Grundwasser analysiert

Forscher machen unter Wien eine bedenkliche Entdeckung

Im Projekt "Heat below the city" haben Forscher erstmals die Temperatur des gesamten oberflächennahen Grundwassers von Wien ermittelt.

Newsdesk Heute
Forscher machen unter Wien eine bedenkliche Entdeckung
Auch unter den Füßen der Wiener wird es langsam wärmer, stellten Forscher der GeoSphere Austria fest.
viennaslide / picturedesk.com

Es wird immer heißer in der Stadt – auch unter unseren Füßen! Das Projekt "Heat below the city" hat erstmals flächendeckend die Temperatur sowie den chemischen und biologischen Zustand des Wiener Grundwassers untersucht.

Der Schwerpunkt der beteiligten Forscher der GeoSphere Austria (GSA, ehemals ZAMG) war die Analyse der Temperatur des Grundwassers und ihrer langfristigen Entwicklung. Dazu wurden Messdaten der letzten 20 Jahre von 87 Messstationen ausgewertet.

"Außerdem haben wir in einem April und in einem Oktober an 800 Messstellen Temperaturprofile im Grundwasser gemessen, von einigen Metern bis in rund 40 bis 50 Meter Tiefe", erklärt GSA-Expertin für Geothermie Cornelia Steiner am 14. Jänner 2025. Warum gerade in diesen Monaten? "Im April ist das Grundwasser am kühlsten und im Oktober am wärmsten, da sich Winter- und Sommertemperaturen erst mit Verzögerung im Untergrund auswirken."

"Urban Heat Island" auch im Grundwasser

Die Messungen zeigten, dass das Grundwasser in vielen Regionen Wiens einige Grad wärmer ist als im Umland. "Für diesen Urban Heat Island Effekt im Grundwasser gibt es zwei Gründe", sagt Cornelia Steiner, "erstens ist in Städten die Lufttemperatur deutlich höher als im Umland, da sich Straßen und Gebäude stärker aufheizen, das wirkt sich auch auf den Untergrund und das Grundwasser aus. Zweitens erwärmt die umfangreiche Untergrundinfrastruktur das Grundwasser." Als Beispiele nennt sie U-Bahn- und Straßentunnel, Parkgaragen, Kanalsysteme, Fernwärmeleitungen und reine Kühlanwendungen der Geothermie.

Deutliche Unterschiede innerhalb der Stadt

Der Mittelwert aller 800 Messstellen in Wien lag bei der Messung im April bei 13 Grad Celsius und im Oktober bei 15 Grad Celsius. Die einzelnen Messungen zeigten deutliche Unterschiede, abhängig von der Oberfläche. Im Wesentlichen ist das Grundwasser unter dicht verbauten Gebieten wärmer als unter Grünflächen wie den Praterauen und der Lobau. Der Temperaturunterschied des Grundwassers zwischen versiegelten und nicht versiegelten Gebieten beträgt im Jahresdurchschnitt ungefähr vier bis sechs Grad.

Die Grafik zeigt die Daten der Messung im Oktober, wenn die höchsten Werte des Jahres erreicht werden. Stark verbaute Gebiete sind wärmer als große Grünflächen wie die Praterauen und die Lobau.
Die Grafik zeigt die Daten der Messung im Oktober, wenn die höchsten Werte des Jahres erreicht werden. Stark verbaute Gebiete sind wärmer als große Grünflächen wie die Praterauen und die Lobau.
GeoSphere Austria

Klimawandel und Versiegelung treiben Erwärmung

Eine Auswertung für die Daten der letzten 20 Jahre zeigt eine deutliche Erwärmung des Grundwassers unter Wien, wobei die Erwärmung in der jüngeren Vergangenheit zugenommen hat. In den zehn Jahren von 2001 bis 2010 wurde das Grundwasser in Wien um durchschnittlich 0,9 Grad wärmer, von 2011 bis 2020 waren es 1,4 Grad. Die Hauptgründe dafür sehen die Forscher bei der durch den Klimawandel deutlich gestiegenen Lufttemperatur und der fortschreitenden Versiegelung.

Auswirkungen der Erwärmung

Die Erwärmung ändert demnach auch die biologische und chemische Qualität des Grundwassers und wirkt sich auf Anwendungen wie Geothermie aus. "Derzeit ist die Nutzung von Geothermie in Wien nur im Bereich von 5 bis 18 Grad Celsius erlaubt. Wird das Grundwasser wärmer, könnten einige Gebiete langfristig nicht mehr für geothermische Kühlung nutzbar sein", so die Wissenschafter in ihrem Bericht.

Kühlbedarf steigt

Die Nutzung von Geothermie spielt auch selbst eine Rolle bei der Temperatur des Grundwassers. Für Heizanlagen wird dem Grundwasser Wärme entzogen, bei Kühlanlagen, für die der Bedarf in den letzten Jahren gestiegen ist, kommt das genutzte Grundwasser hingegen wärmer in den Untergrund zurück. Daher werden mittlerweile in Wien keine Anlagen genehmigt, die nur der Kühlung dienen, um eine zu starke Erwärmung des Grundwassers zu vermeiden. Umgekehrt wirkt ein verstärkter Einsatz von Heizungen mit Geothermie einer Erwärmung des städtischen Grundwassers entgegen.

Maßnahmenkatalog mit Empfehlungen

Basierend auf den wissenschaftlichen Ergebnissen soll nun aus dem Projekt "Heat below the city" ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden, der Behörden und Politik Empfehlungen für eine nachhaltige und effiziente thermischen Nutzung des Grundwassers liefern soll.

Daten zum Grundwasser online abrufbar

Geothermische Daten für Wien sind online frei zugänglich abrufbar im Geothermie-Atlas. Der Geothermie-Atlas wurde von der GeoSphere Austria in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien entwickelt und wird schrittweise auf weitere Bundesländer ausgedehnt. Er ermöglicht unter anderem für jeden Standort eine erste Abschätzung des Energiepotenzials von Erdwärmesonden und Grundwasserwärme.

Auf den Punkt gebracht

  • Im Rahmen des Projekts "Heat below the city" haben Forscher erstmals die Temperatur des oberflächennahen Grundwassers in Wien flächendeckend untersucht und dabei eine deutliche Erwärmung festgestellt, die auf den Klimawandel und die städtische Versiegelung zurückzuführen ist.
  • Diese Erwärmung hat Auswirkungen auf die chemische und biologische Qualität des Grundwassers sowie auf die Nutzung von Geothermie, weshalb ein Maßnahmenkatalog zur nachhaltigen Nutzung entwickelt werden soll.

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