Politik
Geheim-Anrufe im Kurz-Team – das Handy der Umfrage-Lady
Jetzt ist klar, warum die Justiz mit voller Härte gegen Meinungsforscherin Sabine B. vorging: Sie löschte Nachrichten und Anruflisten im Chat-Krimi.
Paukenschlag am Dienstag: Um 8 Uhr Früh klopfen zwei Kripo-Beamte an eine Wohnungstür in Wien-Döbling. Die dort gemeldete Sabine B. ist aber alles andere als geschockt oder überrumpelt. Ruhigen Gemüts lässt sie sich festnehmen, Handschellen sind nicht notwendig. Keine zwei Tage später ist die Meinungsforscherin wieder frei, es gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Sie soll eine zentrale Rolle in der Chat-Affäre eingenommen haben. Es geht um frisierte Umfragen, die Sebastian Kurz an die Spitze der ÖVP und in das Kanzleramt verholfen haben sollen. Die WKStA geht davon aus, dass zur Bezahlung Mittel aus dem Finanzministerium verwendet wurden. Als Koordinator wird Kurz-Intimus Thomas Schmid angesehen, doch auch hochrangige Mitarbeiter des Kanzlers und die Fellner-Familie standen untereinander in regem Austausch.
Der Geheim-Akt
"Heute" hat den Geheim-Akt zur Festnahme der Meinungsforscherin gelesen. Darin finden sich Hinweise, warum sie bei ihrer Festnahme derart ruhig und gefasst auftrat. Offenbar wusste sie, was ihr blüht. Wurde die Razzia gar verraten?
Zur Festnahme kam es, weil die Ermittler Verdunklungsgefahr vermuteten. Heißt: Sabine B. soll versucht haben, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren. Bei der folgenden Durchsuchung ihrer Wohnung stellten die Ermittler ein iPhone 11 sicher. Die Ermittler brauchten nicht lange, um Stichhaltiges darauf zu finden.
Vom Abend vor ihrer Festnahme, dem 5. Oktober, fanden sich in ihrem Browser-Verlauf zahlreiche Suchanfragen zu Löschungen.
Verschwundenes Handy
Schon am 30. September führte sie ähnliche Suchanfragen durch. Im Apple-Browser Safari tippte sie ein, wie man die iCloud eines iPhone 6 löscht. Doch: Dieses Handy konnte bislang nicht gefunden werden, nur eine leere Schachtel fanden die Ermittler an ihrem Nebenwohnsitz. Hat sie es im Rahmen ihrer Vernehmung womöglich abgegeben und konnte so die U-Haft verhindern? Auf diese Frage gibt es bisher leider noch keine Antwort.
Pikantes Detail: ÖVP-Vize-Klubchefin Gaby Schwarz gab just am 28. September eine Pressekonferenz zum Thema Hausdurchsuchungen. Bei einem skurril wirkenden Auftritt gab sie Gerüchte wider, wonach neue Ermittlungsschritte und Durchsuchungen bei der ÖVP anstehen würden. Den Ermittlern richtete sie aus: "Es ist nichts mehr da!" Verwundert fragte ein anwesender Journalist: "Wenn ich versuche, Ihren Ausführungen eine Logik abzuringen: Sie geben eine Pressekonferenz, in der Sie jedes kleine Würschtl in der ÖVP warnen, dass eine Hausdurchsuchung droht?"
Auf dem iPhone 11, das sichergestellt werden konnte, fanden sich Signal-Chats mit Niki und Helmuth Fellner, Kurz-Sprecher Johannes Frischmann und Thomas Schmid. Die Chats mit Frischmann wurden so eingestellt, dass sie nach einer Stunde automatisch verschwinden. WhatsApp-Chats fanden sich mit Niki, Wolfgang und Helmuth Fellner sowie mit ihrer vormaligen Chefin, der Ex-Familienministerin Sophie Karmasin.
Diese Chats löschte Sabine B. "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Abend des 5. Oktober 2021 zwischen 22:37:46 und 22:40:29 Uhr", so die Anklagebehörde. Bemerkenswert ist das, weil B. sonst keine Chats löschte und an jenem Abend auch ausschließlich die Kommunikation mit besagten Personen leerte. Der 5. Oktober war auch jener Tag, an dem ÖVP-Klubchef Andreas Hanger eine weitere Pressekonferenz zu drohenden Hausdurchsuchungen im ÖVP-Umfeld gab.
Geheim-Anrufe im Kurz-Team
Brisant ist auch insbesondere der Suchverlauf von Sabine B. Nur wenige Stunden vor der Hausdurchsuchung und Festnahme suchte sie danach, wie man Anruflisten bereinigt, Signal-Einträge löscht, Geräte aus einer Apple ID entfernt und eine neue iCloud erstellt.
Die Ermittler schlussfolgern daraus, dass Sabine B. der Durchsuchungstermin – und womöglich auch der Inhalt der Vorwürfe – bekannt war.
Schon im März 2021 löschte die Meinungsforscherin aber ihren WhatsApp-Chat mit Kurz-Sprecher Frischmann. Seitdem stand sie hauptsächlich mittels verschwindenden Signal-Nachrichten oder Signal-Anrufen mit ihm in Kontakt, auffällig häufig ab dem 26. September 2021.
Es wird vermutet, dass sie "ganz gezielt ihre Kommunikation mit den Mitbeschuldigten (...) verschleierte bzw. zu verschleiern versuchte." Und weiter: "Sabine B. hat daher mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits Spuren der Tat in Form der Kommunikation und Verabredung mit Mitbeschuldigten beseitigt." Aus diesem Grund sahen die Ermittler keine andere Möglichkeit, als sie vorläufig festzunehmen. Nun ist sie wieder auf freiem Fuß. Hat sie ausgepackt?