Fussball
Kahn-Rauswurf auf bizarrer Meisterfeier das Hauptthema
Der Meistertitel wird beim FC Bayern vom Rauswurf der Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic überlagert. Doch plötzlich gibt es versöhnliche Töne.
Der Zorn des grollenden Oliver Kahn lag wie ein dunkler Schatten über der Meistersause auf dem sonnigen Marienplatz, da konnte sich "Partymaschine" Thomas Müller noch so sehr als Einpeitscher bemühen. Doch nach einer zweitägigen Schlammschlacht beim FC Bayern, die sogar den dramatisch errungenen elften Titel in Folge zur Nebensache schrumpfen ließ, reichten sich der (Vul-)Kahn und Präsident Herbert Hainer verbal die Hand – auch Uli Hoeneß scheint trotz einer neuen Attacke zur Versöhnung bereit.
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Aus dem "FC Hollywood" soll nach dem heftigen Hauskrach beim turbulenten Titelfinale und einer Chaos-Saison möglichst schnell wieder eine große "Mia san mia"-Familie werden – mit dem neuen Vorstandschef Jan-Christian Dreesen sowie den alten Patriarchen Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge in den Hauptrollen.
Immerhin scheint es zu keinem nachhaltigen Zerwürfnis mit dem ehemaligen Kapitän Kahn, dem der Klub die Teilnahme an den Feierlichkeiten untersagt hatte, gekommen zu sein. "Wir werden uns, wenn alles abgekühlt ist, zusammensetzen und in Ruhe über alles sprechen", sagte der 53-Jährige der "Bild". Zuvor hatte er nach seiner geräuschvollen Entlassung noch emotional vom "schlimmsten Tag" seines Lebens gesprochen.
Obwohl die Situation "gerade nicht einfach ist, überwiegen für mich die vielen großartigen Erlebnisse mit dem FC Bayern bei Weitem die negativen", ergänzte Kahn: "Das wird sich auch durch die Irritationen der letzten Tage nicht ändern."
Da wusste Kahn allerdings noch nicht, dass Hoeneß seine Benennung zum Vorstandschef im "kicker" als "Fehler" bezeichnen würde. Dennoch: "Ich habe großen Respekt vor der Person, als Spieler hat er viel geleistet. Auch wenn er als CEO die Erwartungen nicht erfüllt hat, steht meine Tür für Oliver immer offen."
Hainer war dem aufgewühlten Kahn bereits am Sonntag auf dem Rathausbalkon entgegengekommen. "Wir sind immer bereit" zur Versöhnung, sagte der Präsident im "BR". Kahn sei schließlich "eine Ikone des FC Bayern. Es tut mir unheimlich leid, dass es so auseinandergeht. Ich hoffe, dass er Einsicht hat und wieder zurückkommt."
So oder so: Es waren Pfingsttage, die selbst der krisengestählte FC Bayern in dieser Form noch nie erlebt hat. Patriarch Hoeneß verteidigte das knallharte Vorgehen sogar. "Wir hätten auch bei drei Titeln so gehandelt, die Entscheidung musste so getroffen werden", sagte er.
Dass Jamal Musiala die Münchner mit seinem umjubelten Last-Minute-2:1 in Köln im spannenden Showdown mit Dortmund noch zur Meisterschaft schoss, wäre bei dem ganzen Trubel um die Freistellung von Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic fast untergegangen. Auch wenn Hainer vor den feiernden Fans am Marienplatz von einem "Traum-Wochenende" schwärmte: Für Kahn und Salihamidzic war es ein Albtraum – und für den Rekordmeister ein unwürdiges Schauspiel sowie ein weiteres (Kommunikations-)Desaster.
Hainer und der neue CEO Dreesen sind händeringend bemüht, den Scherbenhaufen zusammenzukehren – mit Hilfe von Hoeneß und Rummenigge. Der ehemalige Boss soll am Dienstag in den Aufsichtsrat rücken. Wichtigste Aufgaben: die Kaderplanung im Sommer und die Suche nach einem neuen Sportvorstand. Hainer versprach eine "große Lösung". Spekuliert wird über Max Eberl (Leipzig) und Markus Krösche (Frankfurt), laut Hoeneß soll bis Weihnachten Zeit sein.
Im Fokus steht auch die Befriedung eines zerrissenen Klubs. Es habe zuletzt "nur noch Egoismen" gegeben, betonte Dreesen, und deshalb "sehr wichtig, wieder Spaß an der Arbeit, Vertrauen zu haben. Da müssen wir wieder hinkommen."
Auch Trainer Thomas Tuchel, dem die unschönen Geschehnisse trotz Meister-Happy-Ends heftig zugesetzt hatten, wünscht sich vor allem eins: "Dass Ruhe einkehrt und wir uns aufs Sportliche konzentrieren könnten." Schmunzelnd fügte er an: "Da haben wir genug zu tun."
Es steht ein Umbruch auf allen Ebenen an, auch im schlecht austarierten Luxus-Kader. Doch wer entscheidet überhaupt über die geplante, millionenschwere Transferoffensive? "Da bin ich auch gespannt", sagte Tuchel: "Wir müssen eine neue Struktur finden. Das geht jetzt los. Es ist wichtig, dass ich mich der Verantwortung stelle."
Selbst der erfahrene Müller, der bei den Bayern (fast) alles erlebt hat, räumte vor rund 20.000 glückseligen Anhängern am Marienplatz ein: "Es war chaotisch und auch ein bisschen negativ. Wir haben einiges zu analysieren, auch als Gesamtverein."
Aber das, fügte Müller launisch an, "interessiert mich heute einen Scheißdreck. Meister san mer!"
Textquelle: AFP (SID)