Posse am Höchstgericht

Handy-Strafe kostete Kosovaren die Staatsbürgerschaft

Nach elf Jahren wollte ein 29-Jähriger den österreichischen Pass beantragen – doch zwei Verwaltungsstrafen wurden ihm dabei fast zum Verhängnis.
Leo Stempfl
22.03.2025, 20:36

Mit dem Rad, im Dunkeln, ohne Licht, telefonieren, am Gehsteig fahren und einschreitende Polizisten beleidigen – das hätte sich ein damals 29 Jahre alter Kosovare wohl zweimal überlegen sollen. Denn nur wenige Monate zuvor stellte der seit 12 Jahren in Österreich Lebende einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft. Nach besagten Vorfällen wurde dieser abgelehnt.

Der Wiener durchzog daraufhin sämtliche Instanzen bis zum Verfassungsgerichtshof – und bekam dort tatsächlich recht. Zwar sollte solch ein Fehlverhalten nicht vorkommen, für einen vorbildlichen Österreicher könne es aber auch "nicht als untypisch angesehen werden", so das Höchstgericht, das das Erkenntnis der Vorinstanz aufhob und das Land Wien zum Ersatz der Prozesskosten von 2.616 Euro verdonnerte.

Die Causa im Detail

Der 1994 Geborene lebt seit 2012 rechtmäßig als Schüler bzw. Student in Österreich und ist strafrechtlich unbescholten. Einzig am 22. Februar 2023 kam es zu einem delikaten Vorfall. Der damals 29-Jährige fuhr mit seinem Rad am Gehsteig und telefonierte dabei. Am 8. November folgte die entsprechende Strafe über 60 Euro.

Kurioser Zufall: Ebenfalls am 8. November wurde er wieder telefonierend am Rad erwischt, trotz Dunkelheit war er ohne Licht unterwegs. Bei der folgenden Intervention der Polizisten sollen die Worte "fuck you all" gefallen sein. Der Preis hierfür: 60 Euro für das Rad-Delikt, 100 Euro für die Anstandsverletzung.

Das alles wäre keine große Sache gewesen, hätte der Mann nicht im Jänner einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt. Dieser wurde nach den Vorfällen, Ende Mai 2024, abgelehnt. Aufgrund der fünf Verwaltungsübertretungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass er zukünftig die öffentliche Ordnung bzw. Sicherheit gefährde. Eine Beschwerde wurde vom Wiener Verwaltungsgericht im September 2024 abgewiesen, auch sein reumütiges Verhalten half nichts.

Nur geringe Verstöße?

Blieb nur mehr der Gang zum VfGH. Behauptet wurde vom Kosovaren nicht weniger als eine Verletzung des Artikel 1 bzw. das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander. Eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit lasse sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit seiner Verstöße nicht ableiten, so die Argumentation. Allein die Höhe der Geldstrafen zeige, dass es keine schwerwiegenden Verstöße sind.

Die Verstöße selbst seien zudem bei geringem Verkehrsaufkommen und geringer Fahrgeschwindigkeit erfolgt. Die Äußerung gegenüber den Polizisten sei unmittelbarer Ausdruck von Ärger gewesen und sollten niemanden beleidigen. Darüber hinaus habe er während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich ansonsten keine Gesetzesverstöße begangen.

Sieht auch das Höchstgericht so

"Die Beschwerde ist begründet", findet jedenfalls der VfGH, der dem Wiener Verwaltungsgericht einen Fehler zuschreibt. Es müsse jeweils das Gesamtverhalten betrachtet werden und ob sich daraus ableiten lasse, dass es auch in Zukunft zu wesentlichen Verstößen kommen könnte. Auch bei den Verstößen selbst müsse eine Gesamtbetrachtung inklusive Art, Schwere und Häufigkeit erfolgen.

Und dabei würde sich zeigen: "Die Verwaltungsübertretungen (...) sind angesichts der jeweils geringen Strafhöhe als minderschwer zu bewerten. Sie betreffen ein Fehlverhalten, das, ungeachtet dessen, dass es nicht vorkommen sollte, nicht als untypisch angesehen werden kann." Es kam vorher nie, in kurzer Zeit zweimal und – vor allem – danach nie mehr vor. Selbst das Verwaltungsgericht nahm dem Betroffenen seine Reue ab.

„Es kann auch einem die (...) Gesellschaft achtenden und respektierenden Mitglied dieser Gesellschaft unterlaufen, da oder dort eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.“
Verfassungsgerichtshof

Schlusssatz: "Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben."

{title && {title} } leo, {title && {title} } Akt. 23.03.2025, 20:29, 22.03.2025, 20:36
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