Eva Dichand

Macht, Medien, MedUni wie ist es, eine Dichand zu sein?

50 Fragen an Eva Dichand: Mit Star-Interviewerin Conny Bischofberger spricht die Medienmanagerin über "Heute" und "Krone", Kinder und Karriere.

Heute Redaktion
Eva Dichand gewährte Conny Bischofberger ("Krone") ihr bisher umfassendstes Interview.
Eva Dichand gewährte Conny Bischofberger ("Krone") ihr bisher umfassendstes Interview.
Sabine Hertel

Im denkmalgeschützten Palais in der Wiener Walfischgasse ist sie allgegenwärtig. Schon beim Betreten des "Heute"-Verlagsgebäudes sticht mir eines von Eva Dichands Sammlerobjekten, eine überlebensgroße lachsfarbene Rose des spanischen Künstlers Alvaro Urbano, ins Auge. Den Weg in den zweiten Stock säumen Kunstwerke von Dichands Entdeckungen Brigitte Kowanz oder David La Chapelle. Eine Redaktion wie ein modernes Museum. "No One Is Like You" steht auf einem Jeppe Hein in ihrem Büro.

Das große Geburtstagsinterview

Dann erscheint sie. Groß, elegant, mit einem kühlen Lächeln. Österreichs mächtigste Verlegerin trägt ein cremefarbenes Sakko von Chanel, dazu eine schwarze Hose und einen grauen Kaschmir-Rolli. Ringe am Zeige- und kleinen Finger. Sie nimmt im sandgrauen Fauteuil Platz, auf dem Boden steht eine Vase mit roten, gelben und weißen Ranunkeln. "Meine Lieblingsblumen", erklärt sie, "die bringt ein Blumenservice einmal die Woche."

Frau Dr. Dichand, wenn zu Ihrem 50. Geburtstag ein 100-seitiges Magazin erscheint …
Eva Dichand (greift sich an den Kopf) Schrecklich!

… was kann dann zum Hunderter noch kommen?
Dichand: Eine noch bessere und vielleicht bedeutende Kunstsammlung, hoffe ich. Das "schrecklich" hat sich natürlich nicht auf das Magazin bezogen, sondern auf mein Alter. Magazine wird's in 50 Jahren nämlich keine mehr geben. Aber vielleicht eine große Party im Metaverse (lacht).

Warum ist 50 schrecklich?
Dichand: 50 ist eine Zäsur. Aber eigentlich habe ich 30 schon schrecklich gefunden. Ich finde Älterwerden überhaupt schrecklich. Wenn ich lese, dass sich Frauen erst mit 50 in ihrem Körper so richtig wohlfühlen und dieses ganze Blabla, dann denke ich mir immer: Ich habe mich auch mit 20 oder 30 in meinem Körper wohlgefühlt. Und 100 möchte man sowieso nur werden, wenn man auch noch hundertprozentig gesund ist.

Apropos Kunstsammlung: Wie viele Bilder hängen hier im Haus?
Dichand: 50. Vielleicht sind es auch schon 100. Am Anfang haben meine Leute komisch geschaut. Dann sind sie gekommen und meinten, sie hätten auch gerne was für ihr Zimmer. Ich finde das schön. Hinter mir, das ist ein Alvaro Barrington. Amerikanischer Superstar. Beschäftigt sich mit Rapkultur. Das Kunstwerk ist aus Beton. Innen ist es zwar hohl, aber es hat doch ganz schön viel Gewicht, und es war schwierig, das hier reinzubekommen. Und der da drüben ist ganz berühmt. Amoako Boafo, er war auf der Akademie, Artist in Residence, hat den Strabag-Preis gewonnen und ist jetzt ein internationaler Shootingstar. Den könnte ich mir jetzt gar nicht mehr leisten. Das Bild mag ich besonders gern. Es erinnert mich ein bisschen an Schiele.

"50 ist eine Zäsur. Aber eigentlich habe ich 30 schon schrecklich gefunden."
Gute Laune beim Interview mit Conny Bischofberger (r.). Hinter Eva Dichand: "Date Night Bobby Zoom" von Alvaro Barrington
Gute Laune beim Interview mit Conny Bischofberger (r.). Hinter Eva Dichand: "Date Night Bobby Zoom" von Alvaro Barrington
Sabine Hertel

Was macht die Kunst mit Ihnen?
Dichand: Sie beflügelt und regt zum Reflektieren an. Es macht einfach Freude, Bilder anzuschauen. Es gibt übrigens ganz viele Verleger, die sammeln und das dann in den Verlagsgebäuden aufhängen. Michael Ringier in der Schweiz oder Burda in München zum Beispiel. Und ich bin ja durch meinen Mann in eine Sammlerfamilie gekommen. Der ist halt auf einem Hoffmann-Stuhl gesessen und jeden Tag an einem Kokoschka vorbeigegangen. Heute fehlt ihm die Zeit zum Kunstsammeln. Das mache fast ausschließlich ich.

Welches Bild möchten Sie noch gerne besitzen?
Dichand: Wenn ich ohne Einschränkungen wählen könnte: einen Henry Matisse oder einen tollen Picasso. Oder einen großen Alexander Calder. Mittlerweile besitze ich zumindest etwas Kleines von Alexander Calder. Meine Lieblingskünstlerin ist Miriam Cahn. Eine ältere Dame, Schweizerin, hat zuletzt im Kunsthaus in Bregenz ausgestellt. Sie beschäftigt sich mit Flüchtlings- und Frauenthemen. Ihre Kunst ist sehr politisch.

Stimmt das Bild, das sehr viele von Ihnen haben: reich und schön, mehrere Nannys, bringt Kinder und Karriere spielend unter einen Hut?
Dichand: Reich und schön, das klingt ein bisschen wie Grasser (lacht). Na ja, um so einen Beruf auszuüben und so ein Leben zu führen, braucht man schon viel Hilfe. Jetzt habe ich übrigens keine Nannys mehr. Man feiert den Tag, an dem man keine Nannys mehr braucht, glauben Sie mir! Da braucht man dann nur noch Nachhilfelehrer und solche Sachen. Was war die Frage?

Ob es stimmt, dass Sie Kinder und Karriere, auch weil genug Geld da war, leicht vereinbaren konnten?
Dichand: Die Leute sehen nur den Glamour. Die sehen nicht, dass ich den ganzen Tag hier hocke. Dazu kommen die vielen Veranstaltungen, die in der Medienbranche dazugehören. Das gilt auch für meinen Mann. Bei uns war unter der Woche nie jemand zu Hause, teilweise nicht einmal am Wochenende. Bei den ersten beiden Kindern bin ich nach ein paar Tagen schon wieder ins Büro gegangen. Würde ich noch einmal auf die Welt kommen, würde ich das nicht mehr machen. Jetzt studiert unser Ältester, und alle sind aus dem Gröbsten heraußen, wie es so schön heißt. Jetzt beginnt das Leben!

"Ich habe immer gerne mit Männern gearbeitet. Frauennetzwerke sagen mir nichts."

Sie waren oft und sind bis heute die einzige Frau in sehr männerdominierten Branchen. Hatten Sie es da als Frau leichter oder schwerer?
Dichand: Ich habe immer gerne mit Männern gearbeitet. Diese ganzen Frauennetzwerke sagen mir nichts, ich finde alles, was gemischt ist, besser. Am Anfang, als ich von der Finanz- in die Medienbranche kam, saßen immer dieselben deutlich älteren Männer mit mir in Fernsehdiskussionen: Thurnher, Bronner, Wrabetz, Pirker, Rainer. Mich wollten sie natürlich anrennen lassen. Wobei alle, bis auf den Bronner, eigentlich persönlich ganz nett zu mir waren. Wenn du eine Frau bist und 20 Jahre jünger, hast du schon auch Vorteile. Bei meiner ersten ORF-Diskussion ist ein netter Kameramann, ein älterer Herr, zu mir gekommen und hat mir ins Ohr geflüstert: Frau Dichand, im Fernsehen ist 90 Prozent Optik! Schauen Sie sich um, Sie werden das ganz super machen!

Aussehen hilft also?
Dichand: Na ja, wenn du dann nur Blödsinn redest, hilft es natürlich nicht. Wir haben gerade ein paar Politikerinnen, die das beste Beispiel dafür sind. Am Anfang bin ich belächelt worden. Als wir dann mit "Heute" so schnell erfolgreich geworden sind – wir hatten ja nach zwei, drei Jahren schon 25 Prozent Reichweite und haben das investierte Geld bald zurückverdient –, da sind die Stimmen verstummt.

Haben Sie Ihre Sonderstellung in der Branche genossen?
Dichand: "Genossen", ich weiß nicht. Ich hatte eigentlich nie in meinem Leben das Gefühl, dass ich einen Vorteil als Frau gehabt hätte. Aber auch keinen Nachteil. Ich mag das nicht, dieses "weil ich eine Frau bin". Heutzutage kannst du alles, man muss nur wollen.

"Es gibt niemanden, der nur 20 Stunden arbeitet und erfolgreich ist. Die Wenigen, die es schaffen, hackeln halt 60 Stunden."
Cremefarbenes Sakko von Chanel, dazu eine schwarze Hose und einen grauen Kaschmir-Rolli: der Office-Style von Eva Dichand
Cremefarbenes Sakko von Chanel, dazu eine schwarze Hose und einen grauen Kaschmir-Rolli: der Office-Style von Eva Dichand
Sabine Hertel

Das klingt nicht sehr feministisch, denn Frauen verdienen noch immer weniger als Männer, sind noch immer hauptverantwortlich für Kinder, haben dadurch noch immer Nachteile bei ihrer Karriere.
Dichand: Schauen Sie, man kann Dinge nur selber ändern. Wenn man das Gefühl hat, ich kriege zu wenig Geld, muss man sich wehren. Wenn man das Gefühl hat, ich werde diskriminiert, muss man sich auch wehren. Für viele ist es auch eine Ausrede, weil sie halt gerne wo sein würden, wo sie nicht sind.

Und warum ist das so?
Dichand: Was ich schon gefragt wurde, warum es so wenig Frauen in Aufsichtsräten gibt! Es ist ganz einfach: Wenn du zweimal drei Jahre zu Hause bleibst bei den Kindern, ist das super, das würden sich auch viele Männer mit 30 wünschen. Aber dann darfst du dich nicht wundern, wenn der 30-Jährige, der in der Zwischenzeit durchgearbeitet hat, vor dir ist. Das ist eine Realität. Es muss aber auch nicht jede Frau eine Karrierefrau werden.

Viele Frauen können es sich aber gar nicht aussuchen.
Dichand: Warum so viele Frauen nicht durch die gläserne Decke kommen, ist auch, weil es bei uns einfach keine funktionierende Kinderbetreuung gibt. In Wien hieß es ja immer, jeder bekommt einen Kindergartenplatz. Wir haben uns bei "Heute", da waren meine Kinder noch klein, einmal den Spaß gemacht und das gecheckt. In 38 Kindergärten gab es keinen Platz. In nordischen Ländern ist das viel besser. Da können es sich die Frauen aussuchen, ob sie schneller wieder arbeiten wollen oder lieber länger zu Hause bleiben. Im Übrigen sollte private Kinderbetreuung auch steuerlich absetzbar sein.

Das ist für viele ein Luxusproblem.
Dichand: Dessen bin ich mir bewusst. Ich habe einen sehr wohlhabenden Mann geheiratet, der hat einfach die Kinderbetreuung gezahlt, weil er es super findet, was ich mache. Er hat mich am Anfang meiner Karriere sehr unterstützt, nicht nur finanziell. Ich hatte auch das Glück, dass er sich auch selbst immer tatkräftig um die Kinder gekümmert hat.

Feinde? "Ignorieren."

Im Magazin "Biber" haben Sie einmal verraten, wie viel das gekostet hat. Eine Million Euro in zehn Jahren?
Dichand: Vielleicht habe ich das gesagt, aber ich glaube, es war weniger, pro Jahr vielleicht 70.000 Euro. Wahnsinnig viel Geld! Wenn du das nicht hast und gleich viel verdienst, wenn du zu Hause bleibst, ist das schon schwieriger. Und natürlich haben Frauen viel Druck, wenn sie Kinder haben. Aber auch junge Männer haben viel Druck, wenn sie erfolgreich sein wollen. Kinder und Job und Karriere funktioniert eigentlich nur, wenn auch der Partner mitmacht.

Was würden Sie jungen Frauen raten?
Dichand: Zwei Dinge: Unabhängig bleiben und etwas Interessantes auch abseits der Kindererziehung machen. Das muss nicht unbedingt eine Karriere sein, man kann sich auch sozial engagieren oder für Tiere oder Kunst. Und sie sollen sich vor allem bewusst sein, dass es niemanden gibt, der nur 20 Stunden arbeitet und erfolgreich ist. Das gibt es weder bei Männern noch bei Frauen. Und das sehen eben viele nicht. Dass die Wenigen, die es schaffen, halt 60 Stunden hackeln.

Gerade der Generation Z ist aber die Work-Life Balance sehr wichtig. Verstehen Sie diese jungen Menschen?
Dichand: Also für Arbeitgeber ist das ganz mühsam, denn die Leute wollen für sehr gut bezahlte Jobs dann nur 30 Stunden arbeiten. Man fragt sich, wie die mit diesem Gehalt überleben. Andererseits diskutiere ich das manchmal mit Freundinnen, und wir sagen dann: "Na, vielleicht machen die das richtig. Die laufen nicht im Hamsterrädchen so wie wir!" Ich stamme noch aus einer Generation, die mehr verdienen will, die ein Ferienhaus will, und dann willst du noch was anderes. Aber die wollen das alles gar nicht und sind vielleicht glücklicher.

"Mein Mann hat eine unglaubliche Großzügigkeit. Er unterstützt mich und freut sich über meinen Erfolg."
Eva Dichand ist seit 2002 mit "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand verheiratet. Die beiden haben drei Kinder.
Eva Dichand ist seit 2002 mit "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand verheiratet. Die beiden haben drei Kinder.
Sabine Hertel

Ihnen ist 2000 Christoph Dichand, heute Chefredakteur der "Kronen Zeitung", begegnet. Er hat diesen Moment einmal so beschrieben: "Als ich sie sah, wusste ich, dass ich sie heiraten werde. Ihr fröhliches Auftreten hat mir einfach gefallen. Ich wusste, dass mir mit ihr nie langweilig wird." Wie war das bei Ihnen?
Dichand: Wir haben uns bei der Probe für eine Hochzeitseinlage von Freunden in einem Fernsehstudio kennengelernt. Das war ein Remake der Sendung "Zur Sache". Er spielte den Interviewer, und ich war einer der Gäste. Da ist ziemlich schnell der Funke übergesprungen.

Hochzeit war 2002, seither tragen Sie einen großen Namen. Wie ist es, eine Dichand zu sein?
Dichand: Ich werde oft gefragt, ob dieser Name Türen öffnet. Ja, zuerst öffnet er Türen, aber dann musst du da hineingehen und dich auch beweisen. Jemand hat einmal gesagt: Wenn Sie einen Bäcker geheiratet hätten, dann würden Sie heute die größte Bäckerei Österreichs besitzen (lacht). Als eine Dichand kriegst du aber auch gleich einen Haufen Feinde mitgeliefert. Es gibt Leute, für die "Dichand" automatisch ein Feindbild ist. Aber das ist eigentlich eine aussterbende Generation. Die leben noch in einer Zeit, in der es links und rechts und gut und böse gab. Und wir sind halt böse.

Wie gehen Sie mit Feinden um?
Dichand: Ignorieren. Da gibt es einen schönen Spruch: "The dogs keep barking, but the caravan moves on."

Sie wurden dann praktisch über Nacht zur Verlegerin. Haben Sie sich das einfach zugetraut?
Dichand: Ja, wenn ich mir das im Nachhinein überlege, war das fast größenwahnsinnig. Aber ich bin kein Mensch, der lange zögert. Ich entscheide sehr schnell. Und dann hat man auch so eine Energie, wenn man so jung ist. Man lässt sich eigentlich von nichts aufhalten. Mein Schwiegervater meinte: "Gratiszeitungen sind das Geschäftsmodell der Zukunft."

Welche Erinnerungen haben Sie an Hans Dichand?
Dichand: Er war ja ganz anders, als sich das viele Leute vorgestellt haben. Sehr ruhig und bescheiden. Er ist in Restaurants immer gerne im Eck gesessen. Für mich war er nicht der große Zeitungsmacher, sondern einfach der Schwiegervater. Ich glaube, die Art, wie ich mit ihm umgegangen bin, hat ihm gefallen. Ich erinnere mich an viele hochinteressante Gespräche. Er war dann relativ stolz auf mich. Denn es ist ja so: Mein Mann hat etwas Großes geerbt und muss seinen Spitzenplatz auf dem Markt verteidigen, er ist ja in der viel schwierigeren Position. Während ich etwas Neues, Kleines groß gemacht habe. Mehr Umsatz, mehr Leser, das hat meinem Schwiegervater imponiert. Als sein erstes Enkelkind auf die Welt kam, hat er die Hände hochgerissen, so eine Freude hat er gehabt.

"Eine Zeitung muss Herz haben. 'Heute' hat Herz."
Kunstvoll: Eva Dichand im Verlagshaus von <em>"Heute"</em> vor "Between Us Space (4)" von Tobias Pils (l.) und "gehenmüssen" von Miriam Cahn
Kunstvoll: Eva Dichand im Verlagshaus von "Heute" vor "Between Us Space (4)" von Tobias Pils (l.) und "gehenmüssen" von Miriam Cahn
Sabine Hertel

Ist der berufliche Erfolg zwischen Ihnen und Ihrem Mann ein Thema?
Dichand: Nein, ich muss ehrlich sagen, dass mein Mann eine unglaubliche Großzügigkeit hat. Er ist in wirklich große Fußstapfen getreten. Trotzdem unterstützt er mich und freut sich über meinen Erfolg, ist stolz darauf, dass ich das mache.

Ihr ältester Sohn studiert jetzt in Boston. Wird er einmal Ihr Nachfolger oder der Nachfolger Ihres Mannes?
Dichand: Hoffentlich keins von beidem! Meine Kinder müssen überhaupt niemandem nachfolgen, die sollen ihren eigenen Weg gehen, und ich investiere dann vielleicht in ihre Unternehmen (lacht). Ich weiß im Übrigen gar nicht, ob es noch Zeitungen geben wird, wenn die zwei Jüngeren so weit sind.

Könnten Ihre Kinder auch Klima­kleber werden?
Dichand: Vielleicht werden sie eh Klimakleber. Ich hoffe aber, dass sie irgendetwas Intelligenteres machen, um das Klima zu retten, als sich wo anzukleben. Vielleicht werden sie berühmte Forscher und finden endlich etwas Taugliches, das Kohlendioxid umwandeln kann.

Haben es Kinder von so erfolgreichen und bekannten Eltern schwerer?
Dichand: Nur, wenn sie ins Familienunternehmen gehen, kann es schwierig sein. Nicht, wenn sie etwas Neues machen. Ich glaube, sie werden etwas Neues machen.

"Tageszeitungen werden sterben. Sie werden nicht mehr finanzierbar sein."
Eva Dichand transformiert derzeit den Erfolg von <em>"Heute"</em> mit <em>Heute.at</em> ins digitale Zeitalter.
Eva Dichand transformiert derzeit den Erfolg von "Heute" mit Heute.at ins digitale Zeitalter.
Sabine Hertel

Apropos Zeitungssterben: Sie haben dem "Standard" 2017 noch fünf, dem "News" noch drei Jahre gegeben. Beide leben noch. Wollen Sie Ihre Prognose revidieren?
Dichand: Mittlerweile bekommt der gesamte Markt ja sehr hohe Förderungen, daher verlangsamt sich das Zeitungssterben. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sehr viele Zeitungen – sagen wir in wenigen Jahren – von Montag bis Freitag nicht mehr erscheinen werden.

Auch die "Krone"?
Dichand: Die Massenmedien natürlich als Letztes, weil sie für die Werbewirtschaft noch immer interessant sind. Aber auch die wird es wahrscheinlich mit diesem wahnsinnig aufwendigen Vertrieb so in einigen Jahren nicht mehr geben. Ich glaube, die Zukunft der Zeitung, und das wird ganz schnell kommen, werden Wochenendausgaben sein. Und von Montag bis Freitag wird es das Medium nur online geben. Man sieht das in den USA. Dort liest die Generation meiner Mutter die Zeitung nur noch auf dem iPad.

Also wird die Tageszeitung sterben?
Dichand: Ja. Das wird nicht finanzierbar sein.

Und der ORF?
Dichand: Der ORF ist vor allem online ein nahezu unüberwindbarer Konkurrenz-Koloss geworden, da er auf Ressourcen zurückgreifen kann, die sonst niemand am Medienmarkt hat. So schöpft er online den Werbemarkt stark ab. In fast allen Ländern Europas dürfen die Öffentlich-Rechtlichen praktisch keine Werbung schalten. Bei uns ist das de facto ohne jegliche Einschränkung möglich. Man hat auch nicht das Gefühl, dass beim ORF irgendwo gespart wird, ganz im Gegenteil. Und die so hochgehaltene politische Unabhängigkeit ist, wie die Vorgänge in Niederösterreich gezeigt haben, auch nicht so, wie sie sein sollte. Aber der ORF wehrt sich seit Jahren sehr erfolgreich gegen Reformen, das wird sich auch so schnell nicht ändern.

Warum ist "Heute" besser als "Österreich"?
Dichand: Wir sind nicht so dreckig, wir sind nicht so laut. "Österreich" hat das Niveau im Journalismus tief nach unten gedrückt. "Heute" setzt verstärkt auf positive Berichterstattung. Mein Schwiegervater hat immer gesagt: "Eine Zeitung muss Herz haben." "Heute" hat Herz.

Vienna? "Beautiful, safe and boring."

Sie haben 2018 die Mehrheit an die Schweizer Tamedia verkauft, was war der Grund?
Dichand: Der Grund war ein strategischer. Es ist gut, einen starken internationalen, börsennotierten Partner zu haben. Ich halte an Print und Online weiterhin je 25 Prozent.

Hat sich Ihr Leben seit dem Ausstieg verändert?
Dichand: Ich bin mehr in Paris, dort kenne ich viele Künstler und Designer, die zu Freunden geworden sind. Das ist mein Happy Place. Ich verbringe öfter die Schulferien mit den Kindern in der Schweiz, weil ich mehr Freizeit habe. Aber meistens bin ich in Wien. Das wirkt nur auf Instagram so, als wäre ich immer an einem schönen anderen Ort.

Sie waren auch ein Jahr lang in New York. Ist das auch ein Happy Place für Sie?
Dichand: Damals waren die Kinder noch kleiner, und für Kinder ist New York ein besonders schlechter Ort. Dort ist alles ein Kampf – vom Termin im Fitnessstudio bis zum Tisch im Restaurant. Nicht zu vergleichen mit Wien.

Was ist Wien für Sie?
Dichand: Wenn ich sage, dass ich aus Wien komme, sagen immer alle: "Ah, so beautiful!" Ich antworte dann immer: "Beautiful, safe and boring." Mittlerweile ist es auch nicht mehr so safe. Aber für das Familienleben mit Kindern und Hund hat Wien eine Lebensqualität wie kaum ein Ort auf dieser Welt.

Sponsion: Eva Dichand mit ihren Eltern. Sie wuchs in behüteten Verhältnissen in Graz auf.
Sponsion: Eva Dichand mit ihren Eltern. Sie wuchs in behüteten Verhältnissen in Graz auf.
privat

Sie sind Grazerin, angeblich streng konservativ aufgewachsen. Stimmt das?
Dichand: Ja, ich bin relativ behütet am Ruckerlberg in einem sehr schönen Haus aufgewachsen. Mein Vater war Zivilingenieur, die Mutter Apothekerin. Ich bin bis 18 genötigt worden, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Wenn ich Pech hatte, auch am Samstagabend. Das war als Teenager noch schlimmer. Erzogen wurde ich nach dem Leistungsprinzip. Für meine Eltern war es selbstverständlich, dass man im Leben etwas leisten muss. Obwohl sie im Grund sehr wertkonservativ waren, haben sie mich immer auch Toleranz gelehrt.

Wie haben Sie sich abgenabelt?
Dichand: Indem ich nach Wien studieren gegangen bin. Dafür habe ich mir eine Studienrichtung gesucht, die es in Graz nicht gab: Handelswissenschaften. Das war schon knapp an der Schmerzgrenze, aber ich hab’s gemacht, damit ich ausziehen kann. Meine Eltern gaben mir eine kleine Wohnung und 6.000 Schilling im Monat. Damit bin ich super über die Runden gekommen und habe in Rekordzeit studiert.

Macht Geld eigentlich glücklich?
Dichand: Ich kenne so viele reiche Leute, die nicht glücklich sind. Nein, Geld macht nicht glücklich. Geld macht unabhängig.

Und in Verbindung mit einem Medium auch mächtig?
Dichand: Man selbst empfindet es ja nicht so. Du triffst natürlich dauernd Politiker, und beim ersten Infrastrukturminister bist du vielleicht noch aufgeregt, aber mittlerweile habe ich Hunderte Minister und auch viele Kanzler getroffen. "Heute"  wurde 2004 gegründet, da war Wolfgang Schüssel noch im Amt. Karl Nehammer ist, wenn man Brigitte Bierlein mitrechnet, mein achter Bundeskanzler.

"Faymann kannte ich am besten": Eva Dichand 2013 mit dem damaligen Kanzler in der Industriellenvereinigung
"Faymann kannte ich am besten": Eva Dichand 2013 mit dem damaligen Kanzler in der Industriellenvereinigung
Helmut Graf

Welcher stach besonders hervor?
Dichand: Am besten kannte ich Werner Faymann, schon als er noch Wiener Wohnbaustadtrat und später Infrastrukturminister war – er war ja fast acht Jahre Kanzler. Die Halbwertszeit in der Politik ist ja deutlich kürzer geworden. Hervorgestochen hat auf eine gewisse Art schon Kurz. Ich muss ehrlich sagen, dass ich am Anfang kritischer war als mein Mann. Es war für mich dann aber faszinierend zu sehen, wie viele Leute, auch in meinem privaten Umfeld, sich plötzlich für Politik interessiert und eingesetzt haben. Kurz hat wirklich mobilisiert.

Jetzt wird gegen ihn wegen Korruption ermittelt. Wie wird das ganze Ihrer Meinung nach ausgehen?
Dichand: Ich denke, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wird alles daran setzen, dass Kurz angeklagt wird, sonst würden sie sich ja lächerlich machen. Man sollte hundert Leute mehr dort hinsetzen, statt jeden Monat eine neue Sau durchs Land zu treiben. Es müsste auch viel mehr Datenschutz geben. Dass in Österreich private Textmessages an die Öffentlichkeit gehen, ist ein Wahnsinn. Die sollen Hausdurchsuchungen machen und Handys kassieren, die sollen die Leute anklagen und von mir aus auch verurteilen. Aber diese extreme Stimmungsmache ist ganz schlecht für unser Land.

Wie würden Sie den Zustand beschreiben?
Dichand: Alles ist so wahnsinnig aggressiv geworden. Es gibt keinen Diskurs mehr, alles rückt aus der Mitte weg an die rechten und linken Ränder. Eine erschreckende Entwicklung. Ich lese gerade Karl-Markus Gauß. Er beschreibt, dass er auf einem Friedhof an dem Teil für Lesben vorbeigeht und macht sich lustig darüber, dass es immer mehr selbstdefinierte Minderheiten gibt und immer weniger Mehrheit.

"Ich liebe meinen Hund."
Ende einer langen Interviewreise: Eva Dichand und Conny Bischofberger lassen "To Be Titled" von Donna Huanca auf sich wirken.
Ende einer langen Interviewreise: Eva Dichand und Conny Bischofberger lassen "To Be Titled" von Donna Huanca auf sich wirken.
Sabine Hertel

Hat sich die Society in den letzten Jahrzehnten eigentlich verändert?
Dichand: Ich sehe mich nicht wirklich als Part der österreichischen Society. Ich verabscheue auch Small Talk. Das ist "lost time." Wir machen immer weniger. Salzburger Festspiele und ein paar Neueröffnungen, that’s it.

Wie gehen Sie heute mit Stress um?
Dichand: Ich versuche, Work und Life auseinanderzuhalten. Früher habe ich extrem viel gearbeitet, viele Jahre sicher 60 Stunden und mehr pro Woche. Jetzt habe ich normale Arbeitszeiten und mehr Life. Ich tue auch eine Menge für die Fitness. Ich mache relativ viel Sport, ernähre mich gesund, lebe also einigermaßen ausgeglichen. Und ich habe gelernt, zu delegieren, vieles abzusagen, sonst gehst du unter!

Nach welchen Kriterien gehen Sie da vor?
Dichand: Neben dem Tagesgeschäft mache ich eigentlich nur noch Sachen, die mit Kunst zusammenhängen, die mir oder dem Unternehmen was bringen. Außer die Medizinische Universität, das ist eine Ausnahme. Da steckt mein Herzblut drin.

Dort sind Sie Uni-Rätin. Warum ist Ihnen das so wichtig ?
Dichand: Ich bewundere diese tollen Ärzte und Forscher, die besessen davon sind, anderen Menschen zu helfen und mit ihrer Arbeit etwas für die Gesellschaft beizutragen.

Wo ist eigentlich "Mister Cupcake" heute? Postet er grade was auf Instagram?
Dichand (lacht) Wahrscheinlich. Der ist zu Hause geblieben, bei der Haushälterin. Wir wohnen ja praktisch ums Eck. Aber wir gehen jeden Morgen gemeinsam mit einer Freundin spazieren. Ich liebe meinen Hund.             

Medienmanagerin, Kunstsammlerin, dreifache Mutter
Eva Dichand wurde 1973 in Graz als Tochter eines Zivilingenieurs und einer Apothekerin geboren. Sie wuchs in behüteten Verhätnissen mit ihrem Bruder am Ruckerlberg auf, übersiedelte nach der HTL-Matura für ein Studium der Handelswissenschaften nach Wien. 2002 heiratete sie den späteren "Krone"-Chefredakteur Christoph Dichand. Über ihn kam die Investment-Bankerin zum Medienbusiness, wurde Geschäftsführerin und Herausgeberin der Tageszeitung "Heute", welche sie zusammen mit Wolfgang Jansky zur größten Tageszeitung Wiens machte. Gemeinsam mit Christoph Dichand hat sie drei Kinder (Jg. 2004, 2007 und 2009) und lebt in Wien, Gstaad und Paris. 2010 wählte das World Economic Forum Eva Dichand zum "Young Global Leader". Die leidenschaftliche Kunstsammlerin ist stellvertretende Aufsichtsrätin der Albertina und Vorsitzende des Universitätsrates der MedUni Wien.

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