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Expertin zu Medizin-Mangel: "Scheußlich, aber es wirkt"

Der Medikamentenmangel sei ein erhebliches Problem, doch es gebe Alternativen, so Pharma-Managerin Ilse Bartenstein.

Clemens Pilz
Ilse und Martin Bartenstein bei einem Fundraising Dinner 2022
Ilse und Martin Bartenstein bei einem Fundraising Dinner 2022
Andreas Tischler

Ein Medikamentenengpass, ausgelöst unter anderem durch die Abhängigkeit von Produktion in Fernost und die Corona-Pandemie, beschäftigt seit geraumer Zeit die heimischen Apotheken. Speziell Antibiotikasäfte für Kinder sind derzeit nicht mehr verfügbar, "Heute" berichtete. Ilse Bartenstein, Chefin des steirischen Konzerns G.L. Pharma und Ehefrau des Ex-ÖVP-Wirtschaftsministers Martin Bartenstein, versuchte nun im Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" zu beruhigen und Auswege aufzuzeigen.

Derzeit gebe es speziell bei fiebersenkenden Arzneimitteln und Antibiotika eine zugespitzte Lage, es handle sich aber um einen Lieferengpass und keinen Versorgungsengpass. "Das heißt, es gibt Alternativen: Betroffen sind vor allem Kinderdosierungen und Säfte, aber es gibt etwa Antibiotika-Tabletten, die müsste man zerreiben, dann schmecken sie zwar scheußlich, aber sie wirken." Sobald sich die aktuelle Erkrankungswelle verbessere, sollte sich laut Bartenstein auch der Engpass wieder legen. Schönreden wolle sie die Situation aber auch nicht.

Mit Lieferschwierigkeiten "konnte keiner rechnen"

Kritik, wonach die Hersteller das Ausmaß der aktuellen Krankheitswelle unterschätzt hätten, könne sie nicht nachvollziehen. "Jeder weiß natürlich, dass es in der Pandemie sehr viele Schutzmaßnahmen gab und dadurch auch weniger Erkrankungen, du kannst aber immer nur mit deinem Marktanteil, mit deinen Absatzzahlen aus der Vergangenheit rechnen. Und auch wenn man die Zahlen von 2019, also vor Corona, hernimmt, ist die Nachfrage im Vergleich deutlich gestiegen. Mit den europaweiten Lieferschwierigkeiten konnte zudem keiner rechnen."

Bartenstein sieht eine Art "kurzsichtige Planwirtschaft" als Gefahr für Österreich: Einerseits werde die Produktion von Medikamenten in Europa gefördert, da dies strategisch wichtig ist und die Abhängigkeit von China reduzieren soll. Andererseits wolle man nur zum asiatisch günstigen Preis einkaufen. Ab 2024 würde Anbietern, die mit den Billigpreisen nicht konkurrieren können, sogar die Streichung von der Liste der zugelassenen Arzneimittel drohen. 

Notfalllager nur bedingt sinnvoll

Sollen also, um künftige Engpässe abfedern zu können, Notfalllager für Medikamente in Europa angelegt werden? Bartenstein gibt zu bedenken: "Die Frage ist nur, was legt man sinnvollerweise auf Lager. Keiner weiß, welche neue Pandemie oder welcher Notfall auf uns zukommen könnte. Es gibt ja natürlich auch Medikamente, die eine begrenzte Laufzeit haben."

Von der Politik fordert die Pharma-Managerin eine Indexierung der Preise, um eine Anpassung auch bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu ermöglichen. Denn Hersteller müssten wirtschaftliche Entscheidungen treffen und viele der Produkte, die aktuell als nicht lieferbar gelistet sind, würden sich für Pharma-Firmen aktuell nicht auszahlen. "Bei manchen Dingen ist das egal, weil es Alternativen gibt. Aber wenn dann einmal ein gewisser Punkt erreicht wurde und sich Anbieter als Ganzes zurückziehen, wird es gefährlich."

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