Niederösterreich

Greise vernachlässigt? Prozess-Start in Pflege-Skandal

Drei teils ehemaligen Mitarbeitern eines Pflegeheims in NÖ wird unter anderem schwere Nötigung und das Vernachlässigen wehrloser Personen vorgeworfen.

Isabella Nittner
Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt.
Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt.
Bild: heute.at

Drei teils ehemalige Mitarbeiter des größten privaten Pflegezentrenbetreibers Österreichs, SeneCura, müssen sich ab Montag (12. Dezember) in einer dreitägigen Schöffenverhandlung vor dem Landesgericht Wiener Neustadt verantworten.

Vorgeworfen wird den Angeklagten das Vergehen des Vernachlässigens wehrloser Personen sowie schwere Nötigung. 

Was war passiert?

Doch was war passiert? Die Angeklagten sollen ihre Arbeit im von 50 pflegebedürftigen Senioren bewohnten Heim in Kirchberg am Wechsel (Bezirk Neunkirchen) von November 2015 bis Februar 2022 nur unzureichend gemacht haben.

Laut Anklage sollen sie die Heimbewohner vernachlässigt haben, indem sie ihnen trotz monatelang sichtbarer Symptome keine passenden Medikamente gegen beispielsweise Krätzmilbe gegeben hätten. Auch Mahlzeiten seien nicht verabreicht worden, die Bewohner seien in Sitzhosen gezwängt worden, um den Mitarbeitern Arbeit zu ersparen. Auch Bett-Seitenteile seien nicht befestigt worden, Bewohner sollen deshalb aus dem Bett gefallen sein und sich verletzt haben. Um die Nachlässigkeit zu vertuschen seien zudem Einträge in die elektronische Pflegedokumentation gefälscht worden. Konkret sollen ärztliche Einträge verfasst worden sein, obwohl gar kein Arzt da war. "Heute" berichtete bereits hier.

Einer der Beschuldigten soll zudem einer Mitarbeiterin mit einer 200.000 Euro-Klage gedroht haben, sollte sie die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht unterschreiben.

Personalmangel wegen Corona-Krise

Der Pflegeheim-Betreiber verweist im Vorfeld des Prozesses auf einen damals massiven Personalmangel aufgrund von Lockdowns und Covid sowie langer Krankenstände. Nach Beschwerden der eigenen Mitarbeiter habe die NÖ Landesregierung eine Gutachterin geschickt, sie bescheinigte zu wenig Trinktraining, zu wenig Toilettentraining, Fehler bei der Medikamentendokumentation, Freiheitsbeschränkungen und eine unvollständige sowie teilweise fehlende Pflegedokumentation. Auch der vorgeschriebene Mindestpersonalschlüssel sei nicht erfüllt worden.

Dieses Gutachten, das Ende März 2021 fertiggestellt war, sei auch der Anstoß für Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft gewesen. Bereits im Monat davor habe man begonnen, Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität umzusetzen – darunter fielen ein Bewohner-Aufnahmestopp sowie eine Aufstockung der Mitarbeiter. Diese würden auch greifen: Bei drei Kontroll-Visiten durch das Land NÖ sei eine maßgebliche Verbesserung der Situation bescheinigt worden.

Verbandsklage fallen gelassen

"Es macht uns betroffen, dass die Situation im Haus in Kirchberg am Wechsel offenbar nicht immer den hohen Qualitätsstandards der SeneCura-Gruppe entsprochen hat. Wie viele andere Anbieter war auch SeneCura während der Corona-Pandemie durch Lockdowns, isolierte Pflegeheime und Impfpflicht mit einer herausfordernden Personalsituation konfrontiert, die zu diesen Vorfällen geführt haben. Das Unternehmen hat sofort bei Bekanntwerden der Probleme reagiert und eine interne Untersuchung eingeleitet: Neben der engen Kooperation mit den Behörden wurden rasch Qualitätssicherungsmaßnahmen umgesetzt und die Personalausstattung verbessert", so Anwalt Philipp Zigling (Kanzlei Lansky, Ganzger, Goeth, Frankl + partner), der den Heimbetreiber rechtlich vertritt.

Eine Verbandsklage gegen SeneCura, in der es um die Verhängung einer Verbands-Geldbuße ging, wurde kurz vor Prozessstart fallen gelassen, das Verfahren eingestellt.

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