Politik
Kanzler Kurz zu Lockdown: "Zipft mich auch schon an"
Zum Start des zweiten, harten Lockdowns war Bundeskanzler Sebastian Kurz im Ö3-Wecker zu Gast, um Fragen der Hörer zu beantworten.
Heute geht Österreich in den zweiten harten Lockdown, um damit die Corona-Infektionszahlen, die zuletzt extrem stark angestiegen sind, wieder zu senken. Bis zum 6. Dezember soll dieser Lockdown andauern.
Herausfordernde Wochen stehen uns mit dieser Verschärfung bevor, dazu war Bundeskanzler Sebastian Kurz am Dienstagmorgen live im Ö3-Wecker zu Gast und stellte sich den Fragen der Radio-Community.
Die besten Fragen und Antworten der Kanzler-Sprechstunde
Frage: "Ich habe zwei schulpflichtige Kinder, meine Frau und ich sind im Beruf der Krankenpflege. Wie sollen wir Beruf und Home Schooling unter einen Hut bringen? Wir müssten auch zusätzliche Rechner kaufen, wer bezahlt uns das?"
Kurz: "Die Schulen werden auf Fernunterricht umgestellt, sind aber dennoch für alle geöffnet, die einen Bedarf haben. Die Lehrer sind dort für die Betreuung, aber auch, um mit den Kindern in Kleingruppen durchzugehen, was im Home Schooling zu machen ist. Generell würde ich alle ersuchen - Lehrer, Schüler, Eltern - diese zwei Wochen bestmöglich durchzustehen und nicht allen Stoff reinzupressen, den man sonst in dieser Zeit vermitteln würde."
Frage: Warum wurden die Schulen geschlossen, obwohl viele Experten anderer Meinung sind?
Kurz: "Wenn wir die Ansteckungszahlen nicht runterbringen, dann kommen wir aus dem Teil-Lockdown nicht mehr raus, weil wir nicht mehr öffnen können. Wir haben in den letzten Wochen gesehen, dass der Unterricht schon alles andere als normal war, weil viele Lehrer infiziert oder in Quarantäne waren, es mussten viele Klassen und sogar Schulen geschlossen werden. Es war keine leichte Entscheidung, es ist auch nicht populär. Niemand will etwas zusperren, aber um unser normales Leben zurückzubekommen, müssen wir diese einschneidenden Maßnahmen setzen. Kinder sind nicht infektiös? Das stimmt nicht! Das wurde mittlerweile wissenschaftlich widerlegt. Sie können sich genauso anstecken, sind jedoch häufig asymptomatisch, können jedoch andere anstecken."
Frage: Ich arbeite in einem kleinen Schuhgeschäft. Warum wird dem Handel weniger entschädigt als beispielsweise die Hotellerie? Warum wird nicht jede Branche gleich behandelt?
Kurz: Der Verfassungsdienst hat festgestellt, dass eine gleiche Zahl beim Umsatzsersatz für unterschiedliche Branchen verfassungswidrig, weil unfair, wäre, weil die Margen und die Wiederverkaufsfähigkeit in den Branchen sehr, sehr unterschiedlich sind. Ein Beispiel: Wenn sie jeden Sonntag essen gehen und die Lokale sind für vier Wochen geschlossen, dann gehen sie nach einem Monat nicht doppelt so oft essen oder konsumieren im Wirtshaus doppelt so viel. Wenn sie vorhaben, ein Auto zu kaufen und die Geschäfte sind 14 Tage zu, dann hat das Auto nach den zwei Wochen für den Händler fast denselben Wert und die Masse der Menschen wird sich das Auto genauso kaufen. Deshalb sind die Branchen nicht zu vergleichen."
Frage: Wie viele Lockdowns hält dieses Land noch durch?
Kurz: "Das Wichtige ist, dass die Zeit zwischen den Lockdowns möglichst lange ist. Wir hatten zwischen dem ersten und zweiten Lockdown fast fünf Monate, in denen wir fast uneingeschränkt leben konnten. Die Wirtschaft ist in dieser Zeit auch gut gelaufen. Ein Dauerlockdown ist nicht nur schlecht fürs Gemüt, sondern hätte auch die Wirtschaft zerstört. Jetzt müssen wir möglich schnell möglichst weit mit den Infektionszahlen runter, dann können wir auch wieder aufsperren."
Frage: Ab wann ist der zweite Lockdown ein Erfolg?
Kurz: "Der Lockdown hat dann etwas gebracht, wenn wir es schaffen, dass unsere Spitäler und Intensivstationen nicht übergehen. Darüber hinaus gilt: Je weiter wir mit den Zahlen hinunterkommen, desto stärker können wir am 7. Dezember auch Öffnungsschritte setzen."
Frage: "Ich betreibe ein Reisebüro und darf weiterhin offen halten. Dadurch bekomme ich jedoch keine Entschädigung, muss jedoch weiter Miete etc. zahlen. Warum ist das so?"
Kurz: "Der Grund, warum Geschäfte geschlossen sind und Reisebüros nicht, ist, weil in Österreich zwischen dem Handel und den Dienstleistungen unterschieden wird. Der Einzelhandel ist genauso wie die persönlichen, körpernahen Dienstleistungen geschlossen, weil man sich da nahekommt. Aber ein Automechaniker, ein Schuster oder auch ein Reise- oder Architekturbüro haben geöffnet, weil die Ansteckungsrisiken dort unterschiedlich sind bzw. je mehr wir schließen, desto größer wird der wirtschaftliche Schaden."
"Das Problem bei den Reisebüros ist nicht der Lockdown, sondern dass zu wenige Menschen verreisen wollen oder können. Wir müssen die Reisebüros also wirtschaftlich unterstützen, ganz egal ob diese 2,5 Wochen geschlossen sind oder nicht."
Frage: "Unser Sohn wohnt in Oberösterreich, wir in Osttirol. Wir würden ihm gerne beim Unzug helfen, geht das?"
Kurz: "Natürlich geht das. Meine Empfehlung dabei: Abstand halten, Masken tragen, vielleicht vorab testen lassen."
Frage: "Darf meine private Haushaltshilfe weiterhin vorbeikommen? Sie ist ja keine Vertrauensperson."
Kurz: "Ja, das ist weiterhin möglich."
Frage: "Wann haben Sie zuletzt ihre Eltern und Großeltern gesehen?"
Kurz: "Wenn der Innenminister sagt: 'Uns zipft das schon alle an', dann hat er das recht gut auf den Punkt gebracht. Ich habe meine Großmutter schon sehr lange nicht gesehen, weil sie pflegebedürftig ist. Ich habe tagtäglich mit so vielen Menschen zu tun. Also wenn ich ihr nahekomme, bin ich die größte Gefahr für sie. Mit meinen Eltern hatte ich natürlich Kontakt, jedoch mit Abstand, meist im Freien. Nicht, weil ich überängstlich bin, sondern weil ich mir ausrechnen kann, wie groß die Gefahr ist, dass bzw. wenn ich sie anstecke."
Frage: Was ist der Plan mit den Weihnachtsmärkten?
Kurz: "Unser Ziel ist es, Weihnachten - zumindest im kleinsten Kreis - zu retten. Damit das möglich ist, müssen wir in den nächsten Wochen massiv die Ansteckungszahlen senken. Niemand kann vorhersagen, inwieweit wir das schaffen. Daher ist auch die Planung schwierig. So wie wir die Christkindlmärkte kennen, wird's das nicht mehr geben. Ob es in einer anderen Form möglich ist, das wird sich erst zeigen."
Frage: "Wie schaut's mit Brauchtumsausübung wie Krampusläufen aus?"
Kurz: "Ein einzelner Krampus ist kein Problem. Ich glaube nicht, dass die Polizei ihn stoppen würde (lacht). Auf die privaten Zusammenkünfte müssen wir heuer leider verzichten."
Frage: Österreich ist weltweite Spitze bei den Coronazahlen. Was hat die Regierung falsch gemacht?
Kurz: "Die zweite Welle trifft derzeit viele Länder hart. Vor zwei Wochen war die Situation noch eine andere, wer weiß, wie die Situation in zwei Wochen sein wird. In Israel, aber auch in Tschechien, Slowenien und der Slowakei war ein harter Lockdown notwendig, heute stehen diese Länder besser da als wir. Es ist, was es ist, eine Pandemie. Wenn wir jetzt die Zahlen runterkriegen, müssen wir schauen, dass sie wieder langsam und nicht zu schnell ansteigen - bis zur Impfung 2021."