Neuer Koalitions-Krach droht

"Grenze überschritten": Orban-Boykott spaltet Regierung

Der angekündigte Ungarn-Boykott von Ursula von der Leyen sorgt auch in Österreich für Wirbel. Die Regierungsparteien sind sich erneut uneins.

Nicolas Kubrak
"Grenze überschritten": Orban-Boykott spaltet Regierung
Der Orban-Besuch bei Wladimir Putin zeigt einmal mehr die Differenzen in der Regierung auf – die Positionen von Johannes Rauch (l.) und Karl Nehammer (r) könnten kaum unterschiedlicher sein.
REUTERS/picuredesk.com/Hertel/"Heute"-Montage

Seit 1. Juli hat Budapest turnusmäßig (wechselt alle sechs Monate) den Ratsvorsitz der EU inne – das nutzt der ungarische Premier Viktor Orban vor allem für die Umsetzung seiner politischen Agenda.

Im Rahmen seiner selbsternannten "Friedensmission" besuchte Orban die Ukraine, China und Russland. Besonders die Moskau-Reise dürfte es dem Magyaren angetan haben, der Besuch bei Wladimir Putin sorgte in der EU für großen Ärger.

Von der Leyen will Ungarn-Boykott

In einem Brief an die EU-Spitze haben 63 EU-Abgeordnete einen Entzug des Stimmrechts Ungarns im Rat der EU gefordert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, dass an künftigen informellen Ministertreffen keine EU-Kommissare, sondern nur ranghohe Beamte teilnehmen werden. Außerdem werde sie auf den traditionellen Antrittsbesuch bei der ungarischen Präsidentschaft verzichten, sagte ein Sprecher.

Nehammer lehnt Boykott ab

Am Dienstag äußerte sich Kanzler Karl Nehammer zur aktuellen Debatte. "Orban hat einen Tabubruch begangen, über den man diskutieren muss", stellte er klar. Allerdings sollte man dies nicht mit einem weiteren Tabubruch, nämlich einem Boykott beantworten, erklärte der Kanzler.

"Man muss Orban mit seiner unabgestimmten Vorgangsweise konfrontieren, aber nicht die Ratspräsidentschaft boykottieren", sagte er. Gleichzeitig betonte er, dass die Position für alle ÖVP-Ministerinnen und Minister gelte – "sie werden daher auch weiterhin an Sitzungen und Treffen der EU-Ratspräsidentschaft teilnehmen“.

Brunner hat "Verständnis" für Kommission

Dabei zeigte sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) noch am Dienstag gegenüber Ö1 verhalten. Er habe "Verständnis für die Kommission", es gehe darum, ein Zeichen gegen Orban & Co. zu setzen. Andererseits gehe es um die Zukunft Europas – "und ich gehe davon aus, dass Ungarn die europäische Idee ganz vorne dranstellen wird", so der Minister. Ähnlich ausweichend äußerte sich Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) – seine Teilnahme hänge vom Terminkalender ab.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisierte den ungarischen Premier für seinen Alleingang in Moskau – er werde seine Russland-Reise "erklären" müssen. Gleichzeitig appellierte er, die "Kirche im Dorf" zu lassen.

Rauch schließt sich Boykott an

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vertritt eine deutlich kritischere Position, weswegen ein Regierungskrach wohl nur eine Frage der Zeit ist. Viktor Orban habe "eine Grenze überschritten", weswegen er dem Boykott-Aufruf nachkommen werde, dies sei eine "persönliche Entscheidung". Er wolle "klare Kante" zeigen, sagte der Minister zu Ö1.

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