notwendig – die ganze Schule: "So hoffe ich, dass wir durch den Herbst und den Winter kommen." Mehr als drei Wochen Betreuungszeit für Eltern werde es aber nicht geben, so Kurz.

Dass Menschen bei einem Corona-Bonus durch die Finger schauten, stritt Kurz ab: Die Steuerlast sei für alle arbeitenden Menschen gesenkt worden, teils bekämen die Österreicher mehr Geld als bei einer Einmalzahlung möglich gewesen wäre. Auch mit der Angst der Menschen habe Kurz mit seinem Sager, jeder werde jemanden kennen, der an Corona verstorben ist, nicht spielen wollen: "Nein, es war notwendig", so Kurz, "ohne unsere Maßnahmen wäre es anders gekommen". 

"Es war die beste Entscheidung, dass wir den Lockdown früher gemacht haben. Die Pandemie wird Gott sei Dank in absehbarer Zeit auch bewältigbar sein, aber der Herbst und der Winter werden eine Bewährungsprobe", so Kurz. In den Maßnahmen der Regierung fühle er sich mit Blick auf die Todeszahlen der Coronakrise bestätigt. Die Formulierungen der Regierung seien, das gab Kurz zu, "nicht ideal", aber schnell notwendig gewesen: "Wir waren damals in einer Stresssituation."

"Ich war nie ein Berufsnörgler oder Querulant. Werde ich hoffentlich auch nie."

Kurz betonte wiederum, dass die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Verfassungsgerichtshof prüfe. Auch was die Corona-Strafen betreffe, gebe es "klare Regeln" – alle Strafen würden nicht aufgehoben, die nicht rechtmäßigen aber sehr wohl. Beklagt hatte der Kanzler, dass Personalentscheuidungen der ÖVP, aber auch FPÖ, "als etwas Unredliches" angesehen würden. Kurz setze immer auf qualifizierte Personen, man müsse da auch Vertrauen haben.

Verwunderung über seine Kanzler-Rede sehe Kurz nicht: "Viele haben sich eine Einschätzung von mir gewünscht, deshalb bin ich diesem Wunsch gern nachgekommen." Lob gab es schließlich für den Koalitionspartner: Mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) klappe die Zusammenarbeit sehr gut, auch wenn man manchmal anderen Meinung sei. Zu einem Einspieler, wo Kurz als noch sehr junger Politiker erklärte, er wolle kein Querulant sein, sagte Kurz: "Ich war immer ein konstruktiv-kritischer Mensch. Das war immer mein Antrieb. Ich war nie ein Berufsnörgler oder Querulant. Werde ich hoffentlich auch nie."

Den traditionellen Abschluss der "Sommergespräche" stellten die Entweder-Oder-Fragen dar. "Merkel" hieß es bei der Frage Merkel oder Kogler?, "koste es, was es wolle" statt "die sparsamen 4". Als Außenminister sei er auch viel mehr mit der AUA als mit den ÖBB unterwegs und wenn er frei habe, sei er "lieber im Waldviertel" als in Meidling. "Haupl" oder "Ludwig"? Kurz erklärte, das sei kein großes Geheimnis: "ich würde mir eine andere Besetzung wünschen."

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