Gesundheit
Forscher entdecken mögliche Ursache für Long Covid
Die Folgen einer Corona-Infektion können sich über Monate hinziehen. Nun haben Forscher im Blut eine mögliche Ursache für "Long Covid" entdeckt.
Viele Corona-Infizierten haben auch Monate nach der Erkrankung Covid-19-Symptome. So leiden einige nach einem halben Jahr etwa noch an Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Müdigkeit, Atemnot und sogar Depressionen. Diese Langzeitfolgen werden als "Long Covid" bezeichnet. Sie können auch Patienten treffen, deren Covid-Erkrankung lediglich einen milden Verlauf genommen hatte (siehe Box am Ende).
„Die Ursachen für die Spätfolgen sind dabei noch weitgehend unklar.“
Nun hat ein Forschungsteam des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin in Erlangen (MPL), der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sowie des Deutschen Zentrums für Immuntherapie, unter Anwendung eines selbst entwickelten Verfahrens, neue Erkenntnisse gewonnen.
Neue Erkenntnisse
Die Forschenden fanden heraus, dass Größe und Steifigkeit der roten und weißen Blutkörperchen durch die Infektion mit dem Virus verändert wurden – und das über Monate hinweg, wie sie im Fachblatt "Biophysical Journal" berichten.
"Diese Ergebnisse können dabei helfen, zu erklären, warum manche Betroffene noch lange nach einer Infektion über Beschwerden klagen", schreiben sie in einer Mitteilung.
Klar sei, dass im Zuge einer Erkrankung oft die Blutzirkulation beeinträchtigt ist, es zu gefährlichen Gefäßverschlüssen kommen könne und der Sauerstofftransport im Blut nur eingeschränkt funktioniere, schreibt das Team. Alles Phänomene, bei denen die Blutzellen und ihre physikalischen Eigenschaften eine Schlüsselrolle spielten.
Vier Millionen Blutzellen untersucht
Die Forschenden untersuchten deshalb den Zustand von mehr als vier Millionen Blutzellen. Das untersuchte Blut stammte von 17 akut an Covid-19 erkrankten Patienten, von 14 Genesenen und 24 Gesunden als Vergleichsgruppe.
"Dabei haben wir deutliche und langanhaltende Veränderungen der Zellen messen können – während einer akuten Infektion und auch noch danach", sagt Jochen Guck, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, in der Mitteilung.
Schnelles Verfahren
Um die Blutzellen zu analysieren, nutzten die Forschenden ein selbst entwickeltes Verfahren namens Echtzeit-Verformungszytometrie, das vor Kurzem mit dem hoch dotierten Medical Valley Award ausgezeichnet wurde.
Dabei werden Blutzellen durch einen engen Kanal geschossen und gestreckt, wobei sie von einer Hochgeschwindigkeitskamera fotografiert werden. Eine spezielle Software ermittelt anschließend, um welche Zelltypen es sich handelt, wie groß und wie stark verformt sie sind. Bis zu 1000 Blutkörperchen lassen sich so laut Mitteilung pro Sekunde analysieren.
➤ Vorteil des Verfahrens: Es ist schnell und die Zellen müssen nicht aufwendig angefärbt werden.
Sauerstoffversorgung beeinträchtig
Bei den Erkrankten schwankten Größe und Verformbarkeit der roten Blutkörperchen wesentlich stärker als bei gesunden Personen, was auf eine Schädigung dieser Zellen hindeutet. Die fehlende Flexibilität der roten Blutkörperchen könnte das erhöhte Risiko von Gefäßverschlüssen und Embolien der Lunge erklären, so die Forschenden.
Rote Blutkörperchen haben keinen Zellkern, was sie normalerweise äußerst flexibel macht, um auch noch in die hintersten Endausläufer des Gefäßsystems zu gelangen, wo sie das Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen und Stoffwechselreste abtransportieren.
Ist die Sauerstoffversorgung des Gewebes beeinträchtigt, sind Atemnot, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen die Folge – alles Symptome von Long Covid.
"Zellskelett verändert"
Weiße Blutkörperchen aus der Gruppe der Lymphozyten waren dagegen bei Corona-Patienten deutlich weicher als bei Gesunden, was auf eine starke Immunreaktion hinweisen kann. Zudem stellten die Forscher bei einer weiteren für die angeborene Immunabwehr verantwortlichen Gruppe weißer Blutkörperchen auch sieben Monate nach einer akuten Infektion noch drastische Veränderungen fest.
"Wir vermuten, dass sich das Zellskelett der Immunzellen, welches maßgeblich für die Zellfunktion verantwortlich ist, verändert hat", erklärt Markéta Kubánková, Erstautorin der Studie.
Long Covid
Die Langzeitfolgen nach überstandener Corona-Erkrankung nennen Experten Long Covid. Betroffene klagen unter anderem über Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Müdigkeit, Atemnot und sogar Depressionen. Häufig treten solche Beschwerden nach einem schweren Verlauf einer Corona-Erkrankung auf.
Aber auch bei Menschen mit leichten Krankheitssymptomen können plötzlich schwere neurologische Ausfälle, Herzprobleme, chronische Erschöpfung auftreten.