Politik

Kurz sagt harten Lockdown an: "Treffen Sie niemanden"

Nun wird es ernst: Schon vorab durchgesickert, wurde er am Samstag amtlich: Die Regierungsspitze verkündete den einschneidensten Corona-Lockdown. 

Michael Rauhofer-Redl
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Das "Virologische Quartett" mit Innenminister Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (v.l.n.r.)
Das "Virologische Quartett" mit Innenminister Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (v.l.n.r.)
ROLAND SCHLAGER

Die sich zuletzt immer zuspitzendere Corona-Situation in Österreich hat der Bundesregierung keine andere Wahl gelassen. Um das Infektionsgeschehen wieder eindämmen zu können, verkündet die Staatsspitze rund um Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag den erneuten Total-Lockdown. In groben Zügen ist bereits bekannt, was uns erwarten wird: Ein Schullockdown–trotz Gegenstimmen von Gesundheitsexperten, eine noch strengere Ausgangsbeschränkung und Besuchsverbote in Spitälern. Da allerdings um einige Punkt bis zuletzt gerungen wurde, ist das tatsächliche Maßnahmenpaket noch nicht bekannt. 

Dieses wird das "Virologische Quartett", wie die Ministerriege bestehend aus Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nebst dem Bundeskanzler auf Grund zahlreicher gemeinsamer Pressekonferenzen gennant wird, am Samstag um 16.30 Uhr verkünden. 

Den Anfang macht freilich Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er erklärt, dass "Nachschärfungen" notwendig seien, weil die Zahlen trotz des bisherigen, vergleichsweise sanften, Lockdowns teilweise sogar exponentiell gestiegen seien. Die 7-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei etwa 550, der Zielwert wäre 50. Man liege also bei den Ansteckungen pro 100.000 Einwohner zehnmal über dem Soll-Wert. "Wenn wir nicht massiv reagieren, besteht das Risiko, dass die Zahlen weiter steigen". Das würde zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen. 

Von kommenden Dienstag, 17. November bis einschließlich Sonntag 6. Dezember wird es einen zweiten Lockdown geben.

1. Der Handel wird geschlossen. Ausgenommen sind Güter des täglichen Bedarfs. - Supermärkte, Drogerien, Apotheken, Banken und Poststellen.  

2. Körpernahe Dienstleistungen werden geschlossen. - etwa Friseure, Masseure, Maniküre, etc...

3. Pflichtschulen stellen auf Fernunterricht um. In Kindergärten und Schulen besteht die Möglichkeit der Betreuung, falls dies notwendig ist.

4. Home Office soll überall realisiert werden, wo es möglich ist.

5. Ausgangsbeschränkungen gelten wie im ersten Lockdown. Folgende Ausnahmen: Berufliche Zwecke, Versorgung mit Gütern, Helfen von Anderen, Körperliche Betätigung ("Beine vertreten").

Kurz kündigt an, die Kurzarbeit weiter auszubauen. Unternehmen würden nur Hilfen bekommen, wenn Mitarbeiter nicht gekündigt werden. Nachdem Lockdown sollen die Pflichtschulen und der Handel als erstes wieder geöffnet werden, gibt Kurz den Plan für die Zeit nach dem Lockdown an. "Niemand will, dass die Schulen und der Handel geschlossen sind und die Gastronomie still steht, aber wir müssen diesen Schritt gemeinsam setzen" appelliert Kurz an die Bevölkerung. 

"Wir müssen und wir werden diese bedrohliche Situation meistern, wir werden das Virus besiegen", zeigt sich Anschober optimistisch. Dieser Lockdown sei die letzte Möglichkeit einen Kollaps im Gesundheitssystem zu vermeiden, schlägt der Gesundheitsminister Alarm.

Kogler: "Geht um die Gesundheit von uns allen"

Das Leben werde für die kommenden zweieinhalb Wochen drastisch eingeschränkt. Jeder Österreicher könne mit seinem Verhalten jetzt Leben retten, "vielleicht sogar das eigene, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen", so Kogler. "Es ist echt gefährlich und echt ernst, da gibt es nichts zu rütteln und zu deuteln", so Kogler. Nun brauche es Konsequenz und Geduld, so der Appell von Kogler. "Bleiben Sie bitte zu Hause", richtet der Vizekanzler seinen Wunsch an die Bevölkerung. Nur in den erlaubten Ausnahmefällen sollten die eigenen vier Wände verlassen werden. 

Hinsichtlich der Kindergärten und Schulen sagt Kogler, dass es eine Betreuung und Lernunterstützung vor Ort gebe. Viele werden dies in Anspruch nehmen müssen, ist sich Kogler sicher. Er denke an all jene, die etwa im Lebensmittelhandel tätig seien, aber auch an alle, die im Home Office dringende Erledigungen zu verrichten hätten. 

Für die Wirtschaft sei der neuerliche Lockdown eine "Hiobsbotschaft", weiß der Vizekanzler. Man werde aber "rasch und unbürokratisch helfen", verspricht Kogler und nennt auch für diese Branche einen Umsatzersatz. Er stünde diesbezüglich mit Finanzminister Gernot Blümel im Austausch und unterstütze diesen nach Kräften. 

Als Sportminister rät Kogler zum Sport ausüben im Freien. Allerdings: Alleine oder nur mit Personen aus dem gemeinsamen Haushalt. Man solle sich nicht mit Anderen verabreden, um gemeinsam Sport zu machen. Die Bewegung im Freien sei wichtig für Körper und Seele, so Kogler. 

Anschober: "Diese Welle ist dynamischer und gefährlicher"

Jeden Tag kämen weltweit Hunderttausende Neuinfektionen hinzu, nennt Gesundheitsminister Rudolf Anschober den Ernst der Lage. Die aktuelle Welle ei dynamischer, als die erste. Das sehe man nicht nur in Österreich, sondern auch an unseren Nachbarn. Österreich müsse jetzt die "Notbremse ziehen" um die Zahlen nach unten zu drücken, so Anschober. In Österreich sei die Situation dramatisch. Besonders seit dem 23. Oktober, so Anschober. "Wir sind weitaus nicht dort, wo wir hinmüssen", nennt Anschober die Grüne für die Notwendigkeit des neuerlichen Lockdowns. 

Man wisse, warum die Zahlen gestiegen seien. Im Frühajhr seien die Bewegungen um über 50 Prozent reduziert worden. Das sei dieses Mal, beim Lockdown light, "bei Weitem nicht gelungen". Die Prognose der Experten sagen voraus, dass in der kommenden Woche täglich rund 7.000 Neuinfektionen zu erwarten sind. Aktuell würden 584 Personen eine intensivmedizinische Betreuung brauchen, auch hier sind in den kommenden Tagen Steigerungsraten zu erwarten, bis der Lockdown greift. Anschober zeigt sich überzeugt davon, dass man gemeinsam den Turnaround schaffen werde.

Nehammer: "Es braucht den gemeinsamen Schulterschluss"

Es gebe Berufsgruppen, die seit Monaten im Einsatz stünden und großartige Arbeit leisten würden. Bereits über 190.000 Mal hätte die Exekutive die Quarantänebestimmungen kontrolloert , 6,8 Millionen Grenzkontrollen habe es in den vergangenen acht Monaten gegeben. Auch Polizisten seien Menschen, sie seien nicht die Bösen, die Maßnahmen kontrollieren. Auch Politiker würden mit Problemen kämpfen, wie etwa die Eltern längere Zeit nicht zu sehen, zeigt Nehammer auch die menschliche Komponente aller Beteiligten auf. 

"Wo kann ich meinen Beitrag leisten", appelliert der Innenminister an jeden einzelnen, die Maßnahmen einzuhalten. Das würde darin münden, gemeinsam die Infektionszahlen zu drücken. "Das Coronavirus ist eine Zumutung und eine Belastung. Es zipft jeden an. Das ist uns bewusst", sagt Nehammer. Das Ziel sei aber ein gesellschaftliches Leben, das freudvoll sei. Die Polizei werde an der Seite der Bevölkerung stehen und den Dialog suchen, aber dort durchgreifen "wo es nötig ist", so Nehammer. 

Kirchen werden freiwillig auf Gottesdienste verzichten, erklärte Bundeskanzler Kurz auf Journalistennachfrage. 

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