Stephan Mayer-Heinisch
Handelschef tobt: "Wir sind der Mistkübel für China"
Die heimische Einzelhandel steht durch Temu & Co. massiv unter Druck. "Die Panzerknacker sind schon da", sagt der Präsident des Handelsverbands.
Für Stephan Mayer-Heinisch (70), den Präsidenten des Handelsverbands, ist Konsum ein Lebenselixier: "Hören wir auf zu konsumieren, sind die letzten Spatzen tot", sagt er in einem Interview mit dem "Standard". Gerade die letzten Jahre seien aber sehr schwer für die Branche gewesen.
Langsam zeichnet sich zwar eine Erholung der Konsumlaune im Land ab, und der Experte sieht – bei ornithologischen Vergleichen bleibend – die "ersten Schwalben gelandet", seine Erwartungen sind dennoch gedämpft: "Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer".
Noch ist obendrein unklar, wie nachhaltig diese Erholung wirklich ist. Beinahe schon ein Stoßgebet ergeht Richtung Kreml: "Gott behüte, was passiert, wenn der nächste Energiepreisschock droht, sollten die Gaslieferungen aus Russland ausbleiben."
"Party ist vorbei"
Derzeit wieder die "Nase über Wasser" bekämen vor allem Diskont-Händler, in teureren Sparten wird noch um Luft gerungen. "Mit kleinem Geld lassen sich kleine Freuden bereiten", weiß der Manager. Dafür sei etwa bei E-Bikes "die Party vorbei". Die Lager wären "krachend voll" und ein Umbruch in Technologie, Produktion und im Handel bahne sich an.
Neben der Bedrohung durch gestiegene Kosten für Energie, aber auch Personal und Mieten, ziehen auch am fernen Horizont dunkle Wolken auf. Denn gerade im Billigsegment werden die heimischen Händler von Konkurrenz aus China aus dem Markt gedrängt. "Die Panzerknacker sind schon da", beklagt Mayer-Heinisch: "Wir sind der Mistkübel für Überproduktion aus China".
Temu und Shein würden pro Monat 300 Millionen Pakete ausliefern lassen. Dazu würde TikTok nun ebenfalls in den Markt einsteigen wollen, habe dafür schon 135 Millionen Adressen. Den China-Plattformen ist gemein: Sie liefern direkt vom Hersteller zum Kunden, Zwischenhändler werden ausgeschalten. Damit verdient auch der heimische Handel nichts, selbst Versandhandelsgigant Amazon bekommt den Druck aus Fernost zu spüren.
"Können sich beim Salzamt beschweren"
Die radikal niedrigen Preise seien nur möglich, weil europäische Vorschriften zu Produktsicherheit, Umweltauflagen und dergleichen völlig umgangen würden. Und auch Kundenservice sei im Billig-Ökosystem ein Fremdwort: "Konsumenten, die mit ihnen ein Problem haben, können sich beim Salzamt beschweren."
Der Handelsverband fordert daher eine stärkere Regulierung der China-Importeure, zur Herstellung von Chancengleichheit – und das schnell. "Andernfalls werden Strukturen in Europas Einzelhandel irreparabel zerstört. Millionen Pakete aus China bleiben nicht ohne Folgen."
„Das Sterben des Handels passiert schleichend“
Diese wären weitreichend, warnt der 70-Jährige: "Der Tod des Handels findet nicht am Wiener Stephansplatz statt", doch in der Mariahilfer Straße oder Spiegelgasse würden die leeren Geschäfte immer mehr. "Das Sterben des Handels passiert schleichend. Und es ist mitten in der Wiener Innenstadt angekommen. Davor darf man die Augen nicht verschließen."
In kleineren Städten zeige sich das noch deutlicher: "Eine Stadt machen jedoch nicht nur Gasthäuser lebendig. Sterben die Händler, sterben die Ortskerne, und die Jungen wandern ab. In Gemeinden wie Liezen kommen einem die Tränen."
Wünsche an die Politik
Auch vorstellen könne er sich längere Öffnungszeiten, wo Bedarf besteht. Da solle der Föderalismus aber auf lokale Bedürfnisse reagieren und nicht alles österreichweit über einen Kamm scheren.
Punkto Lohnverhandlungen mit den Sozialpartnern stehen die Zeichen aber auf Regenwetter. "Der Handel hat vier Jahre Krise hinter sich. Viele Betriebe sind finanziell, mental ausgemergelt", erteilt er allzu großen Sprüngen eine indirekte Absage. Stattdessen will Mayer-Heinisch bei den Lohnnebenkosten Scheibchen abschneiden: "Beschäftigten muss mehr Netto von Brutto bleiben."
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, äußert sich besorgt über die Auswirkungen des chinesischen Wettbewerbs auf den österreichischen Einzelhandel
- Er warnt vor den Folgen der Überproduktion aus China und fordert eine stärkere Regulierung der Importe, um die Chancengleichheit zu gewährleisten
- Zudem plädiert er für Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals und flexiblere Öffnungszeiten, die auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten sind