Ukraine
Haftbefehl gegen Putin und diese Frau – wer ist sie?
Der Internationale Strafgerichtshof erließ Haftbefehl gegen Wladimir Putin und gegen Maria Lwowa-Belowa. Alle Details zur "großen Unbekannten".
Maria Alexejewna Lwowa-Belowa gilt in Russland als Kinderretterin – doch eigentlich soll die 38-Jährige seit Beginn des Ukraine-Kriegs über 11.000 Kinder aus den besetzten Gebieten deportiert und in die Russische Föderation umgesiedelt haben. Die Kinder seien rechtswidrig verschleppt worden, lautet der Vorwurf des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Am Freitag hat das Weltstrafgericht gegen Lwowa-Belowa - und gegen ihren Mentor Wladimir Putin – wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen einen Haftbefehl erlassen.
Seit Oktober 2021 ist Lwowa-Belowa Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung. Nachdem im Februar vor einem Jahr russische Truppen in die Ukraine einmarschiert waren, begann die Beamtin, Kinder im Alter zwischen vier Monaten und 17 Jahren "für ihre Sicherheit und zur Behandlung und Erholung" nach Russland zu holen. "In Wahrheit sind mehr verschleppt worden", denunzierte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bereits letzten November in einer Videoansprache.
Unterstützung der russisch-orthodoxen Kirche
In ihrer Heimat gilt sie als Vorzeigerussin: Selbst Mutter fünf leiblicher und 18 adoptierter Kinder, führt Maria Alexejewna Lwowa-Belowa nebenbei eine eigene Wohltätigkeitsorganisation für behinderte Kinder. Vor einigen Wochen erzählte sie in den Medien, dass ihr Mann und sie einen ukrainischen Buben aus dem belagerten Mariupol bei sich aufgenommen hätten.
Lwowa-Belowa hat ihre steile Karriere einerseits Präsident Putin zu verdanken, der unter anderem davon besessen ist, den Bevölkerungsrückgang in Russland aufzuhalten, aber auch ihrer Ehe mit dem einstigen Physiker Pawel Kogelman, der seit einigen Jahren orthodoxer Priester ist. Durch ihre Beziehung zu Kogelman erhielt die gelernte Musiklehrerin aus Penza, einer Ortschaft 650 Kilometer südöstlich von Moskau, breite Unterstützung durch die Hierarchie der russisch-orthodoxen Kirche.
Kinder kamen in 43 russische Einrichtungen
Nach Bekanntgabe des Haftbefehls gegen sie sagte die Lwowa-Belowa zur Nachrichtenagentur Ria: "Es ist großartig, dass die internationale Gemeinschaft die Arbeit für die Kinder unseres Landes gewürdigt hat, dass wir sie nicht in den Kriegsgebieten zurücklassen, dass wir sie herausholen, dass wir gute Bedingungen für sie schaffen, dass wir sie liebevoll umgeben." Der Entscheid aus Den Haag werde sie nicht aufhalten, sagte die russische Kinderschutzbeauftragte. "Wir arbeiten weiter."
Was Lwowa-Belowa mit "liebevoll" und "gute Bedingungen" meint, ist unklar. Nach einem Bericht der Yale School of Public Health (HRLY) und der US-Konfliktbeobachtungsstelle, die Kriegsverbrechen und andere Gräueltaten der russischen Streitkräfte dokumentieren, werden ukrainische Minderjährige in mindestens 43 Einrichtungen festgehalten, darunter zwölf von staatlichen Organisationen als Sommerlager genutzte Einrichtungen am Schwarzen Meer, sieben weitere auf der besetzten Halbinsel Krim und zehn in der Umgebung der Städte Moskau, Kasan und Jekaterinburg. Elf der Lager liegen mehr als 800 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, zwei davon in Sibirien. Die Mission der Lager sei "die systematische Umerziehung mit dem offensichtlichen Ziel, die ukrainischen Kinder in die offizielle Sichtweise der russischen Kultur und Geschichte zu integrieren".