Schräge Propagandashow

Erste Touristen in Nordkorea seit fünf Jahren

Eine spezielle Agentur organisiert die Reisen. Trotz strenger Bewachung und Zensur konnte ein Brite einige besondere Eindrücke dokumentieren.
Nick Wolfinger
03.03.2025, 17:38

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020 war Nordkorea für Ausländer komplett abgeriegelt. Zwar wurden die Einreisebestimmungen für Russen und Chinesen bereits vor einer Weile wieder gelockert, doch "westlichen" Ausländern war die Einreise bis vor wenigen Tagen strengstens untersagt.

Reisebüro ist auf abgeschottete Länder spezialisiert

Das auf Reisen in besonders abgeschottete Länder spezialisierte Reisebüro Young Pioneer Tours mit Sitz in China durfte nun erstmals seit fünf Jahren wieder eine "westliche" Reisegruppe nach Nordkorea führen. Und zwar in die ganz im Norden gelegene Region Rason. Alle anderen Regionen sind für "Westler" weiterhin Tabu.

Eine Handvoll abenteuerlustiger Briten, Franzosen, Deutscher und Australier wagte die fünftägige geführte Tour. Kaum der Rede wert, dass ihnen dabei eine ganze Schar an "Aufpassern" zur Seite gestellt wurde und strenge Verhaltensregeln einzuhalten waren. Jede Kritik am kommunistischen Einparteien-Regime rund um Führer Kim jong-un war verboten. Ebenso sämtliche negativen Bemerkungen zum Land, seiner Leute, der Kultur, dem Wirtschaftssystem oder sonstige Kritik.

Strenge Kontrolle der Elektrogeräte

Bei der Einreise musste man sich einer strengen Kontrolle unterziehen. Sämtliche Elektrogeräte wie Handys, Kameras, aber auch USB-Sticks mussten auf einer Liste vermerkt werden. Damit kann bei der Ausreise sichergestellt werden, dass nicht heimlich Kommunikationsgeräte oder Daten ins Land gelangen, die die komplette Abschottung des Landes unterlaufen könnten.

Zu sehen bekamen die Touristen natürlich nur, was in monatelanger Arbeit akribisch vorbereitet und inszeniert wurde. So ging es etwa zu einer Mineralwasserfabrik, die weitgehend automatisch funktioniert, zu einer neu eröffneten, modernen Apotheke oder in einen Souvenirshop, der praktisch ausschließlich Devotionalien des "großen Führers" sowie anti-westliche Propagandamaterialien anbot, wie der britische Youtuber Mike O'Kennedy auf seinem Kanal zeigte.

Weltfrieden "unangebracht"

"Im Allgemeinen haben die Guides einen tollen Job gemacht und uns ein sicheres Gefühl gegeben. Es gab nur ein paar Momente, in denen ich dachte: Das ist bizarr", erzählte O'Kennedy nach der Reise der New York Post. Bei einem Besuch im nordkoreanisch-russischen Freundschaftshaus hatte er jedoch "einen Blackout", wie er selbst sagt. Denn als er sich ins Gästebuch eintragen sollte, schrieb er "Ich wünsche der Welt Frieden". Danach ermahnte ihn einer der Aufpasser, dass das "unangebracht" sei.

Spontane Gespräche mit Einheimischen – von denen während der Tour auffallend wenige auf den Straßen und Feldern zu sehen waren – waren verboten. Umso aufregender war es dann für beide Seiten, als die Touristen in eine modern augestattete Volksschule geführt wurden. Beim Besuch einer Englischklasse gab es sogar etwas Gelegenheit für Smalltalk mit den Vorzeige-Schülerinnen, die etwa erstaunt waren, wie oft O'Kennedy bereits in China war. Denn selbst eine Reise ins kommunistisch-brüderliche Nachbarland ist etwas, was den meisten Nordkoreanern Zeit ihres Lebens verwehrt bleibt.

Beim Besuch einer Schule kam der Youtuber auch ins Gespräch mit einigen Vorzeigeschülerinnen der Englischklasse
Youtube/mikeokay

Schulkinder tanzen zu Raketenhagel

Grotesker Höhepunkt der Reise war dann eine aufwändige Musik- und Tanzshow von Volksschulkindern. Vor einer riesigen Videowall, auf der eine Animation startender nordkoreanischer Langstreckenraketen gezeigt wurden, die auf eine fiktive Stadt einschlugen, besangen und betanzten die Kinder den "großartigen" Landesführer Kim.

Ein Teilnehmer der Reisegruppe erzählte danach: "Sie hatten fünf Jahre Zeit, die Dinge in Ordnung zu bringen. Nordkoreaner sind so empfindlich, was sie den Touristen zeigen. Wenn das das Beste ist, was sie zeigen können, will ich gar nicht darüber nachdenken, was es sonst noch gibt".

{title && {title} } NW, {title && {title} } 03.03.2025, 17:38
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