Politik

Wen Österreichs NSDAP-Mitglieder 1949 wählten

So spannend können Wählerstrom-Analysen sein: In einem interaktiven Tool kann man sich nun durchklicken.

Heute Redaktion
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Das Institut SORA hat in Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte Österreich und dem Parlament alle bisherigen Nationalratswahlen seit dem Ende der Monarchie analysiert.

Erstmals gibt es zu allen 26 Wahlen eine Wählerstrom-Analyse. Anhand der Daten kann man nun erstmals sehen, ob die ehemaligen NSDAP-Mitglieder Österreichs tatsächlich alle bei der FPÖ-Vorgängerpartei VdU (Verband der Unabhängigen) landeten, wie oft vermutet.

Die besondere Wahl 1949

Dazu müssen wir ins Jahr 1949 reisen. Erstmals trat damals der Verband der Unabhängigen (VdU, oder WdU - Wahlpartei der Unabhängigen) an.

Wie funktionieren Wählerstrom-Analysen?
SORA hat dafür ein eigenes Verfahren entwickelt. Weil die wenigsten Befragten mit Sicherheit sagen könnten, was sie zuletzt gewählt haben, verzichtet man auf Umfragen. Man vergleicht stattdessen das Wahlverhalten auf der kleinsten Ebene - Wahlsprengel.

Eine Wählerstrom-Analyse sagt also beispielsweise aus: Im Sprengel X wählten die Bürger zuletzt die Partei A, diesmal aber die Partei B.

Das interaktive Tool, das mit Fotos aus der Parlamentsdirektion und Videomaterial des ORF bestückt ist, ist ab 25. Juni 2019 im Haus der Geschichte Österreich zu erleben und soll ab Herbst auch online verfügbar sein.

Weitere Besonderheit: Es durften 940.000 Menschen mehr wählen als noch 1945. Diese Gruppe der ehemaligen Nicht-Wahlberechtigten bestand zur Hälfte aus Ex-NSDAP-Mitgliedern und zur anderen Hälfte aus Kriegsgefangenen und Flüchtlingen, die seit 1945 eingebürgert wurden.

Wohin gingen die ehemaligen Nicht-Wahlberechtigten also bei ihrer ersten Wahl? Die Wählerstrom-Analyse zeigt, dass sie sich zu jeweils einem Drittel auf VdU (24 Prozent), ÖVP (31 Prozent) und SPÖ (31 Prozent) aufteilten.

Man sieht, eine sehr inhomogene Wählergruppe. Also fragen wir umgekehrt: Wer wählte 1949 den erstmals antretenden Verband der Unabhängigen (VdU)? Bestanden deren Wähler nur aus früheren Nicht-Wahlberechtigten, womöglich NSDAPlern? Mitnichten. Nur knapp die Hälfte (47 Prozent) der VdU-Wähler waren ehemalige Nicht-Wahlberechtigte. Der Rest kam zu etwa gleichen Teilen (18, 17 und 16 Prozent) von SPÖ, ÖVP und Menschen, die 1949 nicht zur Wahl gegangen waren.

Woher kamen die ersten FPÖ-Wähler?

Zeitsprung ins Jahr 1956. Da trat statt dem VdU erstmals die FPÖ an. Und die Grafik zeigt: Die Stimmen der FPÖ kommen zum Großteil von den ehemaligen VdU-Wählern. 82 Prozent der FPÖ-Stimmen kamen damals vom VdU.

Was aber nicht heißt, dass alle VdU-Wähler geschlossen zur FPÖ wanderten. Vielmehr entschied sich nur die Hälfte weiterhin, für das "dritte Lager" zu stimmen. Ein Drittel (30 Prozent) ging auch zur ÖVP, sieben Prozent zur SPÖ.

Das ist mit der damaligen Wahlkampagne zu erklären: Sowohl ÖVP als auch SPÖ warben damals um die ehemaligen NSDAP-Mitglieder in Österreich. Die ÖVP war dabei offenbar erfolgreicher.

Größter Wählerstrom

In der jüngeren Vergangenheit haben die Daten-Massen einen Rekord zu bieten. Den größten Wählerstrom den es jemals gab. Diesen gab es von 1999 auf 2002. Nach der Parteispaltung der FPÖ in Knittelfeld und dem Ende der ersten schwarz-blauen Koalition verlor die FPÖ zwei Drittel ihrer Wähler.

Die Hälfte aller FPÖ-Wähler ging geschlossen zur ÖVP. Unglaubliche 630.000 Stimmen: ein Rekord mit großem Abstand.

Noch dazu ging jeder achte FPÖ-Wähler von 1999 drei Jahre später zur SPÖ. Insgesamt bekam die FPÖ 753.000 Stimmen weniger als 1999. (csc)