Meilenstein
Google läutet mit "Willow" neue Quantenchip-Ära ein
Quantencomputer sind leistungsstarke Maschinen. Doch sie sind auch fehleranfällig. Google-Forschern ist nun jedoch ein "Quantensprung" gelungen.
Google ist nach eigenen Angaben ein entscheidender Schritt zur Überwindung einer der größten Herausforderungen im Quantencomputing gelungen. Mit dem neuen Spezialchip "Willow" und einer neuen Anwendungsmethode habe man den Weg für die Entwicklung praktisch nutzbarer Quantencomputer geebnet, sagte der deutsche Informatiker Hartmut Neven, Gründer und Leiter des Quantum Artificial Intelligence Laboratory von Google.
Laut Neven und seinem Team wurde zum ersten Mal eine Quantenfehlerkorrektur mit Fehlerraten unter einem relevanten Schwellenwert erreicht. Die Fehlerkorrektur ist entscheidend für die Entwicklung von skalierbaren und anwendbaren Quantencomputern.
Was sind Quantencomputer?
Quantencomputer können mathematische Probleme sehr viel schneller lösen als bisherige Computer, beispielsweise beim Verschlüsseln von Daten, in der Materialforschung oder beim maschinellen Lernen für Anwendungen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. In der Medizin könnten damit dereinst Bereiche wie Früherkennung, Diagnose und Verlaufskontrolle von Hirntumoren durch diese Technologie verbessert werden.
Quantencomputer funktionieren anders
Klassische Computer arbeiten mit Binärziffern (Bits), die entweder 1 oder 0 sein können. Im Unterschied dazu ist der Zustand eines Quantenbits (Qubit), nicht starr 0 oder 1, sondern eine Mischung daraus. Die Zustände überlagern sich also. Ein Qubit kann zum Beispiel fast ganz 0 und nur ein bisschen 1 sein, hälftig 0 und 1 oder auch exakt 0 sein. Das eröffnet mehr Möglichkeiten und sorgt dafür, dass Quantencomputer viel schneller rechnen, als es klassische Computer können.
Was war das Problem bei bisherigen Quantencomputern?
Die bereits entwickelten Systeme sind zu klein und machen zu viele Fehler, um einen Mehrwert zu liefern. Problematisch ist auch, dass bisher mit zusätzlichen Recheneinheiten ("Qubits") die Fehlerquote ansteigt. Denn die Skalierung von Quantenrechnern funktioniert nur dann, wenn die Fehlerkorrektur exponentiell mit der Zahl der physikalischen Qubits pro logischem Qubit steigt. Das heißt: Die Fehlerkorrektur muss gut genug sein, um die durch hinzukommende Qubits steigende Fehlerrate mehr als auszugleichen.
Was haben die Forschenden geschafft?
Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, fasste das Google-Team mehrere fehleranfällige physikalische Qubits zu einem weniger fehleranfälligen logischen Qubit zusammen. Für die Demonstration dieses Zusammenhangs nutzten die Forscherinnen und Forscher den neu entwickelten Quantenprozessor "Willow".
Ist das jetzt die Lösung?
Neven und sein Team betonen, dass mit der verwendeten Methode und dem neuen Chip skalierbare, fehlerkorrigierte Quantencomputer möglich sind. Allerdings merken sie auch an, dass die Fehlerrate weiterhin nicht für einen anwendbaren Quantencomputer ausreiche. Das Team rechnet damit, dass sie für zufriedenstellende Raten deutlich mehr physikalische Qubits bräuchten. Der Einsatz von mehr Qubits mit der verwendeten Methode wird zu einer längeren Rechenzeit führen.
Wie schätzen andere Fachleute Googles "Quantensprung" ein?
Markus Müller, Professor für theoretische Quantentechnologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH), erklärte, dem Google-Team sei es zum ersten Mal experimentell gelungen, Quantenfehlerkorrektur deutlich unterhalb der kritischen Fehlerschwellenwerte und mit einer im Prinzip skalierbaren Methode zu zeigen. "Die Arbeit erfüllt methodisch die im Forschungsfeld üblichen hohen Standards."
Auch Michael Hartmann, Professor für Theoretische Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, lobt die wissenschaftliche Qualität der Arbeit. "Der gegebene Ausblick ist nicht unbegründet." Zu beachten ist jedoch, dass ein fehlertolerantes Rechnen von den Autoren an die Bedingung geknüpft worden ist, dass es gelinge, die Ergebnisse zu deutlich größeren Qubit-Zahlen zu skalieren.
Was heißt das?
"Mit der derzeitigen Qualität von Qubits wird man 100.000 bis eine Million Qubits benötigen, um große, fehlertolerante Rechnungen durchführen zu können, die für klassische Supercomputer jenseits des Möglichen sind", schrieb Hartmann im Science Media Center (SMC). In der vorliegenden Arbeit wurden Ergebnisse eines Chips mit 105 Qubits präsentiert. "Damit wird ersichtlich, wie weit der Weg noch ist."
Die Arbeit des Google-Teams ist im Fachjournal "Nature" erschienen.
Auf den Punkt gebracht
- Google hat mit dem neuen Quantenchip "Willow" und einer innovativen Anwendungsmethode einen bedeutenden Fortschritt im Quantencomputing erzielt, indem sie erstmals eine Quantenfehlerkorrektur mit Fehlerraten unter einem relevanten Schwellenwert erreichten.
- Trotz dieses Erfolgs betonen Experten, dass für praktisch nutzbare, skalierbare Quantencomputer noch deutlich mehr physikalische Qubits benötigt werden, um die Fehlerraten weiter zu senken.