Insgesamt 505 Tage wurde Tal Shoham im Gazastreifen als Geisel gehalten. Hamas-Terroristen hatten den österreichisch-israelischen Doppelstaatsbürger im Zuge ihres brutalen Überfalls am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppt. Auch seine Frau, seine beiden Kinder sowie seine Schwiegermutter und eine Tante wurden gekidnappt. Sie kamen zum Glück bald frei. Erst am 22. Februar 2025 wurde der 40-Jährige nach zähen Verhandlungen freigelassen und durfte seine Familie wieder in die Arme schließen.
Mit Puls24-Chronik-Chefreporterin Magdalena Punz reiste Shoham nun an jenen Ort zurück, von dem er entführt wurde. "Ich hörte vorne und hinten arabische Stimmen. Da habe ich mir gedacht, wo ist das Militär?", schildert der Israeli die Minuten vor der Verschleppung.
Danach sei alles schnell eskaliert. Die Terroristen seine über das Fenster in sein Haus eingedrungen. "Ich habe die Türe zugehalten, doch sie warfen Gläser auf den Boden, dass wir über die Scherben nicht weglaufen konnten", so der 40-Jährige. "Mein Sohn fragte mich, ob wir sterben werden, ich sagte ihm: Ich hoffe nicht", schildert Shoham weiter. "Das war das Letzte, was er an jenem Tag von mir hörte."
Kurz darauf wurde der Israeli in einen Kofferraum gesteckt und in den Gazastreifen verschleppt worden. Dort hörte er Allahu-Akbar-Rufe und wurde von den anwesenden Menschen wüst beschimpft, ehe in einen Tunnel gesperrt wurde. "Wir mussten auf Matratzen liegen, ein Loch im Boden war unsere Toilette."
In der Geiselhaft habe er fast 30 Kilogramm abgenommen. "Wir hatten wenig Essen, meist nur eine Schüssel Reis. Es waren weniger als 300 Kalorien am Tag", so Shoham. "Sie haben uns geschlagen – aber nicht alle, es gab auch einige wenige, die ihre Menschlichkeit bewahrt haben."
Während des Martyriums des Familienvaters stand der ehemalige Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in ständigem Austausch mit dessen Angehörigen. Im Interview mit Puls24 spricht der Ex-Regierungschef erstmals über die geheimen Verhandlungen zur Freilassung Shohams. Dass dieser wieder in Freiheit ist, sei laut dem ehemaligen Politiker "nach wie vor ein Wunder".
Kurz nach dessen Freilassung habe Nehammer persönlich mit Tal Shoham telefoniert. "Seine kraftvolle Stimme zu hören - nach all dem, was er, seine Frau und seine Kinder mitgemacht haben, die auch in Geiselhaft waren - ist einfach beeindruckend und überwältigend", schildert der Ex-Kanzler im Gespräch mit Puls24-Infochefin Corinna Milborn.
Die Verhandlungen mit der Hamas hätten größtenteils hinter verschlossenen Türen stattgefunden. "Es ist notwendig, weil die Partner, die wir in dieser Situation zur Verfügung hatten, verwickelte Kontakte zur Terrororganisation hatten", stellt Nehammer klar. Neben Indien hätten auch Geheimdienstinformationen aus Katar, dem Oman und Ägypten als Informationsquellen gedient. Man habe dennoch lange nicht gewusst, ob Shoham noch am Leben sei. "Die Hamas macht ihr übles Geschäft sowohl mit Lebenden als auch mit Toten", erklärt der ehemalige Regierungschef.
Obwohl Hinweise, dass der 40-Jährige noch am Leben sei, immer nur von einer Quelle gekommen seien, hatte Nehammer immer das Gefühl, dass die Chance, dass er wirklich am Leben sei, tatsächlich da sei. Oftmals habe man jedoch lange Zeit nichts gehört. "Die Hamas ist zu allem bereit", so Nehammer. "Sie setzen in ihrem perfiden System die Geiseln und die Angehörigen unter Druck."
In dieser Zeit habe Nehammer weiterhin den Kontakt mit Tal Shohams Vater aufrechterhalten: "Ich habe die Verbindung niemals abreißen lassen. Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut." Auch die Kinder und die Frau des Israeli-Österreichers habe die Bundesregierung kontaktiert und nach Wien eingeladen. Man habe ihnen verdeutlichen wollen, "dass auch sie Österreich als Heimat begreifen sollen."
Der Tag, an dem Tal Shoham schließlich freigelassen wurde sei, sei für Nehammer "höchst emotional" gewesen. Erst als er ihn persönlich gesehen hatte, habe er realisiert, dass der Familienvater endlich frei sei. "Man bleibt bis zum Schluss angespannt, ob es wirklich passiert oder nicht", so Nehammer.