Gesundheit
Gehirnfressende Amöbe tötet 6-Jährigen
Weil Josiah McIntyre mit verseuchtem Wasser - vermutlich aus der heimischen Wasserleitung - in Berührung kam, ist der 6-Jährige nun tot.
"Ich will meinen Jungen zurück!" Maria Castillo, die Mutter des sechsjährigen Josiah McIntyre aus Lake Jackson im US-Bundesstaat Texas kann noch immer nicht wirklich fassen, was ihrer Familie Anfang September 2020 zugestoßen ist: Ihr Sohn starb überraschend am 8. des Monats - fünf Tage nachdem er erstmals über Unwohlsein geklagt hatte.
Nachdem sich zu seinen Kopfschmerzen auch Fieber gesellt hatte und er sich mehrfach übergeben musste, hatte Castillo mit ihm die Notfallstation aufgesucht. Eine Erklärung für die Beschwerden ihres Sohnes bekam sie dort jedoch nicht. Die naheliegendsten Erklärungen konnten ausgeschlossen werden: Die Tests auf Grippe, Covid-19 und Streptokokken fielen alle negativ aus.
Horrordiagnose: Hirnfressende Amöbe
Weil die Symptome nicht besser wurden, suchten Mutter und Sohn schließlich das Texas Children's Hospital im nahe gelegenen Houston auf. Dort erhielten sie die Horrordiagnose, wie CNN.com schreibt. "Am späten Montagabend oder sehr früh am Dienstagmorgen sagten sie uns, sie glaubten, es sei diese hirnfressende Amöbe", sagte Castillo.
Weitere Untersuchungen bestätigten den Verdacht: Josiah litt an einer primären Amöben-Meningoenzephalitis, jener Krankheit, an der kürzlich erst der 13-jährige Tanner Wall aus Florida verstorben war. Die Infektion wird durch die Amöbe Naegleria fowleri ausgelöst. "Sie erklärten uns die Seltenheit dieser Amöbe und dass es von den wenigen Fällen nur sehr wenige Überlebende gibt und dass es keine Behandlung gibt, erinnert sich die Mutter. Denn gelangen die Parasiten ins Gehirn, zersetzen sie innerhalb kurzer Zeit die Gehirnmasse.
Amöbe im Gehirn
Lange war unklar, was die Parasiten zu einer so zielgerichteten Attacke auf unser zentrales Nervensystem bewegt. Doch im Jahr 2016 vermeldeten pakistanische Forscher im "Journal of Receptors and Signal Transduction", die Lösung gefunden zu haben. Demnach scheint Acetylcholin, ein häufig vertretener Botenstoff der Nervenzellen im Gehirn, als Lockstoff für die Parasiten zu fungieren. Für die Studie hat das Team von der Universität Karachi eine andere Amöbenart untersucht, die den menschlichen Körper über offene Wunden entert: In deren Erbmaterial stießen sie auf ein Protein, das eine sehr ähnliche Struktur hat wie ein menschlicher Acetylcholinrezeptor. Diesen fanden die Forscher auch bei näherer Betrachtung der Naegleria fowleri vor. Die Forschenden vermuten deshalb, dass sich die gefährlichen Einzeller dank dieses Rezeptors orientieren und immer weiter in die Geweberegionen mit viel Acetylcholin vordringen.
Kam die Amöbe mit dem Trinkwasser?
Offenbar war der Junge mit dem todbringenden Einzeller über das Trinkwasser in Kontakt gekommen. Wo genau, ist derzeit noch unklar. Allerdings fielen bei Untersuchungen der örtlichen Wasserversorgung drei von elf Proben positiv aus. Darunter auch jene, die bei ihm zu Hause genommen worden war.
Die Behörden in Texas sprachen am Freitag für insgesamt acht Gemeinden Warnungen aus, Leitungswasser für andere Zwecke als die Toilettenspülung zu nutzen, und kündigten an, das öffentliche Wassersystem zu desinfizieren, zu spülen und anschließend erneut auf den Erreger hin zu untersuchen. Inzwischen sind nur noch die Bewohner der 27.000-Einwohner-Stadt Lake Jackson betroffen. Zwar können auch sie das Leitungswasser wieder benutzen, aber sie sollten es vor dem Trinken abkochen und darauf achten, beim Baden und Duschen kein Wasser in die Nase zu bekommen, so die Behörden.
95 Prozent der Befallenen sterben
Naegleria fowleri kommt überwiegend in Australien und den USA vor. Die Amöbe mag es warm und feucht. Sie breitet sich in wärmeren Gewässern, heißen Thermen und schlecht chlorierten Schwimmbecken aus. In den Meeren ist sie nicht zu finden.
Nur wenn der Einzeller über die Nase aufgenommen wird und ins Gehirn vordringt, wird es gefährlich. In der Regel dauert es ein bis neun Tage, bis sich die Erkrankung zeigt. Zu den ersten Beschwerden gehören heftige Schmerzen an der Vorderseite des Kopfes, Fieber und Übelkeit. Danach folgen Verwirrung, Halluzinationen, ein steifer Nacken und Gleichgewichtsstörungen. Schließlich verlieren die Betroffenen das Bewusstsein.
Laut einer 2014 veröffentlichten Studie enden mehr als 95 Prozent der bekannten Infektionen tödlich. Allerdings sind mittlerweile einige Fälle dokumentiert, berichtet Spiegel.de, bei denen die Betroffenen die Infektion überstanden haben, nachdem sie den Wirkstoff Miltefosin bekommen hatten, der eigentlich gegen Leishmaniose eingesetzt wird, die von Sandfliegen übertragen wird.