Science

Forscher lagen beim Skelett jahrelang völlig falsch

Die Wissenschaft lag über zehn Jahre falsch: Der vermeintliche spanische Anführer, dessen Knochen Forschende 2008 entdeckt haben, war eine Frau. 

Im Jahr 2008 ausgegraben, beschäftigt dieses Skelett Archäologinnen und Archäologen bis heute – zum Glück.
Im Jahr 2008 ausgegraben, beschäftigt dieses Skelett Archäologinnen und Archäologen bis heute – zum Glück.
ATLAS-Forschungsgruppe der Universität Sevilla/Miriam Luciañez Triviño

Seit seiner Entdeckung im Jahr 2008 hielten Forschende das Skelett einer hochrangigen Person für die Überreste eines Mannes, der vor 3.200 bis 2.200 Jahren auf der Iberischen Halbinsel begraben worden war. Zum Zeitpunkt seines Ablebens dürfte er zwischen 17 und 25 Jahre alt gewesen sein. Davon gingen Fachleute bisher zumindest aus. Doch sie lagen falsch: Eine neue Analyse zeigt nämlich, dass es sich bei dieser Person tatsächlich um eine Frau handelte, um eine wichtige noch dazu. Die neuen Erkenntnisse sind im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlicht worden.

Wieso tippten die Forschenden zunächst auf einen Mann?

Als das Grab aus der iberischen Kupferzeit (2.900 v. Chr. bis 2.650 v. Chr.) entdeckt wurde, schien sofort klar, dass es sich um einen Mann handeln müsse. Schließlich wurden so nur sozial hochgestellte Personen bestattet. Und die waren doch immer Männer, so die – wie man heute weiß – falsche Annahme. "Häufig dominieren Bilder, wonach in der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte sämtliche Führungspositionen von Männern besetzt gewesen seien", erklärt eine der beteiligten Forscherinnen, die Wiener Archäologin Katharina Rebay-Salisbury.

Hinzu kam, dass "der erste anthropologische Bericht ergab, dass die Person aufgrund einer Analyse des Beckens höchstwahrscheinlich männlich war", so Rebay-Salisburys Kollege Leonardo García Sanjuán.

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    Aufgrund der prunkvollen Grabbeigaben sind die Fachleute nämlich über zehn Jahre davon ausgegangen, dass das Skelett männlich ist. (Im Bild: Die Fundsituation von 2008, obere Ebene)
    Aufgrund der prunkvollen Grabbeigaben sind die Fachleute nämlich über zehn Jahre davon ausgegangen, dass das Skelett männlich ist. (Im Bild: Die Fundsituation von 2008, obere Ebene)
    ATLAS-Forschungsgruppe der Universität Sevilla/Miriam Luciañez Triviño

    Wie kommen die Forschenden darauf, dass es doch eine Frau war?

    Der Nachweis gelang mittels einer speziellen Analyse des Zahnschmelzes, die in Wien entwickelt und vorgenommen wurde. "Das Ergebnis einer solchen Analyse ist zu 99,9 Prozent sicher", erklärte Rebay-Salisbury. Zu den vielen hochwertigen Grabbeigaben zählten dem Team zufolge auch ein Elefantenstoßzahn, Straußeneischalen und ein Dolch mit einer Klinge aus Bergkristall sowie einem Elfenbeingriff, verziert mit 90 scheibenförmigen Perlen aus Perlmutt.

    Wer war die Frau?

    Viel ist bislang nicht über sie bekannt. Die Archäologen gingen aber davon aus, dass sie einst die "höchste Person" in dieser besonderen Gesellschaft war, sagte García Sanjuán. In der Kupferzeit hätten sich in den westeuropäischen Gesellschaften neue Formen der Führungen entwickelt. "Sie war eine Anführerin, die vor Königen und Königinnen existierte, und ihr Status wurde nicht vererbt, was bedeutet, dass sie aufgrund ihrer persönlichen Leistungen, Fähigkeiten und Persönlichkeit eine Anführerin war." Möglicherweise sei die bestattete Frau Elfenbein-Händlerin oder Priesterin gewesen, vermutet Rebay-Salisbury.

    Wie kommen die Forschenden darauf?

    Das Grab sei ein seltenes Beispiel einer Einzelbestattung in dieser Region, was einen weiteren Beweis für ihren hohen Status liefere. "Als wir die Grabbeigaben mit unserer Datenbank verglichen, konnten wir deutlich erkennen, dass diese Frau in Bezug auf Reichtum und sozialen Status anderen Personen um Längen voraus war", so García Sanjuán. Auffallend auch: Bisher wurde in ganz Spanien kein Grab eines Mannes aus der Kupferzeit gefunden, dessen sozialer Status dem der Elfenbeindame genannten Frau entspreche, zitiert Livescience.com die spanische Archäologin Marta Cintas Peña.

    Das einzige vergleichbare Grab aus dieser Zeit, das ebenfalls mit prunkvollen Gaben ausgestattet war, enthalte die sterblichen Überreste von mindestens 15 Frauen. Dieses Grab könnte für Personen errichtet worden sein, die behaupteten, von der "Elfenbeindame" abzustammen, sagten die Forscher.

    Fazit

    Insgesamt deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass Frauen in der iberischen Gesellschaft der Kupferzeit Führungspositionen eingenommen haben könnten und die Rolle von Frauen in der Vergangenheit und in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen überdacht werden solle, hiess es in einer Mitteilung der Universität von Sevilla zur Studie. "Mit diesem Fund werden viele unserer Geschlechterstereotype über Bord geworfen", so Rebay-Salisbury.

    Bereits vor einigen Jahren haben Forschende in Spanien das Grab einer höhergestellten Frau gefunden. Darauf deutete unter anderem ein beigefügtes Diadem hin. Ein weiterer Hinweis darauf, dass Frauen früher womöglich an der Spitze der Gesellschaft standen.

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