Ministerin Zadić tatenlos

Justiz, Politik und Medien – Anatomie einer Hetzjagd

Warum landen private, strafrechtlich nicht relevante Nachrichten laufend in Ermittlungsakten? Und warum sieht die zuständige Ministerin tatenlos zu?

Eva Dichand
Schaut den Missständen in der Justiz tatenlos zu: Ministerin Alma Zadić von den Grünen
Schaut den Missständen in der Justiz tatenlos zu: Ministerin Alma Zadić von den Grünen
Helmut Graf, Grafik "Heute"

SZ-Journalistin Alexandra Föderl-Schmid wurde unbarmherzig und gehässig gejagt. Ich kann gut nachvollziehen, wie es ihr gehen muss und möchte meine persönliche Sicht auf moderne mediale Hetzjagden in Österreich schildern:

Der Akt

Vor knapp zwei Wochen hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mehrere tausend Seiten zum Ermittlungsakt genommen. Offiziell ist dieser nur für Beschuldigte und deren Verteidiger einsehbar. Da es aber Dutzende Involvierte in dem Verfahren gibt, haben schon einige Stunden später Anwälte und Lobbyisten Inhalte offensiv diversen Medien angeboten.

Auch über "Heute" und die "Kronen Zeitung" wurden neuerlich absurde Anschuldigungen verbreitet, die unseren Mitbewerbern offensiv als Geschichte angeboten wurden und dankbar aufgegriffen wurden.

Die Anfrage

Wie das Amen im Gebet kam es nämlich zur ersten journalistischen Anfrage seitens des ORF (in Recherchegemeinschaft mit dem "Standard" und dem Podcast "Dunkelkammer" von Michael Nikbakhsh). An der Fragestellung alleine war schon das gewünschte Ergebnis zu erahnen. Es ging um angebliche Interventionsversuche seitens Dr. Tojner bei "Heute" für sein Eislaufprojekt – und: Er wäre gerne Rapid-Präsident geworden. Sowas auch.

Die Antwort

Ich schrieb dem Recherche-Trio via E-Mail das zurück, was ich immer antworte: dass nicht ich, sondern der Chefredakteur – über elf Jahre lang war das Christian Nusser – und sein Team eigenverantwortlich die Zeitung gestalten.

Etwas süffisant merkte ich an, dass "Heute" grundsätzlich unterstützen könne, wen es möchte – nach freiem Ermessen der Redaktion.

Die andauernde Unterstellung

Der in Konkurrenzmedien gebetsmühlenartig wiedergegebene Vorwurf nach käuflicher Berichterstattung ist absurd und bei "Heute" schlichtweg nicht möglich. Ich bin – hochgegriffen – 20 Stunden pro Jahr im Newsroom. Unsere Zeitung produziere nicht ich.

Die Redaktion arbeitet eigenständig. Auch die Staatsanwaltschaft wird diese Tatsache irgendwann zur Kenntnis nehmen müssen.

Das mag in manchen Verlagshäusern anders sein, wo ein- und dieselbe Person Anzeigen verkauft und dann in die Redaktion geht, um Artikel zu schreiben.

Das war, ist und wird bei "Heute" immer anders sein.

Christian Nusser hat in seiner – in der Branche sonst gerne zitierten – Kolumne "Kopfnüsse" wiederholt klargestellt, dass der Redaktion keine Positiv-Berichterstattung für Sebastian Kurz aufgetragen wurde (der Grundvorwurf in der sogenannten "Inseratenaffäre"). Das wurde natürlich von allen anderen Medien totgeschwiegen – ebenso wie seine Replik auf die Eislaufverein-Anfrage.

Die Antwort Christian Nussers auf die Anfrage von ORF, "Standard" und "Dunkelkammer". Sie fiel in der Berichterstattung unter den Tisch.
Die Antwort Christian Nussers auf die Anfrage von ORF, "Standard" und "Dunkelkammer". Sie fiel in der Berichterstattung unter den Tisch.
Grafik "Heute"

Nusser hat allen an der Recherche beteiligten Journalisten geantwortet, dass er Herrn Tojner kaum kenne; weder Tojner noch sein Umfeld hätten je bei ihm interveniert. Er habe auch mit mir nie darüber gesprochen. Weil es den Reportern offenbar nicht ins vorgefasste Bild passte, wurde das Statement von Nusser einfach komplett ignoriert.

Die Lachnummer

Noch bevor der Beitrag im ORF zu sehen war, landeten die gestellten Fragen und meine Antworten auf einer Kabarettbühne in der Kulisse Wien. "Heute", "Krone" und die Familie Dichand wurden durch den Dreck gezogen.

Auf der Bühne saßen Lena Schilling, Sigi Maurer (Grüne) und Henrike Brandstötter (NEOS), die sich vor Lachen die Bäuche hielten.

Die Videos der Inszenierung machten schnell die Runde. Weniger lustig fanden das die denunzierten Journalisten bei "Heute" und "Krone".

Im ORF folgte Stunden später ebenfalls ein Beitrag, in dem mehrmals angemerkt wurde, dass die Vorwürfe keinerlei strafrechtliche Relevanz hätten. In der gesamten dreieinhalbminütigen Berichterstattung fand Nussers erklärende Stellungnahme ebenfalls keine Erwähnung.

Und das in einem öffentlich-rechtlichen Sender, der gerade über 700 Millionen Euro aus Gebührengeldern erhalten hat. Qualitätsjournalismus? Eher zum Fremdschämen.

Ich frage mich schon:

  • WARUM sind private, strafrechtlich nicht relevante Mails in Österreich Teil eines Ermittlungsakts?
  • Und: Was hat so ein Bericht in der ZiB verloren? Wenn es gegen "Heute", "Krone" und die Familie Dichand geht, ist wohl jedes Mittel recht.

Es folgte, was folgen musste: "Der Standard", von dem wir tendenziöse Berichterstattung – getragen von ideologischen Kämpfern – gewöhnt sind, hat mit Cover und mehreren Online-Storys nachgelegt. Christian Nussers eigens übermitteltes Dementi fiel auch hier unter den Tisch. Es war für den Autor "nicht als öffentliches Statement erkennbar".

Wirklich schade, war der "Standard" doch früher eine ernstzunehmende Qualitätszeitung.

Die Akten der WKStA enthalten seitenweise strafrechtlich nicht relevante Informationen. Ein Schelm, wer denkt, das wäre nicht bewusst so gemacht. Die Jagdgesellschaft braucht Ansporn und Ziele.

Am schlimmsten für mich ist, dass die Privatadresse samt meiner Türglocke, Handynummern, die Namen und Geburtsdaten der minderjährigen Kinder sowie streng geschützte Steuerakte OHNE Schwärzung in diversen Aktenteilen kursieren.

Ich bin ja hart im Nehmen, das jedoch gefährdet die Sicherheit meiner Familie.

Wann handelt Alma Zadić?

Man lernt aber schnell dazu: Die österreichische Datenschutzbehörde hat selbst Behörden, Ämter und Beamte in den letzten Jahren verurteilt. Teils mit empfindlichen Strafen und Schadenersatzzahlungen. Meine Anwälte arbeiten bereits an den Anzeigen und Eingaben. Die Strafen betragen bis zu 10 Prozent vom Umsatz des Unternehmens – weit mehr als im Medienrecht.

Da werden sich noch einige wundern. Gesetze gelten schließlich für alle – auch für die Jagdgesellschaft.

Geehrte Frau Ministerin Zadić: Wie lange wollen Sie noch zuschauen, wie ein Rechtsmissbrauch nach dem anderen begangen wird? Wann handeln Sie endlich und setzen den Missständen in Ihrem Verantwortungsbereich ein Ende? Oder sind Gesetze zum Persönlichkeitsschutz außer Kraft gesetzt, nur, weil es die Familie Dichand betrifft …?

Über diese Serie

Wir werden diese Serie so lange auf all unseren Kanälen ausspielen, bis sie einige Millionen Menschen in Österreich gelesen haben. Und das können wir – Heute.at erreicht im Laufe eines durchschnittlichen Monats 3,54 Millionen Menschen (Quelle: ÖWA Jahresschnitt 2023) und 666.000 Leserinnen und Leser pro Ausgabe in Print (Mediaanalyse 2022/23). Dazu kommen 575.000 Follower auf Social Media.
Ja, manchmal wehren sich die Gejagten eben …

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