Bundeskanzler Karl Nehammer (VP) im Heute-Interview
Sabine Hertel
Bundeskanzler Karl Nehammer verlor sich mit seiner ÖVP bei der EU-Wahl am Sonntag auf Platz zwei. Trotz Minus von zehn Prozent, hielten sich die Schwarzen vor der SPÖ – kaum ein Meinungsforscher hätte ihnen das zugetraut.
Entsprechend gut aufgelegt ist der VP-Chef am Dienstag beim "Heute"-Interview im Kongreßsaal des Bundeskanzleramtes. Die Krawatte ist königsblau, Furcht vor Herbert Kickl nach dem ersten bundesweiten Wahlsieg der Freiheitlichen hätte er keine: "Angst ist ein schlechter Ratgeber", so Nehammer.
Video: Der Talk mit Kanzler Nehammer
Nehammer dankt Helfern nach Unwettern
Bevor er über einen schärferen Asylkurs und seine Steuerreform spricht, sei es ihm ein Anliegen, sich bei den Helfern nach den verheerenden Unwettern im Burgenland und in der Steiermark zu bedanken: "Und an die Betroffenen: Sollten die Mittel aus dem Katastrophen-Fonds nicht ausreichend sein, sind wir bereit, die Mittel jederzeit aufzustocken."
"Habe die Botschaft verstanden"
Dann kommt er auf den Wahlsonntag zu sprechen. Mit 24,5 Prozent und Platz zwei hinter den Freiheitlichen endete er für die ÖVP buchstäblich mit einem blauen Auge. Die Freude sei groß gewesen, so Nehammer, weil die Prognosen am Ende falsch gewesen sind, der Abstand zur FPÖ sei "sehr klein, nur 0,8 Prozent". Der VP-Regierungschef: "Ich habe die Botschaft verstanden. Mir ist es wichtig, dass wir den Menschen zeigen, dass wir sie hören und dass wir nicht nur über Probleme reden, sondern sie auch lösen. Ich halte die Politik der Angstmache für falsch."
„Der Kampf gegen illegale Migration muss noch entschlossener, noch klarer geführt werden.“
Karl NehammerBundeskanzler (ÖVP)
Nehammer prüft Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien.
Sabine Hertel
Was er konkret für die kommenden Monate mitnimmt, möchte "Heute" wissen. "Dass die Menschen eben auch ihre Sorge ausgedrückt haben, dass der Kampf gegen die illegale Migration noch entschlossener, noch klarer geführt werden muss. Wir haben schon viele Maßnahmen gesetzt, viele werden noch folgen."
"Null-Toleranz-Politik leben"
Taten wie im deutschen Mannheim, wo ein Islamist einen Polizisten tötete, seien "absolut inakzeptabel". Nehammer möchte "eine Null-Toleranz-Politik tatsächlich leben". In Wien-Favoriten etwa habe man "sofort Sofortschwerpunktaktionen mit der Polizei eingeleitet, um hier massiv dagegen aufzutreten".
Es brauche "internationale Anstrengungen, damit wir Straftäter, die das Recht hier brechen, obwohl sie bei uns Schutz gesucht haben, auch schneller und effizient aus dem Land bringen. Dass der Deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz das jetzt auch unterstützt, ist daher ein Fortschritt. Alleine können wir es nicht schaffen, wir brauchen Verbündete", erklärt der Kanzler.
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Bundeskanzler Karl Nehammer im Interview mit "Heute"-Chefredakteur Clemens Oistric
Sabine Hertel
"Recht und Ordnung"
Dann die Knallhart-Ansage: "Eines muss klar sein: Wer hier in Österreich Schutz sucht und das Recht bricht, hat kein Recht mehr, hier zu bleiben. Der muss wieder gehen. Das müssen wir umsetzen, das haben sich die Menschen in unserem Land, die sich an Recht und Ordnung halten, verdient." Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien würden "gerade geprüft", verrät er "Heute".
Nehammer für Vollzeitbonus
Nach seinem Auto-Gipfel – von manchen belächelt – bleibt der Kanzler dabei: "Das Verbrenner-Aus ist ein Fehler. Es bedeutet nicht mehr Klimaschutz, sondern einen Rückschritt." Wenig abgewinnen kann er auch einer 32-Stunden-Woche, wie von SPÖ-Chef Andreas Babler propagiert. Sie sei "eine Illusion", so Nehammer. "Wir werden die Zukunftsfragen am Wirtschaftsstandort Österreich nicht durch weniger Arbeit lösen. Deshalb möchte ich jene belohnen, die fleißig sind und gerne mehr arbeiten. Vollzeitbonus, Überstundenbesteuerung – Fleiß soll sich sichtbar lohnen! Alte Rezepte aus der Vergangenheit werden die großen Probleme der Zukunft nicht lösen."
"Ich habe schon öfter gesagt: Angst ist generell ein schlechter Ratgeber. Ich bin Amtsinhaber, er ist Herausforderer, das gehört dazu", sagt er zum Kanzlerduell mit Herbert Kickl. Nehammer möchte "die Menschen in einem Wettbewerb der besten Ideen von der Volkspartei überzeugen". Nachsatz: "Bevor wir in den Wahlkampf gehen, habe ich als Bundeskanzler mit meinem Team noch die Aufgabe, mit dem letzte Drittel der kalten Progression Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiter zu entlasten und die Wohnbau-Offensive auf den Boden zu bringen."
Bei der Steuerreform sei es wichtig, "die kleinen Einkommen zu entlasten – wie wir es bisher bereits gezeigt haben". Das Aus der Kalten Progression – "den schleichenden Lohnfraß" – betreffe alle Menschen, die Steuern zahlen und unsere Pensionisten".
Was er zu Herbert Kickls Vorstoß sagt, dass der Erste auch Kanzler werden soll? Nehammer: "Ich werbe um das Vertrauen der Österreicher und gehe davon aus, dass ich Erster werde."
„Ich will das Land gestalten und nicht spalten.“
Der FPÖ-Chef habe sich "radikalisiert" und betreibe Angstmache", biete aber keine Lösungen an. Nehammers Polit-Auffassung: "Ich will das Land gestalten und nicht spalten und bin klar positioniert: Ich mache nicht mit Angstmache Politik."
... und das zu Schwarz-Blau
Dass die SPÖ davor warnt, dass es nach den Wahlen im Herbst Schwarz-Blau geben könnte, kommentiert Nehammer so: "In der Opposition ist der Wahlkampf schon ausgebrochen." Aber strebt er eine Koalition mit den Freiheitlichen an? "Ich möchte wieder Nummer eins werden, um dieses Land weiter anführen zu dürfen. Ich habe aus meiner Sicht bewiesen, dass ich als Bundeskanzler da bin, wenn es schwierig wird, wenn es Krisen gibt. Und wir haben sie gemeinsam gemeistert. Die Österreicherinnen und Österreichern haben gezeigt, dass sie viel stärker sind, als sie sich selbst zugetraut haben. Ich finde, das sollte uns Zuversicht geben."
„Es lohnt sich, zunächst einmal den Wahltag abzuwarten.“
Absage an die 32-Stunden-Woche, ein "Njet" zu neuen Steuern – die Forderung aus seinem Österreichplan seien nur mit der FPÖ umzusetzen, wendet "Heute" ein. Nehammer: "Ich habe gelernt, dass Politik das Bohren harter Bretter ist. Es lohnt sich, zunächst einmal den Wahltag abzuwarten, dann zu sehen, wie sich die Österreicherinnen und Österreicher entscheiden und wem sie den Auftrag geben. Dann beginnen die Verhandlungen. Entscheidend ist, dass die Menschen sehen, wofür man steht, wofür man sich einsetzt.
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