Experte mit Klartext
Kann Babler mit Klassenkampf Kickl gefährlich werden?
SPÖ-Chef Andreas Babler kann durchatmen: Der Parteitag ist geschlagen, er mit einem respektablen Ergebnis wiedergewählt. Wird er jetzt Volkskanzler?
"Can’t stop": Diesen Song der Red Hot Chili Peppers hatte die SPÖ als Einzugsmusik für Parteichef Andreas Babler in die Messe Graz ausgewählt. Der hielt dann eine Stunde lang eine gewohnt emotionale Rede. Ins Visier nahm er dabei vor allem Türkis und Blau: "Wir werden dafür sorgen, dass die Periode der Abrissbirne endgültig vorbei ist und ÖVP und FPÖ nicht mehr dazukommen, noch mehr niederzureißen", versprach er den rund 600 Delegierten. "Wir sind die einzige Kraft, die Herbert Kickl und die schwarz-blaue Abrissbirnenpolitik verhindern kann. Wir sind die einzige Partei, die es möglich macht, unser Land jenseits eines Kanzlers Kickl in eine bessere Zukunft zu führen." Daher stehe im kommenden Jahr eine "Richtungsentscheidung" zwischen "menschenfeindlich oder menschenfreundlich" und zwischen "Ellenbogen oder Herz". Kickl bezeichnete er in Anlehnung an dessen Projekt der Polizeipferde als "Zirkusdirektor" und "Pferdedompteur".
Roter Klassenkampf
Inhaltlich war viel Klassenkämpferisches dabei. Erneut rührte er die Werbetrommel für sein Herzensprojekt von "gerechten Millionärssteuern" ("Schieflage im Steuersystem gerade rücken"). Kämpfen wolle man auch gegen die "profitgetriebene Erderhitzung" und für alle Lohnabhängigen. Diese seien aus sozialdemokratischer Sicht die wahren Leistungsträger. Gerechte Löhne seien eine "Frage des Respekts", so Babler weiter. Ebenso in seinem Repertoire: die Arbeitszeitverkürzung, auch wenn die 32 Stunden Leitantrag nicht explizit festgeschrieben sind. Die Frage zu stellen, wer die Verbesserungen für die Menschen bezahlen solle, sei "unmoralisch", wetterte der SPÖ-Chef. Zum Schluss der Rede gab es Jubel und Standing Ovations.
Zum Jubeln war ihm dann auch bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser. Babler erhielt 88,76 %. Das ist zwar mehr als Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner 2021 (75,3 %). Allerdings ist es auch das zweitschlechteste Ergebnis aller Präsidiumsmitglieder. Nur der Tiroler SPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer erhielt mit 87,39 % weniger. Die größte Zustimmung gab es für Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser mit 98,47 %.
„Bablers 88,76 Prozent sind ein Erfolg und ein sehr ordentliches Ergebnis.“
"Die 88,76 Prozent sind angesichts der Umstände ein Erfolg und ein sehr ordentliches Ergebnis, insbesondere im Vergleich zu seiner Vorgängerin", analysiert Meinungsforscher Peter Hajek im Gespräch mit "Heute". Manche der Vorschläge Bablers würden in der Bevölkerung gar nicht schlecht ankommen. Das zeigte nicht zuletzt auf eine "Heute"-Frage der Woche. Da sprach sich eine relative Mehrheit der Österreicher für die Schaffung legaler Fluchtrouten samt Asylverfahrenszentren an der EU-Außengrenze aus. Trotzdem seien Bablers sozialpolitische Themen "kein Selbstläufer", so Hajek.
Experte: "Bevölkerung sieht Babler nicht als Kanzleralternative"
Der SPÖ-Chef müsse jetzt grundsätzlich an einer besseren Ausgangsposition für die Nationalratswahl im kommenden Jahr arbeiten. Derzeit werde er nämlich "überhaupt nicht" als Kanzleralternative wahrgenommen. In der aktuellen (allerdings fiktiven) Kanzler-Direktwahlfrage im "profil" kommt Babler nur auf 13 %. Kickl liegt bei 20 %, ÖVP-Chef Karl Nehammer auf 16 %. "Babler funktioniert in der SPÖ-Kernwählerklientel, aber nicht darüber hinaus. Daran muss er arbeiten." Hajeks Rat: "Die Selbstverständlichkeit, die er im persönlichen Kontakt oder bei seinen Reden an den Tag legt, bräuchte er auch im politischen Alltag, etwa bei Interviews." Denn da werde er in der Bevölkerung am stärksten wahrgenommen. "Wenn er diesen Sprung schafft, hat er schon viel geschafft."
Nicht nur Begeisterung für Babler
Eines hat der Parteitag jedenfalls gezeigt: Auch wenn sich die Partei am Samstag am Riemen gerissen und Einigkeit demonstriert hat, tragen nicht alle den Kurs Bablers mit. So hatte zuletzt der Linzer Bürgermeister Luger ausrichten lassen, die Forderung, die Inflation per Verfassung zu begrenzen, zeuge von "ökonomischem Unverständnis", er halte daher "gar nichts" davon. Bei der von Babler forcierten Direktwahl des Parteichefs kam massiver Widerstand der Wiener Genossen. Rund die Hälfte der Delegierten aus der Hauptstadt verweigerten dem Antrag dann auch demonstrativ die Zustimmung. Durchgegangen ist er trotzdem. Einer Arbeitszeitverkürzung wiederum steht die burgenländische SPÖ ablehnend gegenüber. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil erschien erst gar nicht mehr zum Parteitag. Und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hat sich ebenfalls aus dem Parteipräsidium zurückgezogen.
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Zum Erfolg verdammt, sonst bleibt nur Van der Bellen
Wenn der Chef nicht einmal alle in der eigenen Partei überzeugen kann, wie will er dann über die begrenzte Kernwählerschicht hinaus Menschen für sein pointiert linkes Programm begeistern und die SPÖ so in jene lichten Höhen führen, von denen die Sozialdemokratie träumt? Geschweige denn erst einen Bundeskanzler Herbert Kickl verhindern, wie er das in Graz angekündigt hat, und selbst am Ballhausplatz einziehen? Das wird wohl nur gehen, wenn er Bereitschaft signalisiert, mit dem – bei vielen in der Partei verhassten – früheren Koalitionspartner ÖVP zusammenzuarbeiten.
Zudem müsste er seine Partei zumindest auf Platz zwei führen. Denn wird sie Dritte, muss man wohl der ÖVP den Kanzlersessel überlassen. Dann kann er nur hoffen, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen sein Versprechen wahrmacht und Herbert Kickl nicht als Regierungschef angelobt. Für Meinungsforscher Hajek sei Bablers Kickl-Ansage "eher nach innen als nach außen gerichtet gewesen. So nach dem Motto: Kommt’s Leute, jetzt gemmas an."