Ukraine
Heeres-General macht im ORF Horror-Ansage für Ukraine
Die Ukraine führt ihre Gegenoffensive weiter, könnte aber schon bald ein massives Problem bekommen, warnt Generalmajor Bruno Hofbauer.
Jewgeni Prigoschin und seine Wagner-Söldner haben mit ihrem "Marsch der Gerechtigkeit" auf Moskau am Samstag weltweit für Aufruhr gesorgt. Selbst im Kreml kam es zu Panikreaktionen, Wladimir Putin selbst bezeichnete seinen langjährig treuen Mann fürs Grobe plötzlich als Verräter und sprach von einem "Dolchstoß" in den Rücken – ehe er diesem dann nach dem überraschenden Ende des Aufstands sogar Straffreiheit zusicherte.
Nach seinem Abzug aus dem bis dahin Wagner-besetzten Rostow am Don war Prigoschin abgetaucht. Der ausgehandelte Geheim-Deal sieht laut Kreml vor, dass er ins Exil nach Belarus gehen muss.
Nach mehr als einem Tag Funkstille meldete sich der Söldnerführer dann mit einer neuen Sprachnachricht auf seinem liebsten Telegram-Kanal zurück. Darin erklärte er, "nicht Putin" sei das Ziel seiner Meuterei gewesen.
Viele andere Fragen bleiben aber offen, darunter die, ob der 62-Jährige in seinem belarussischen Exil von seinen Truppen begleitet werde und welche Rolle er dort gegebenenfalls spielen würde. In Reaktion hat Litauen jedenfalls eine Stärkung der NATO-Ostflanke gefordert.
"Wenn Prigoschin oder Teile der Wagner-Gruppe mit unklaren Plänen und unklaren Absichten in Belarus landen, bedeutet das nur, dass wir die Sicherheit unserer östlichen Grenzen weiter verstärken müssen", sagte der litauische Präsident Gitanas Nauseda am Sonntag.
Wagner in Belarus? (K)eine Gefahr für Ukraine
Für die bereits im Krieg befindliche Ukraine dürften Wagner-Kämpfer in Belarus aber wohl kaum zum Problem werden, sagt Generalmajor des Bundesheeres Bruno Hofbauer Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum".
Die Gefahr, dass Prigoschin und seine Wagner-Söldner nun aus dem Exil in Belarus in der Ukraine einfallen und vielleicht einen neuen Sturm auf Kiew versuchen könnten, sieht der Militärstratege nicht gegeben. Die Ukraine habe zu Beginn der Invasion die "volle Wucht der russischen Kriegsmaschinerie" noch vor Erreichen der Hauptstadt abwehren können und sich dabei gut geschlagen. "Eine relativ leichte Truppe wie die Söldner um Prigoschin sind dann vermutlich auch zu bewältigen."
Und wie sieht es an der aktiven Front aus? Die russische Armee hat weiterhin massive Probleme und Prigoschin hatte in der Vergangenheit immer wieder die Führung scharf kritisiert, Verteidigungsminister Sergei Schoigu machte er sogar öffentlich zu seinem Intimfeind. Spekulationen darüber, dass der Söldner-Führer für seinen Abzug auch dessen Kopf gefordert hatte, dementierte der Kreml.
Systemisches Versagen auch ohne Schoigu
Als fix sehen Experten an, dass Putin seinen ebenso langjährig treuen Verteidigungsminister keinesfalls sofort verstoßen würde, um das Gesicht zu wahren. Ein Wechsel an der Spitze könnte aber in Wochen oder Monaten kommen. Doch würde das die von Prigoschin angeprangerten Probleme überhaupt lösen können?
Hofbauer: "Auch wenn jetzt plötzlich der Supermann aus dem Hintergrund herantritt, der wird die logistischen und Führungsschwierigkeiten der russischen Armee nicht von heute auf morgen lösen können. Es liegt sicher nicht nur an der Person [Sergei Schoigu] sondern am Gesamtsystem, das offensichtlich nicht so funktioniert wie man sich das vorgestellt hat."
So habe sich gezeigt, dass die Befehlstaktik am Schlachtfeld nicht funktioniere und auch "Initiative, ist de facto nicht verlangt". Jeder Soldat müsse immer erst auf Befehle von oben warten. Dadurch könnten die Russen oft Gefechtssituationen nicht (schnell genug) für sich ausnützen.
Auch der Militärstratege sieht eine Ablöse von Schoigu und Generalsstabschef Waleri Gerassimov "nicht unmittelbar" bevorstehen: "Warten wir einmal ab wie es mit der ukrainischen Gegenoffensive abläuft."
Horror-Ansage für Ukraine
Denn möglicherweise hätten die Russen bei ihrer langfristigen Strategie noch ein gewaltiges Ass im Ärmel: "Wir wissen, dass im Hintergrund sehr starke russische Kräfte aufgebaut werden."
In den Tiefen Russlands würden 150.000 neue Soldaten ausgebildet. "Man spricht davon, dass eine komplette Armee neu aufgestellt wird", sagt Hofbauer. "Das dauert natürlich alles seine Zeit – und Russland lässt sich ganz gezielt Zeit"
Er warnt eindringlich: Man müsse darauf vorbereitet sein, dass unter Umständen auf die ukrainische Offensive eine russische folgen könnte. "Ein typisches Schlagen aus der Nachhand, wenn die ukrainischen Kräfte ermattet sind und nichts aus der Tiefe nachbringen können, die russische Seite zum Gegenangriff übergeht."
Der Generalmajor betont, dass man Schoigu und Co. selbst nach dieser Wagner-Episode nicht alle militärischen Fähigkeiten absprechen dürfe. "Das ist Wunschdenken."