Politik
Hunderte Ischgl-Infizierte leiden bis heute an Folgen
Das Ischgl-Chaos hat für hunderte Menschen immer noch gravierende Folgen – sie leiden an Long Covid. Der VSV zieht nun gegen die Republik vor Gericht.
Die Tiroler Wintersport-Hochburg Ischgl wurde zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 zu einem weltweiten Corona-Hotspot. Etwa 11.000 Touristen sollen sich hier angesteckt und das Virus zurück in ihre Heimatländer getragen haben. Im Sommer begann eine sechsköpfige internationale Kommission mit der Aufarbeitung des Chaos und des Krisenmanagements des Landes. Ihr Ergebnis: Die Bundesregierung trägt eine Mitschuld.
Amtshaftungsklagen
Abgeschlossen ist die Causa damit aber noch lange nicht – auch nicht für die tausenden Betroffenen. Alleine beim Verbraucherschutzverein (VSV) haben sich über 6.000 Touristen aus aller Welt gemeldet, die sich im Februar und März in Tirol infiziert haben.
Damals habe es ein "Multiorganversagen von Bezirks-, Landes- und Bundesbehörden" gegeben, kritisiert der VSV und zieht deshalb mit Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich vor Gericht. Derzeit seien rund 10 Klagen fertig; im Herbst sollen es hunderte sein.
Long Covid
Viele leiden bis heute an den Folgen der ungehemmten Virus-Ausbreitung in Ischgl, so die Verbraucherschützer. Laut einer Umfrage hatten drei Prozent der infizierten Touristen in Spitälern behandelt werden müssen, 32 Personen sind verstorben. Und: Fünf Prozent sollen bis heute an Symptomen von Long Covid leiden. Damit wären alleine unter den bisher vom VSV vertretenen Menschen 300 Virus-Opfer von den belastenden Spätfolgen betroffen.
Sie leiden an Kopfschmerzen, fehlender Ausdauer, Leistungseinbrüche, Schlafstörungen, Verlust von Geschmacks- und Geruchsinn und Kurzatmigkeit. In einem Fall soll es sogar zwei Schlaganfälle gegeben haben.
"Neben den Todesfällen sind diese Long Covid Symptome schwere Folgen des Behördenversagens," sagt Peter Kolba, Obmann des VSV. "Der VSV unterstützt inzwischen Klagen von deutschen, Schweizer, niederländischen, belgischen und britischen Opfern gegen die Republik Österreich."
Klagen gegen die Republik
Wegen der Pandemie wurden allerdings sämtliche Prozessauftakte, die für 2020 geplant waren, auf unbestimmte Zeit verschoben. "Wir hören, dass angeblich neue Verhandlungstermine erst für den Herbst 2021 geplant sein sollen. Bis dahin werden wir Klage um Klage einbringen", kündigt Kolba an. "Schadenersatzansprüche verjähren binnen drei Jahren. Wir werden jedenfalls alle Ansprüche rechtzeitig vor Ende der Verjährungsfrist einbringen."
Bitte an Kurz
Bereits im September habe er Bundeskanzler Sebastian Kurz schriftlich darum gebeten, die Causa bei einem "Runden Tisch" aufzuarbeiten. Kolba will bis heute keine Antwort erhalten haben: "Wenn diese Regierung keine vernünftige außergerichtliche Lösung anbieten will, dann besteht gute Hoffnung, dass das eine neue Regierung neu bewertet", hofft Kolba auf eine Kehrtwende spätestens mit der Nationalratswahl 2024.
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