Wien

Justizanstalt serviert Abendessen um 11 Uhr morgens

Kaum Ausgang, wenig Körperhygiene, "Nachtbeginn" um 14 Uhr: Weibliche Häftlinge üben scharfe Kritik an den Zuständen in der Justizanstalt Josefstadt.

Heute Redaktion
In der Justizanstalt Josefstadt gäbe es zu wenig Ausgang und allgemein zu wenig Bewegungsfreiheit, kritisieren Häftlinge.
In der Justizanstalt Josefstadt gäbe es zu wenig Ausgang und allgemein zu wenig Bewegungsfreiheit, kritisieren Häftlinge.
Bild: picturedesk.com

"Bei uns beginnt die Nacht um 14 Uhr", erzählt eine Inhaftierte in einem Beitrag des Radiosenders "Ö1". Sie ist eine von 80 Frauen, die in der Justizanstalt Josefstadt hinter Gittern sitzt. Vier Frauen üben nun scharfe Kritik an den Zuständen im Wiener Gefängnis.

Vorwurf: 23 Stunden ohne Beschäftigung

Abendessen werde bereits um 13.30 Uhr ausgeteilt, um 14 Uhr sei "Zelleneinschluss", die Beamten übergeben dann an den Nachtdienst. Am Wochenende soll das Essen gar schon um 11 Uhr vormittags kommen. 23 Stunden am Tag sei man ohne Beschäftigung eingesperrt, erzählen die Häftlinge, in der Früh gäbe es eine Stunde "Spaziergang". 

"Das interessiert mich nicht, denn die Männer hängen dann wie Affen am Fenster und brüllen runter", berichtet eine Frau. "Ich bleibe lieber in der Zelle." Bei sechs Stockwerken und vielen Fenstern, die in den Hof blicken, sei es nachts sehr laut. "Männer schreien raus, singen, trommeln gegen die Gitter. Es ist wie im Stadion beim Fußballspiel." Sie mache die Fenster nur um fünf Uhr Früh aus, berichtet die Insassin.

Privatsphäre? Fehlanzeige!

In der Justizanstalt Josefstadt sitzen viele Untersuchungshäftlinge – für die die Unschuldsvermutung gilt. Damit man Aussagen vor Gericht nicht untereinander absprechen könne, könnten sich Häftlinge nicht treffen, so laute die Begründung. Für manche bedeutet das, 23 Stunden mit bis zu zehn anderen Häftlingen in Zellen zu sitzen. Privatsphäre? Fehlanzeige. Die Bewegung komme dabei zu kurz, es gäbe Frauen die bis zu 20 Kilogramm zugenommen hätten, berichten die Inhaftierten. Die vier Interviewpartnerinnen dürfen als Reinigungskräfte arbeiten, dieses Glück haben jedoch nur 30 Prozent aller Inhaftierten. Für den Rest beschränke sich Bewegung auf Gymnastik im Haftraum.

Auch die Möglichkeiten zur Körperhygiene seien mangelhaft: Geduscht werden darf zwei Mal wöchentlich – auch im Sommer. Während der Menstruation gibt es Ausnahmen, allerdings müssen die Insassinnen das den Beamten mitteilen. Nicht jeder wolle das, erklärt man bei der Volksanwaltschaft.

"Straftäter brauchen eine Struktur"

Die Volksanwaltschaft kritisiert die "starren Dienstzeiten" der Justizwachebeamten. Man habe bereits öfter angeregt, den Dienstplan aufzuweichen – bisher ohne Erfolg. Hinzu käme, dass viele Frauen ihre Kinder sehen möchten. Doch Besuchszeiten sind zum größten Teil vormittags und unter der Woche. Ein großes Thema sei laut Gewerkschaft der Personalmangel: Es gäbe zu wenig junge Bewerber und eine drohende Pensionswelle.

In Teilbereichen gäbe es jedoch Verbesserungen, heißt es auch: So werden mittlerweile Frauengruppen oder Bastelgruppen angeboten. Auch Sozialarbeiter oder Psychotherapeuten stünden zur Verfügung. Straftäter, so die Volksanwaltschaft, bräuchten eine Struktur und Tagesbeschäftigung, um eine gute Resozialisierung zu ermöglichen.

Neuer Innenhof in Prüfung

Auf "Heute"-Anfrage heißt es aus dem Justizministerium, flexiblere Dienstzeiten seien seit Längerem ein "zentraler Ansatz bei Reformüberlegungen". Ziel sei es, dass nach 15 Uhr mehr Bedienstete in der Anstalt sind und dadurch eine intensivierte Betreuung der Insassen ermöglicht sowie die Sicherheit gestärkt wird. "In mehreren Justizanstalten wurde bereits ein 'erweiterte Tagdienst' geschaffen, wie beispielsweise in Salzburg, Graz- Karlau, Simmering und Stein. Hier hat ein Teil der Bediensteten einen 12 Stunden-Dienst und geht erst um 19 Uhr nach Hause. Diese Möglichkeiten auch in der Josefstadt zu nutzen, ist Gegenstand weiteren Überlegungen."

Das wäre jedoch nur dann möglich, wenn es mehr Planstellen gibt, die besetzt werden können. In der Josefstadt bestehe das Angebot von Gruppengesprächen zum Erwerb von Kulturtechniken, die Teilnahme an Freizeitgruppen sowie Deutschkurse. Junge Insassinnen könnten an Bildungsmaßnahmen im Schulungszentrum des Jugenddepartments teilnehmen. Für die sportliche Betätigung würden Stepper und Home Trainer zur Verfügung gestellt. Ein möglicher zusätzlicher Innenhof werde derzeit noch geprüft.

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